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Masters 2018

Captain America - The first major

Von Fritz Lüders, Fotos: Getty Images

Alle Superstars brachten ihr bestes Golf mit nach Augusta, doch am Ende triumphierte ein Mann, der Amerikas Golffans schon lange in Gewissensbisse stürzt, vollkommen verdient.

Natürlich war es ein Wadenbeißer von der Sorte eines Elfmeters, den man entweder verwandelt und kein Mensch redet später noch davon oder danebenschießt und die Karriere wird für immer von einem dunklen Schatten begleitet, der auf dem 72. Loch des Masters 2018 zwischen Patrick Reed und seinem ersten Major-Sieg stand. Wer auf der Welt wäre besser geeignet gewesen, diesen letzten Putt ins Loch zu stopfen, als Patrick Reed? Niemand! Spätestens seit Hazeltine und Reeds unglaublicher Leistung beim Ryder Cup dort ist die Rolle des nervenstärksten Profis fest vergeben und aller Welt klar, dass der inzwischen 27-Jährige ein ganz besonderes Talent hat, Grüns zu lesen und zu putten. Beides stellte er während seiner nervenaufreibenden Schlussrunde in Augusta eindrucksvoll unter Beweis.

Drei Schläge Vorsprung zu Beginn des Finalsonntags schienen vor der Runde selbst für Rory McIlroy ein echter Mount Everest zu sein, den es zu erklimmen galt. Schon beim Ryder Cup hatten es die beiden miteinander zu tun und der Nordire zog damals den Kürzeren. Was folgte, war ein Drama, wie es Augusta beinahe jedes Jahr imstande ist zu inszenieren, denn Reed verspielte seinen Vorsprung früh, konnte seine Verfolger nicht abschütteln und hatte dann genau dieses Quäntchen Glück, das es für einen Major-Sieg braucht. Aber der Reihe nach.

Masters 2018: Spontandemo: 'Keine Preiserhöhung im Fitnessstudio!'Masters 2018: Spontandemo: 'Keine Preiserhöhung im Fitnessstudio!'
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WER AUF DER WELT WÄRE BESSER GEEIGNET GEWESEN, DIESEN LETZTEN PUTT INS LOCH ZU STOPFEN, ALS PATRICK REED?
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Noch nie in der Geschichte des Masters im National Augusta gelang es einem Spieler, vier Runden unter 70 zu spielen. Weder Jack Nicklaus noch Arnold Palmer oder Tiger Woods schafften dieses Kunststück während ihrer 14 Siege. Mit Runden von 69, 66 und 67 schien Patrick Reed bereit, Historisches zu leisten, doch schon beim ersten Drive zeigte sich, dass die Golfgötter nicht einfach so eine seit 1943 anhaltende Serie enden lassen wollten. Reeds erster Schlag landete am Baum, der zweite im Bunker und schnell stand ein Bogey auf der Scorekarte. Die Tür für McIlroy war weit offen, doch der Nordire schob im Laufe seiner Runde mehr 100-prozentige Putts daneben als ein übergewichtiger Ersatzspieler eines Kreisligavereins. Mehr gibt es zu Rory an diesem Tag nicht zu berichten, außer dass zu hoffen bleibt, er schlägt nicht den Weg von Greg Norman ein, der über Jahre die Golfwelt dominierte, in Augusta aber reihenweise die größten Chancen ungenutzt ließ.

Es lag also an Spielern außerhalb des letzten Flights, für ein Birdie-Feuerwerk zu sorgen. Auftritt Jordan Spieth: Fünf unter Par lag der Masters-Champion von 2015 bereits, als er auf die zwölfte Teebox, den Schauplatz seiner persönlichen Kernschmelze von 2016, trat. Drei Bälle versenkte Spieth hier in den vergangenen beiden Jahren im Wasser, doch 2018 wurde der Exorzismus vollzogen. Jordans Ball blieb trocken und der Birdie-Putt fiel. Eine Finalrunde von historischem Ausmaß schien möglich - und wurde erst von einem Ast einer riesigen Pinie links der 18. Spielbahn gestoppt. Acht Schläge betrug zu diesem Zeitpunkt die größte Aufholjagd in der Geschichte des Masters, die Jackie Burke jr. 1956 gelang. Wie im Rausch Birdies aneinanderreihend, hatte Spieth völlig den Bezug zum Spielerfeld und zur eigenen Position verloren. "Ich hatte keine Ahnung. Nach der Runde habe ich zum ersten Mal auf das Leaderboard geschaut. Ich hätte mit zwei Schlägen führen und mit vier hinten liegen können." Lediglich das Bogey auf der 18 sorgte dafür, dass Nick Price und Greg Norman in Zukunft ihren Platzrekord von 63 Schlägen mit Jordan Spieth teilen müssen.

Masters 2018: Schere, Stein, Papier: Jordan gewinnt gegen sich selbst
Schere, Stein, Papier: Jordan gewinnt gegen sich selbst
Währenddessen traf Patrick Reed auf Loch 13 seinen zweiten Schlag zu fett, was für den Bruchteil einer Sekunde wie ein Ball aussah, der für alle Zeiten in Rae's Creek verschwindet. Doch er entpuppte sich als ein gnädiges Lächeln der Golfgötter. Vier Runden in den 60ern wollten sie ganz offensichtlich nicht durchgehen lassen, Patrick Reed als Sieger offenbar aber doch, denn bei trockenem Platz würde dieser Ball niemals am Abhang zum Wasser hängen bleiben. Dem Regen der Vortage sei Dank grub sich die Kugel tief genug ein. Freddie Couples widerfuhr 1992 ein Loch zuvor exakt dasselbe Schicksal. Auch Couples rettete damals sein Par und sollte später das Masters gewinnen. Der Weg für Patrick Reed zum Sieg schien vorbestimmt.

Bereits am Tag zuvor war es das schlechte Wetter, das deutlich machte, dass mit Reed in dieser Woche zu rechnen wäre. Zwar stoppte Petrus am Samstag keinen von Reeds Bällen vor dem nassen Verderben, jedoch sorgte er dafür, dass Reeds Schwager und Caddie Kessler Karain den Schirm zückte und damit offenbarte, dass die beiden wie üblich nicht das neueste, farblich abgestimmte Modell ihres Sponsors in der Tasche haben, sondern tatsächlich seit mehr als 18 Monaten den blau-weiß-roten Regenschirm des amerikanischen Ryder-Cup-Teams von Hazeltine. Dort wurde Patrick Reed nicht nur zum Superstar, sondern endgültig auch zu Captain America, der in der Lage ist, nahezu ein gesamtes Team zu schultern und über die Ziellinie zu schleppen. In Augusta lieferte er 2018 sein Meisterstück und eine beeindruckende Demonstration seines absoluten Willens ab, als er auf Loch 17 und 18 so nervenstark puttete, wie es den europäischen Ryder-Cup-Spielern seit Jahren Albträume bereitet.

Masters 2018:
Vielen Fans, auch in Amerika, fällt es schwer, Patrick Reed zu lieben, ist er doch ein schwer einzuordnender Einzelgänger und die Antithese zu den modernen und durchtrainierten Golfassen. All die Attribute, die Spieler wie Justin Thomas, Rickie Fowler und Jordan Spieth zum Fleisch gewordenen Traum von Sponsoren und Markenstrategen machen, fehlen Reed beinahe komplett. Wird ihm eine Mikrofon unter die Nase gehalten, provoziert er gerne mit Sprüchen wie: "Ich gehöre zu den fünf besten Golfern der Welt" oder zeigt Fans und Gegenspielern den mittlerweile berühmten Schweigefinger. Unter dem Babyspeck, der Reed ein so harmloses Äußeres verleiht, steckt aber nicht nur ein energetisches Golftalent der Extraklasse, sondern auch ein Kämpfer härter als ein Sack Nägel. Kommt der 27-Jährige einmal in Fahrt, scheint es, als wäre das Loch für ihn nicht 10,8 Zentimeter, sondern mindestens 10,8 Meter breit. Er kann einfach nicht danebenputten. Während sein Score von Loch zu Loch nach unten schießt wie der Dax nach einem Börsen-Crash, bleibt den Konkurrenten nur die Hoffnung, dass er mal nicht seine Faust ballt, weil er wieder einen Monster-Putt gelocht hat.

In den konservativen Golfkreisen der Vereinigten Staaten zählen Werte wie Integrität mindestens so viel wie patriotische Heimatliebe - kein Wunder also, dass Patrick Reed alles andere als ein Liebling der Massen ist. Zu College-Golf-Zeiten wurde er verdächtigt, nicht nur auf dem Platz die Regeln zu brechen, sondern nach der Runde auch noch seine Mitspieler zu beklauen. Nichts von alldem wurde je bewiesen, Reed schaffte es jedoch, sich sogar bei seinen Teamkameraden derart unbeliebt zu machen, dass diese während Matches ganz offen seine Gegner anfeuerten. Auch das Verhältnis zu seinen Eltern ist seit 2011 derart zerrüttet, dass er Vater, Mutter und Schwester bei den US Open 2014 vom Platz entfernen ließ, als er sie unter den Zuschauern entdeckte.

All diese Geschichten zählten allerdings nichts, als Sergio García dem frisch gebackenen Champion ins Grüne Jackett half. "Ich hatte einen Plan, wie ich diese Woche spielen wollte, und habe ihn durchgezogen. Auch heute bin ich nicht von dem Plan abgewichen. Ich musste erst lernen, wie ich solch einen Platz spielen muss", fasste er seinen das Leben verändernden Triumph nach der Runde nüchtern zusammen. Patrick Reed ist kein Mann der großen Worte und kein Liebling der Massen. Patrick Reed gewinnt Golfturniere und er ist Masters Champion.

 

LEADERBOARD

PosNameLandR1R2R3R4TotalPar
1Reed, PatrickUSA69666771273-15
2Fowler, RickieUSA70726567274-14
3Spieth, JordanUSA66747164275-13
4Rahm, JonESP75686569277-11
T5Smith, CameronAUS71727066279-9
T5Watson, BubbaUSA73686969279-9
T5Stenson, HenrikSWE69707070279-9
T5McIlroy, RoryNIR69716574279-9

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