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Ryder Cup 2016

Das Imperium schlägt zurück

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Europas Dominanz beim Vergleich der Kontinente fand in Minnesota in einer blau-weiß-roten Orgie bestehend aus Hurrapatriotismus, Bier um 7:30 Uhr morgens, fehlendem Rough, pöbelnden Zuschauern und fantastisch aufspielenden US-Boys ihr jähes Ende.

Der Ryder Cup 2016 war bereits entschieden, bevor Justin Rose am Freitagmorgen den ersten Drive das Fairway der ersten Spielbahn hinunterprügelte. Zu viele Zeichen - monumentale wie auch subtile - deuteten in den Tagen vor dem großen Showdown darauf hin, dass unsere drei Cups andauernde Siegesserie in Minnesota ihr Ende finden würde. Das grösste davon war ohne Zweifel die Nachricht vom Tod Arnold Palmers, die am Sonntag vor unserer Ankunft in Minneapolis um die Welt ging. Nach dem Wunder von Medinah wissen nicht nur wir Europäer, welche Motivation und welchen teamvereinenden Effekt der Verlust einer Legende haben kann.

Doch da waren auch die scheinbar unwichtigen Vorzeichen wie die idiotischen Ergüsse von Danny Willetts Bruder P.J., der nicht nur die amerikanischen Schlachtenbummler, sondern alle Amerikaner als "moppelige, im Keller wohnende Sonderlinge, vollgestopft mit Keksteig und Pissbier" und als "fette, dumme, gierige Bastarde ohne Klasse" bezeichnete. Niemals zuvor in der Geschichte des Ryder Cup hatte ein Familienmitglied einem Teamspieler, noch dazu einem Rookie, eine greller leuchtende Zielscheibe auf den Rücken gepinselt. Und dann war da noch David Johnson aus Mayville in North Dakota, der zeigte, dass weder die zwölf amerikanischen Spieler noch das amerikanische Publikum in dieser Woche dazu bereit wären, irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Wer zum Teufel ist David Johnson?

Ryder Cup 2016: Ein alter Hut: der Tag im Büro nach einem Motörhead-KonzertRyder Cup 2016: Ein alter Hut: der Tag im Büro nach einem Motörhead-Konzert
Ein alter Hut: der Tag im Büro nach einem Motörhead-Konzert

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NIEMALS ZUVOR IN DER GESCHICHTE DES RYDER CUP HATTE EIN FAMILIENMITGLIED EINEM TEAMSPIELER, NOCH DAZU EINEM ROOKIE, EINE GRELLER LEUCHTENDE ZIELSCHEIBE AUF DEN RÜCKEN GEPINSELT.
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Wir waren am frühen Mittwochnachmittag dabei, uns am Rande des achten Grüns mit dem gewöhnungsbedürftigen Verlauf der Spielbahnen vertraut zu machen, und schenkten Rory McIlroy und Andy Sullivan, die auf besagtem Grün während ihres letzten Trainings-Matches gegen Justin Rose und Henrik Stenson mit einem kniffligen Bergab-Putt kämpften, kaum Beachtung. David Johnson, der irgendwo in der zweiten Zuschauerreihe stand, dafür umso mehr und er liess Rory seine Meinung mit einem inbrünstig gebrüllten "You can't make that putt!" wissen. Henrik Stenson, der sich kurz zuvor bereits ein infantiles "Silver medal means first loser!" anhören musste, hatte die Faxen dicke, zitierte Johnson kurzerhand aufs Grün und drückte ihm seine Putter in die Hand. Um nicht nur den Einsatz, sondern auch den Druck für den merkwürdig unbeeindruckten Fan noch zu erhöhen, warf Justin Rose noch einen 100-Dollar-Schein aufs Grün, doch Johnson stellte sich über den Ball, motivierte sich mit einem gemurmelten "Home soil, right?" und stopfte den Putt aus vier Metern mit einer Autorität ins Loch, wie Shaquille O'Neal einst Slam Dunks verwandelte. Seit acht Jahren haben wir keinen vergleichbaren Jubel von amerikanischem Publikum bei einem Ryder Cup gehört. In diesem Moment war nicht nur klar, dass das Video des ekstatisch feiernden Johnson viral gehen würde, wir wussten auch, wer an den folgenden Tagen die Putts lochen sollte.

GOOD CAPTAIN, BAD CAPTAIN


Nirgendwo, nicht beim Masters, nicht bei der Open und schon gar nicht beim Presidents Cup, ist die Stimmung mit den letzten Minuten, bevor ein Ryder Cup startet, zu vergleichen. Zwei Jahre gespannten Wartens, ermüdender Qualifikationsprozesse und endloser Diskussionen über mögliche Paarungen sind jetzt vorbei. In diesen Augenblicken liegt Spannung in der Luft, die keinem vermittelt werden kann, der sie noch nicht selbst erlebt hat. Auch Hazeltine macht da keine Ausnahme, und weil man in den USA etwas von Heldenverehrung versteht, kam die PGA auf den grandiosen Gedanken, Arnold Palmers Ryder-Cup-Bag von 1975, als er Team USA als Captain gegen Grossbritannien und Irland in die Schlacht führte und einen Katersieg verbuchen konnte, auf den ersten Abschlag zu stellen. 1975 war das letzte Mal, dass es einem amerikanischen Team gelang, während einer Session alle vier Matches für sich zu entscheiden, und nachdem Rory McIlroy und Andy Sullivan ihren schon sicher geglaubten Punkt gegen Phil Mickelson und Rickie Fowler auf den letzten vier Löchern noch aus der Hand gegeben hatten, stand es plötzlich 4:0 für Amerika, denn die übrigen drei Paarungen des europäischen Teams waren schlicht chancenlos. Hollywood hätte das Drehbuch für Amerika und seinen verstorbenen König Palmer nicht besser schreiben können und wahrscheinlich gab es in den gesamten Vereinigten Staaten nur einen einzigen Inhaber eines amerikanischen Passes, dem dieser Zwischenstand kein Grinsen ins Gesicht zauberte: Tom Watson. "You stink at four-somes", hatte der Captain von 2014 sein Team damals angeblafft, nachdem Amerika beide Sessions im klassischen Vierer mit jeweils 0,5 zu 3,5 verloren hatte. Die Antwort, die Team USA ihrem ehemaligen Captain an diesen Freitagvormittag in Hazeltine gab, war eine schallendere Watschen als jeder verbale Tiefschlag von Phil Mickelson.

Ryder Cup 2016:
Vor den Vierball-Bestball-Matches am Nachmittag ist Arnold Palmers Bag dann merkwürdigerweise nirgends mehr zu sehen und Team Europa kommt langsam in Tritt. Sechs Ryder-Cup-Neulinge hat Captain Darren Clarke mit nach Hazeltine gebracht, und nachdem Andy Sullivan und Thomas Pieters am Morgen unter die Räder gekommen waren, zeigt Rafael Cabrera Bello, dass es auch anders geht, spielt auf der ersten Bahn seiner Ryder-Cup-Karriere Birdie und hat gemeinsam mit Landsmann Sergio García kein Problem, J.B. Holmes und Ryan Moore in die Schranken zu weisen. "Ich hätte mir keinen besseren Partner für mein erstes Ryder-Cup-Match als Sergio wünschen können. Es macht mich stolz, dass wir so gut gespielt haben", sagte Cabrera Bello überwältigt nach der Runde und bei allen Fans von Team Europa war die Erleichterung zu spüren, dass wir endlich wieder über ein nur schwer zu schlagendes Duo aus Spanien verfügen. Keinem Amerikaner konnte schmecken, was er da von García und Cabrera Bello zu sehen bekam.

Der Höhepunkt des Tages ist jedoch erst erreicht, als Rory McIlroy, der es an diesem Nachmittag zusammen mit Thomas Pieters mit Dustin Johnson und Matt Kuchar zu tun hat, nach einem bombastischen Drive an der 16, der erst nach 316 Metern zum Liegen kommt, ein Eisen 4 über das Wasserhindernis dieses Furcht einflößenden Par 5 hämmert. Sein Ball steigt noch, da lässt Rory bereits seinen Schläger durch den leicht geöffneten Griff wirbeln und den 10.000 amerikanischen Fans, die diese Spielbahn flankieren, schießt ein kollektiver Gedanke durch den Kopf: "Oh no, he likes it!" Zwei Sekunden später schlägt Rorys Ball fünf Meter neben der Fahne ein und uns, die wir nur wenige Meter vom Grün entfernt diese Demonstration golferischer Weltklasse beobachten, kommt zum ersten Mal an diesem Wochenende ein ernst zu nehmendes "Olé, olé, olé, olé!" über die Lippen. Dustin Johnson, dessen Drive noch weiter flog, hat das Pech, dass Erdreich an seinem, Ball klebt. Millisekunden nach dem Impact flucht er bereits: "Mudball!", ehe sein Ball auf Nimmerwiedersehen im Wasser verschwindet. Die bierseligen Schlachtenbummler rund ums Grün sind sichtlich schockiert und dieser Schock weicht blankem Entsetzen, als Rory McIlroy seinen Ball mit einer majestätischen Bewegung des Putters den steilen Abhang des Grüns herunterrollen lässt, dieser niemals die Ideallinie verlässt und im Loch verschwindet. Eagle und Game over!

Der erste Tag endet mit einer Verbeugung McIlroys und einem Dustin Johnson, dem spätestens im Clubhaus klar geworden sein muss, dass der Nordire ihn vor fünf Tagen bei der Tour Championship nicht nur um zehn Millionen Dollar gebracht, sondern ihm heute auch noch seine bisher makellose Ryder-Cup-Bilanz zusammen mit Matt Kuchar versaut hat. In der Pressekonferenz spät am Abend setzt McIlroy sogar noch einen drauf: "Ehrlich gesagt habe ich über die Verbeugung schon nachgedacht, bevor ich den Putt gespielt habe. Es war eine ziemlich feindselige Stimmung da draußen und ich wollte jeden wissen lassen, wie viel uns der Ryder Cup bedeutet."

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IAN POULTER MADE IN THE USA


Am nächsten Morgen ist McIlroys Eagle immer noch Gesprächsthema Nummer eins und dabei droht unterzugehen, welch großen Anteil Ryder-Cup-Neuling Thomas Pieters am 3&2-Triumph seiner Paarung hatte. "Die Ehre gebührt diesem Typen neben mir", so Rorys Kommentar, "er ist Ryder-Cup-Rookie und spielt, als hätte er nie etwas anderes gemacht." Auch Darren Clarke, der eine Paarung in dieser Form offensichtlich nicht auf dem Zettel hatte, war beeindruckt: "Thomas ist ein riesiges Talent. Zusammen mit Rory scheint das einfach zu funktionieren."

Lobpreisung kassierte Pieters in dieser Woche allerdings nicht nur von Captain Clarke, sondern auch von höherer Instanz. Tiger Woods, der als Vizekapitän für Team USA in den Augen der Öffentlichkeit eine ruhige, beinahe schon phlegmatische Rolle spielte, sah Thomas Pieters am Dienstag während einer Trainingsrunde zum ersten Mal live einen Golfball schlagen. "Wow!", war sein treffender Kommentar, als er Pieters' beeindruckenden Ballkontakt hörte und die wunderbare Flugkurve verfolgte.

Augenzeugen berichteten aber schon die ganze Woche, dass Tigers Rolle hinter verschlossenen Türen weitaus aktiver war. Team USA war nach den bitteren Erfahrungen von Gleneagles 2014 zum Erfolgsmodell von Paul Azinger und dessen Triumph in Valhalla 2008 zurückgekehrt, bei dem jeder Vizekapitän für eine Gruppe von vier Spielern zuständig war und über dieses Quartett an den Captain berichtete. Woods hatte in Hazeltine die Verantwortung für Patrick Reed, Dustin Johnson, Jordan Spieth und Matt Kuchar. Als Reeds Kollegen eine Proberunde am Dienstag wegen mäßiger Wetterverhältnisse bereits nach neun Löchern beendeten, war dessen Durst nach Golf noch lange nicht gestillt. "Ich wollte auch die zweiten neun des Golfplatzes sehen und habe deshalb entschlossen, den Platz von der 18 an rückwärts abzulaufen. Als Tiger davon hörte, meinte er nur: 'Okay, lass uns losgehen.' Er hat mir eine Menge über den Golfplatz erzählt und mir geholfen, die einzelnen Bahnen besser zu verstehen. Es ist beeindruckend, aus erster Hand zu erfahren, wie sein Verstand auf einem Golfplatz funktioniert, und es zeigt auf jeden Fall, warum er so oft gewonnen hat."

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