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Zum Heulen: Das Buffet macht in fünf Minuten zu

Turkish Airlines Open 2018

Mittendrin statt nur dabei

Von Fritz Lüders, Fotos: Matthew Harris, Golfpicturelibrary.com, Getty Images

Eigentlich gilt bei Turnieren: Je mehr Preisgeld im Raum steht, desto weiter werden die Zuschauer von den Spielern ferngehalten. Bei den Turkish Airlines Open geht es um sieben Millionen Dollar und trotzdem kämpfen wir mit den besten Spielern der Welt um die letzte Lammhaxe am Buffet.

Es ist drei Uhr nachts, als der Rezeptionist noch nie etwas von unseren Namen gehört haben will und wir uns kurze Zeit ernsthaft Gedanken machen, ob wir je eine Übernachtungsmöglichkeit in Antalya finden werden. Hätte man uns ein Zelt samt Isomatte angeboten - wir hätten mit Kusshand angenommen. Zum Glück meint es das Schicksal besser mit uns und nur eine Stunde später beziehen wir eine Villa zwischen (!) dem 16. Tee und dem 16. Fairway des Regnum Carya Resort in Antalya. Statt uns auf hartem Boden den Rücken wund zu liegen, können wir nun vier Tage lang bei kühlen Drinks am Pool Martin Kaymer & Co. zuschauen, wie sie die Bälle über unsere Köpfe hinwegschießen. Aber der Reihe nach.

Turkish Airlines Open 2018:

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WÄHREND WIR NOCH BEIM RYDER CUP UND BEI DEN U.S. OPEN DIESES JAHR FROH WAREN, DASS WIR IM UMKREIS VON 50 KILOMETERN WOHNTEN, MÜSSEN WIR DIESMAL TAG FÜR TAG MIT DEN DREI HUNGRIGEN THOMAS (BJØRN, DETRY UND PIETERS) UM DAS BESTE STÜCK LAMM AM RESTAURANTBUFFET KÄMPFEN.
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Akkreditiert man sich als Journalist für ein großes Golfturnier, muss man einige Hürden nehmen. Je prestigeträchtiger das Event, desto mehr sinken die Chancen einer Zusage. Flattert diese dann doch ins E-Mail- Postfach, ist man zwar sicher dabei, aber an Spieler gerät man trotzdem nur schwer oder gar nicht. Als wir Mitte Oktober unaufgefordert eine Einladung zu den Turkish Airlines Open erhalten, zögern wir dementsprechend nicht lange. Schließlich zählt das Turnier zur Rolex und Final Series und hat eines der saftigsten Preisgelder auf der European Tour (7 Millionen Dollar). Da lassen sich auch die besten Golfer der Welt nicht zweimal bitten. In den vergangenen Jahren teete unter anderem Tiger Woods auf und auch 2018 reisen Justin Rose, Tommy Fleetwood und weitere an die Türkische Riviera.

Seit 2016 ist das Regnum Carya Resort bei Belek gleichermaßen Austragungsort, Unterkunft und Media- Center des Turniers. Somit wohnen Spieler, Zuschauer und die Presse im gleichen Hotel, speisen in den gleichen Restaurants und spielen in der gleichen Bar Billard. Auch wir werden auf der Anlage untergebracht, und obwohl zwischen Hamburg und Antalya unsere Namen von der Gästeliste verschwunden sind, bekommen wir nach ein paar Anrufen doch noch die beschriebene Villa, die wir bei anderen Turnieren nicht mal mit zwei Jahren Vorlaufzeit bekommen hätten. Während wir noch beim Ryder Cup und bei den US Open dieses Jahr froh waren, dass wir im Umkreis von 50 Kilometern wohnten, müssen wir diesmal Tag für Tag mit den drei hungrigen Thomas (Bjørn, Detry und Pieters) um das beste Stück Lamm am Restaurantbuffet kämpfen. Mit 190 Zentimetern und ähnlich viel Gewicht hat das Danish Dynamite dabei die besten Chancen und setzt sich jedes Mal problemlos durch.

Turkish Airlines Open 2018: Fototermin: Özil hatte keine ZeitTurkish Airlines Open 2018: Fototermin: Özil hatte keine Zeit
Fototermin: Özil hatte keine Zeit
Und noch etwas ist besonders bei den Turkish Airlines Open. Trotz eines Spitzenplatzes und der besten Spieler der Welt verirren sich weniger Zuschauer als bei einem Fußball-Zweitligaspiel auf die Anlage, weshalb auch auf Tribünen verzichtet wird. Das ist jedoch von Vorteil. An den Teeboxen und den Grüns kommt man dem Geschehen so nahe, wie es sonst nur Caddies oder Kameraleute schaffen. Und auch nach den Runden werden die Spieler nicht wie sonst üblich von ihren Managern weggezerrt, sondern geben sich bereitwillig einem Plausch hin. So reden wir mit Max Kieffer beim Frühstück, grüßen Danny Willett in der Sportsbar und sprechen mit einem blendend gelaunten Martin Kaymer hinterm 18. Grün.

Letzterer hat dabei allen Grund zum Lachen, denn ihm gelingt in der Türkei erstmals wieder ein Achtungserfolg. Während er bei den vergangenen zehn Turnieren nur dreimal den Cut schaffte, spielt der Deutsche in der Türkei wieder um den Sieg mit. Dass es am Ende nicht für den ganz großen Coup reicht, nimmt Kaymer gelassen. "Man muss das Positive sehen", verrät er uns. "Ich habe die ganze Woche sehr solide gespielt. Am Freitag und Samstag habe ich zwei Birdies zu wenig gemacht, weshalb ich dann kaum noch Siegchancen hatte. Ich bin jedoch sehr zufrieden, habe gut gespielt und es geht wieder in die richtige Richtung." Erst wenige Tage vorher sagte der 33-Jährige in einem Interview mit "Golf Australia", dass er derzeit besser spiele als 2011, als er die Nummer eins der Welt war, was besonders in Deutschland für Unverständnis und Kritik sorgte. Mit dem Ergebnis in der Türkei beweist er jedoch, dass diese Aussagen ernst zu nehmen sind. "Ich spielte schon die letzten Monate gut - zwar nicht ganz so gut, aber ähnlich -, doch am Ende sahen meine Ergebnisse immer bescheiden aus. Gefühlt hätte ich machen können, was ich wollte, aber für mehr als ein Par reichte es nie."

Turkish Airlines Open 2018: Männerdomäne: Ballett mit langen Hosen
Männerdomäne: Ballett mit langen Hosen
Damals sagte Kaymer, ihm fehlten ein paar Prozent. Wo steht er jetzt? "Bei 85 Prozent. Körperlich geht es mir gut und ich muss nur noch ein paar Kleinigkeiten im kurzen Spiel verbessern." Deswegen wird er künftig in den Winter- und Frühjahresmonaten mehr Zeit in den USA verbringen, um noch mehr Chip- und Putt-Training machen zu können.

Am Finaltag der Turkish Airlines Open hat Martin Kaymer sein Kurzspiel voll im Griff und zwischenzeitlich sieht es sogar aus, als könnte er Justin Rose den Sieg streitig machen. Trotz unheimlicher Zitter-Putts auf der 18 landet der Engländer am Ende jedoch mit drei Schlägen vor Martin Kaymer und ist damit nicht nur erneut die Nummer eins der Welt, sondern auch der erste Spieler, der den Turkish-Open-Titel verteidigen kann. Auch im nächsten Jahr wird Justin Rose garantiert wiederkommen - genau wie wir und jeder andere Fan, der Spitzengolf einmal hautnah erleben und Teil der European Tour sein möchte.

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