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Solheim Cup 2015

Immer auf die Kleine?

Von Julia Haase, Fotos: Tino Dertz/ZWEI:D

Die größte Golfparty, die Deutschland je gesehen hat, war ein Anschauungsunterricht für Motivations-Coaches und Teambuilding-Seminare in aller Welt und zeigte, dass auch Amerikaner im Team spielen können. Es braucht lediglich etwas Hilfe aus Norwegen.

Sieg für Team USA. Mit einem Punkt Vorsprung. Wie bitter eine Niederlage in diesem Prestigewettbewerb schmeckt, wurde mir erst im letzten Moment wirklich klar. Dass der Solheim Cup keine reine Spaßveranstaltung wird, hatte im Vorfeld aber scheinbar nur Suzann Pettersen auf dem Schirm. Während sich die beiden Teamkapitäninnen in der Pressekonferenz am Dienstag vor Turnierstart mit Samthandschuhen anfassten und immer wieder betonten, wie "amazing" doch alles sei, hagelte es von Pettersens Seite bereits erste Kampfansagen. Die Spielerin mit der meisten Solheim-Cup-Erfahrung hielt Team Europa eindeutig für das bessere und fügte noch spöttisch hinzu: "Ich vermute, wir trainieren einfach ein wenig härter als die Amerikanerinnen." Nach dieser Aussage war dann auch klar, was die Teammutti von ihren Gegnern hielt.

Dabei hatte US-Kapitänin Juli Inkster ihren Spielerinnen doch dieses Jahr zum ersten Mal die Stars-and-Stripes-Kriegsbemalung verboten, damit sie das Spiel ernsthafter angingen. Wer jedoch glaubte, dass Team USA keinen anderen Weg finden würde, um den nicht vorhandenen Teamgeist nach außen zu kompensieren, sah sich getäuscht. In den folgenden Tagen wurden meine Augen nicht nur mit Flaggen-Leggings und USA-Nageldesigns der Spielerinnen beglückt, sondern ich wurde sogar unfreiwillig Zeugin, was echte Patriotinnen drunter tragen.

Klare Sache: Die Amerikanerinnen hatten in den Turniertagen modisch die Nase vorn. Das fing bereits bei der Eröffnungszeremonie am Donnerstagabend an: blaues Kleid, rote Strickjacke und Converse. Team Europa glänzt mit einem Outfit, das trotz Lederjacken sogar für den Anstandsbesuch bei der zukünftigen Schwiegermutter zu spießig ist.

Solheim Cup 2015: Jubel beim Sommerschlussverkauf: Das Sylt-Outfit für nächsten Sommer passt (r.)Solheim Cup 2015: Jubel beim Sommerschlussverkauf: Das Sylt-Outfit für nächsten Sommer passt (r.)
Jubel beim Sommerschlussverkauf: Das Sylt-Outfit für nächsten Sommer passt (r.)
Der Vormittag des ersten Spieltags stand für die Europäerinnen unter dem Motto "50 shades of blue" gepaart mit Inspirationen der Kinderabteilung einer skandinavischen Modekette. Nicht nur was den Spielmodus, sondern auch was die modischen Fauxpas angeht, lehnt sich der Solheim Cup stark an den Ryder Cup an.

Erster Tag, erster Flight, erster Abschlag und ein banges Hoffen: Wie wird wohl die Stimmung am ersten Abschlag nach Tagen des Dauerregens sein? Während sämtliches Anfeuerungsmaterial beim Ryder Cup zu horrenden Preisen verkauft wird, verteilten die Volunteers die Klatschpappen und Klatsch-Sticks kostenlos unter den früh aufgestandenen Fans. Ein zufälliger Gesprächsfetzen: "Ich will ja bei dieser Deutschen mitlaufen, wie hieß die noch mal?" Autsch!

Dank der vielen internationalen Zuschauer ließ sich sogar das etwas stimmungsfaule deutsche Golfpublikum am Freitagvormittag mitreißen, als Morgan Pressel den ersten Schlag des Turniers aufs Fairway donnerte. Mit ihrer Teamkollegin Paula Creamer bewies sie dann gegen Anna Nordqvist und Suzann Pettersen, dass Hochmut bekanntlich vor dem Fall kommt, und holte den ersten Punkt für Team USA. Stand es mittags nach den ersten vier Matches noch unentschieden, ging Team Europa am Freitagabend mit einer 4:2-Führung ins Bett.

Solheim Cup 2015: Zu wenig Sterne: wenn das Outfit nicht auf dem neuesten Stand ist
Zu wenig Sterne: wenn das Outfit nicht auf dem neuesten Stand ist
Beendet waren alle Matches aber noch nicht. Daran war nicht nur die einstündige Gewitterunterbrechung schuld. Dass im Profigolf die Vorbereitung auf einen Schlag länger dauert als bei uns Wochenend-Hackern, ist keine Überraschung. Dass aber gerade bei den Putts die Spielerinnen unzählige Male um den Ball tänzeln, aus jeder Perspektive Diskussionen mit ihren Caddies führen und dann trotzdem aus einem Meter am Loch vorbeischießen, war ermüdend. Das kenne ich nur aus Erzählungen von Herrenrunden. Und selbst die brauchen keine sechs Stunden für eine Runde. Trotz strömenden Regens musste deshalb am Samstag die Abschlagzeit um 7:45 Uhr eingehalten werden und das deutsche Duo Gal/Masson, das mit 1up am 16. Tee das Match wieder aufnahm, musste nach der 18 einen halben Punkt an Gerina Piller und Brittany Lang abtreten.

Trotzdem lief für Team Europa alles nach Plan und es ging mit einer 8:4 in die Nachmittags-Fourballs. Inzwischen hatten die deutschen Fans Nachhilfe in Sachen Anfeuerungsrufe bekommen und die Stimmung auf dem Platz war erste Sahne, obwohl nur ein einziges Match an diesem Abend zu Ende gespielt werden konnte. Mit einem Punkt für die USA. Es schien, als sei der Cup bisher relativ ausgeglichen und bis auf die Verzögerungen ein nettes und freundschaftliches Match zwischen Nationen. Europäische Zuschauer klatschten für amerikanische Spielerinnen und von Rivalität war nur wenig zu spüren. Scheinbar. Zwischen den Kapitäninnen herrschte zu diesem Zeitpunkt bereits dicke Luft. Der Grund: Vizekapitänin Annika Sörenstam soll Spielerinnen während der Matches Ratschläge gegeben haben. Ein Recht, das nur der Kapitänin selbst zusteht.

Solheim Cup 2015: Kraftfutter: Rex zog wie verrückt an der Leine. Europa als USA? Wenn Google Translate an seine Grenzen stößt.Solheim Cup 2015: Kraftfutter: Rex zog wie verrückt an der Leine. Europa als USA? Wenn Google Translate an seine Grenzen stößt.
Kraftfutter: Rex zog wie verrückt an der Leine. Europa als USA? Wenn Google Translate an seine Grenzen stößt.
Die Saat für ein Drama epischen Ausmasses war gesät.

Finaltag. Noch nie war ich so froh über einen "Inside the Ropes"-Pass, denn es schien, als sei halb Golfeuropa heute nach St. Leon-Rot gereist. Im Fokus: das Match von Charley Hull und Suzann Pettersen gegen Brittany Lincicome und Rookie Alison Lee. Das Match stand all square auf dem 17. Grün, als sich Zuschauer und Spielerinnen bereits dem 18. Abschlag zuwendeten und Alison Lee ihren Ball, der weniger als einen Meter vom Loch entfernt lag, aufnahm. Ganz zum Missfallen der Gegenspielerin aus Norwegen und das mittlerweile aus allen erdenklichen Winkeln durchleuchtete und kommentierte Unheil nahm seinen Lauf.

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