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Open Championship 2015 – Teil 2

Von außen betrachtet

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Marcel Siem sollte an diesem Tag jedoch nicht das einzige Opfer der Wetterkapriolen werden, auch Brandt Snedeker kann seinen verpassten Cut Petrus in die Schuhe schieben. Zusammen mit Ernie Els und Tom Watson entschied er auf dem 17. Abschlag, die Runde zu beenden, obwohl die Sonne bereits untergegangen war. Niemand wollte Tom Watson bei seiner letzten Open Championship eine unzeremonielle Rückkehr am Samstagmorgen für ein letztes Loch vor leeren Rängen zumuten. Und so spielte die Gruppe weiter, Watson bekam sein verdientes Farewell auf der Swilcan Bridge und Snedeker zog sich ein Doppel-Bogey auf der 17, was ein dienstfreies Wochenende bedeutete. Um Tom Watsons letzten Putt zu sehen, müssen wir auf Periskope aus dem GP Clubhouse zurückgreifen, so viele Fans haben sich um das 18. Grün versammelt, um dem fünffachen Champion einen Abschied zu bereiten, der seiner Karriere angemessen ist. "Well played, Tom!", brüllt ein kaum jüngerer Zuschauer. "In ein paar Jahren erinnert sich keiner mehr an Gleneagles." Das entlockt selbst dem alten Tom Watson ein Lächeln.

IM WINDKANAL


Was am Vortag der Regen war, ist nun der Wind. Wobei "Wind" der Sache nicht gerecht wird: Ein ausgewachsener Sturm fegt an diesem Samstag nicht nur über unser Zelt, sondern bläst auf dem Old Course auch den Sand aus den Bunkern sowie die Bälle vom Grün und es braucht keinen Propheten, um vorauszusehen, dass hier und heute kein Golf gespielt wird. Tim hält sich selbst und auch uns allerdings für deutlich wetterfester als die verweichlichten Herren Golfprofis: "Ein freier Tag. Perfekt. Lasst uns nach Crail fahren und selbst den Schläger schwingen! Ich bin heiß." 20 Autominuten später am westlichsten Punkt des Kingdom of Fife angekommen, ist aus dem Wind ein Orkan geworden, der es uns nicht einmal erlaubt, die Türen unseres Wagen zu öffnen. Kommando zurück, hier wird heute keiner Golf spielen. Schade, eigentlich ein guter Plan, die gesparten 80 Pfund Eintritt in ein Greenfee und ein paar Bier zu investieren. Da auch aus dem Greenfee nichts wird, bleiben nur noch die Biere.

Open Championship 2015: Höchstrafe: der Gang zum Peter-Maffay-Konzert (l.) Zahltag: Joachim Llambi fiel das Abendessen aus dem Gesicht (r.)Open Championship 2015: Höchstrafe: der Gang zum Peter-Maffay-Konzert (l.) Zahltag: Joachim Llambi fiel das Abendessen aus dem Gesicht (r.)
Höchstrafe: der Gang zum Peter-Maffay-Konzert (l.) Zahltag: Joachim Llambi fiel das Abendessen aus dem Gesicht (r.)

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HIER WIRD HEUTE KEIN GOLF GESPIELT. SCHADE, EIGENTLICH EIN GUTER PLAN, DIE GESPARTEN 80 PFUND EINTRITT IN EIN GREENFEE UND EIN PAAR BIER ZU INVESTIEREN. DA AUCH AUS DEM GREENFEE NICHTS WIRD, BLEIBEN NUR NOCH DIE BIERE.
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Im Sonnenschein eines angenehmen Sommertages wird aus dem grauen Monster vom Vortag wieder ein Old Course, wie wir ihn von "GolfPorn"-Aufnahmen kennen. Doch als die ersten Spieler an diesem Sonntag loslegen, fällt es uns wie Schuppen von den Augen: Das hier ist erst Runde drei. Runde vier wird morgen stattfinden und da sitzen wir bereits im Flugzeug. Billigflieger sei Dank teilen wir dieses Schicksal mit geschätzten 90 Prozent der anderen Zuschauer auf der Anlage, die morgen ebenfalls wieder im Büro, im Auto oder im Flugzeug sitzen müssen und diesen Sonntag deshalb feiern, als wäre es ein Finaltag - auch wenn die Bierpreise in der Public Area mehr ans Oktoberfest als an ein Pub um die Ecke erinnern.

Als optimalen Platz, die Action entspannt zu verfolgen, haben wir mittlerweile die zahlreichen Sitzsäcke vor der riesigen Videoleinwand ausgemacht, die zwischen Champagnerzelt und Glenmorangie-Bar strategisch perfekt positioniert sind. "Es macht eigentlich nicht viel aus, dass Rory nicht hier ist", sagt ein kleines Mädchen neben uns zu seiner Mutter und es ist seit unserer Ankunft in St. Andrews tatsächlich das erste Mal, dass uns der Name Rory McIlroy zu Ohren kommt. Selbst die Nummer eins der Welt ist eben nicht grösser als St. Andrews und die Open Championship.

Open Championship 2015: St. Andrews: Irgendwann erfrischt es jeden
St. Andrews: Irgendwann erfrischt es jeden
Während sich Dustin Johnson mit drei finalen Birdies an diesem Abend aus dem Rennen schießt, kommt uns ein anderer Name ebenfalls zum ersten Mal zu Ohren: Paul Dunne. Der 22 Jahre alte Amateur aus Dublin spielt College-Golf für die University of Alabama und gibt erst nach der Runde zu: "Während der letzten Löcher war ich höllisch aufgeregt." Während seiner bogey-freien 66er- Runde war davon nichts zu sehen. Ein Amateur verlässt am späten Sonntagnachmittag das 18. Grün des Old Course als geteilter Führender. So wahr dieser Satz heute ist, so sensationell hätte er noch vor einer Woche geklungen. Doch leider haben Paul Dunne und alle seine Kollegen erst 54 Löcher hinter sich gebracht.

COUCHFINALE


Wir sitzen bereits im Flugzeug zurück nach Hamburg, als Phil Mickelson seinen Drive an der 17 auf einen Balkon des "Old Course Hotel" drischt und Bernhard Langer seine 30. Open Championship beendet, und wenig später fahren wir im Taxi ins Büro, als Martin Kaymer nach einer lupenreinen 68 das Leaderboard weit nach oben klettert und sein zweitbestes Ergebnis bei der Open nach Hause bringt. Nach dem Ausfüllen der Spesenzettel errechnet unser Chefstatistiker, dass ein Tag Open Championship für jeden von uns mit Eintritt, Essen, Trinken und abendlichem Amüsement mit durchschnittlich 198 Euro zu Buche schlug. Auf dem großen Flatscreen bringt sich Paul Dunne mit einem hypernervösen Auftakt, der einen 20 Meter zu kurzen Pitch und einen Abschlag auf das zum Trainingsgrün umfunktionierten 18. Grün des New Course beinhaltete, um die Chance, Golfgeschichte zu schreiben.

Ist eine Fanwallfahrt zur Open knappe 200 Euro am Tag wert? Selbstverständlich! Insbesondere in St. Andrews, wo vier Stunden später Jordan Spieth' Grand-Slam- Träume im Valley of Sin zerschellen und Zack Johnson nach einem epochalen Play-off seinen Ball als Champion Golfer of the Year aus dem 18. Loch fischt.

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