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US Open 2017

New Kid On The Block

Von Jan Langenbein, Fotos: Paul Hundley

Das Drama des härtesten Majors des Jahres wird 2017 auf einer neuen Bühne aufgeführt. Vorhang auf für die 117. US Open und die außergewöhnliche und hemdsärmelige Geschichte von Erin Hills!

Rund um die Major-Turniere haben sich über die Jahrzehnte hinweg gewisse Regeln und Gepflogenheiten herauskristallisiert, die nicht nur den teilnehmenden Profis, sondern auch uns mitfiebernden Fans einen groben Leitfaden geben, was von jedem einzelnen Turnier zu erwarten ist. Das Masters hat Augusta National, die Verkörperung der manikürten Golfplatzperfektion, und die Open Championship ihre Rotation aus 14 Golfplätzen, um das Turnier auszutragen. Vier davon sind bereits in Rente und zehn Links-Plätze aktiv, um alle zwölf Monate aufs Neue den Champion Golfer of the Year zu krönen. Und die PGA Championship war schon immer so etwas wie der rothaarige Stiefbruder am Ende der Hackordnung, der sogar im Laufe seines Lebens bereits einmal sein Spielformat geändert hat, denn bis 1958 wurde der Sieger der PGA Championship im Match-Play-Modus ermittelt.

Auch was die US Open angeht, gab es stets klare Richtlinien: "Hart, aber fair", lautete die Zielsetzung des ehemaligen USGA-Präsidenten David Fay, was in der Realität bedeutete, dass sich die Pros bei den US Open regelmäßig mit den härtesten Bedingungen der gesamten Saison konfrontiert sahen. Knöcheltiefes Rough direkt neben den Fairways, Grüns so hart und schnell wie die Parkplätze des ausrichtenden Clubs und Fahnenpositionen hart an der Grenze zur Unspielbarkeit gehören seit jeher zum Standardrepertoire der USGA beim Versuch, bei ihrem wichtigsten Turnier Par zu schützen. "Hart" war das beinahe immer, was das "fair" angeht, da sind viele Teilnehmer anderer Ansicht. Phil Mickelson verletzte sich im dicken Rough von Oakmont 2007 das Handgelenk und stellte den Veranstaltern im Anschluss das Prädikat "gesundheitsgefährdende Spielbedingungen" aus. Jordan Spieth wurde 2015 in Chambers Bays auf dem 18. Abschlag dabei belauscht, wie er seinem Caddie zuflüsterte: "Das ist die dümmste Spielbahn, die ich in meinem Leben je gespielt habe", und meinte damit die Praxis, dass die Veranstalter dieses Loch im Laufe des Turniers sowohl als Par 4 als auch als Par 5 spielen ließen. Und Ryan Moore gab 2010 in Pebble Beach unverblümt zu: "Das Platz-Set-up einer US Open sorgt dafür, dass ich Golf für die folgenden zwei Monate hasse."

Mosernde Golfprofis bei US Open sind genauso wie die extraverschärften Bedingungen nichts Neues. Neu ist hingegen die Liebe der USGA zu öffentlichen Golfanlagen, auf denen die US Open in den vergangenen Jahren bevorzugt ausgetragen werden. Dieser Wandel begann bereits 1972, als das Turnier in Pebble Beach zum ersten Mal in seiner Geschichte auf einer öffentlichen Anlage haltmachte. Die vorangegangenen 70 Auflagen des Majors wurden allesamt in exklusiven Privatclubs abgehalten. Von einem Trend zu sprechen wäre aber zugegebenermaßen eine Übertreibung. Zwar entwickelte sich Pebble Beach mit weiteren US Open 1982, 1992, 2000 und 2010 nicht nur zu einem regelmäßigen, sondern auch zu einem der spektakulärsten Austragungsorte, es dauerte allerdings bis 1999, ehe mit Pinehurst No. 2 einem weiteren öffentlichen Golfplatz die Ehre zuteil wurde, das Turnier ausrichten zu dürfen. Seither sind die Dämme jedoch gebrochen: 2002 kam Bethpage Black, 2008 Torrey Pines und 2016 Chambers Bay zur Liste dazu. Erin Hills wird 2017 somit der sechste öffentliche Golfplatz sein, der das härteste Major der Welt austragen darf. Das ist eine große Sache, denn die US Open hat bisher insgesamt 51 Austragungsorte gesehen, die sechs öffentlichen Anlagen stellen also immer noch die absolute Minderheit.

US Open 2017:
Golfgeschichte und Statistiken sind allerdings keineswegs die echten Probleme, mit denen sich ein öffentlicher US-Open-Austragungsort befassen muss, wie John Morrissett, der Competitions Director in Erin Hills, weiß: "Die größte Herausforderung ist, dass ein öffentlicher Platz keine Mitglieder hat, an die man sich normalerweise zuerst wendet, geht es darum, die vielen Positionen der freiwilligen Helfer und andere wichtige Rollen bei solch einer großen Meisterschaft zu füllen. Zum Glück sind die Menschen in Wisconsin sehr sportbegeistert und deshalb hatten wir bereits wenige Wochen, nachdem die Registrierung der freiwilligen Helfer begonnen hatte, mehr als 4.300 Anmeldungen. Seither führen wir eine Warteliste."

Damit dürfte also dafür gesorgt sein, dass während der Turnierwoche in Erin Hills jeder Spieler seinen Parkplatz zugewiesen, jeder Fan den rechten Weg gezeigt und jeder Pressevertreter im Media Center stets die aktuellsten Zitate der Profis auf den Tisch bekommt, um nur drei Einsatzgebiete der Tausenden Helfer zu nennen. Was genau den Ausschlag gab, dass die Verantwortlichen der USGA sich 2010 für Erin Hills entschieden, darüber kann auch Morrissett nur spekulieren, schließlich lassen sich die Mächtigen der Golfwelt ungern in die Karten schauen. "Ich denke, es gibt eine Reihe von Aspekten, die der USGA hier zusagen. Der erste wäre der herausfordernde und gleichzeitig sehr flexible Golfplatz. Sicher auch unsere geografische Lage, denn im Mittleren Westen wurde seit 2003 kein Major mehr ausgetragen. Die Unterstützung der Lokalpolitik und der Regierung des Bundesstaats war mit Sicherheit sehr wichtig, natürlich auch der Enthusiasmus der Golffans von Wisconsin."

Das Ganze klingt nach einem wahren Golfmärchen. Erin Hills' Entwicklung von einer Kuhweide zu einem Golfplatz von US-Open-Format verlief alles anderes als glatt, dafür im Rekordtempo. Als 1997 Bob Lang, ein Geschäftsmann aus der Gegend, ein gerade auf den Markt geworfenes Stück Land kaufte, war er noch nicht einmal ein Golfer, hatte jedoch den Plan, auf den majestätischen Hügeln seiner Neuerwerbung einen Neunloch-Golfplatz für Angestellte und Freunde zu bauen. Acht verschiedene Architekturbüros beteiligten sich mit Entwürfen an Langs Ausschreibung, darunter die Branchenkönige Jack Nicklaus, Arnold Palmer und Tom Doak. Langs Wahl fiel jedoch auf Mike Hurdzan, Dana Fry und Ron Whitten, die ihm die Pläne für einen preiswerten Golfplatz, der sich stark an der vorhandenen Topografie orientieren würde, auf den Tisch legten. 2003, sechs Jahre nachdem Lang das Land erworben hatte, markierten erste Pfähle auf dem immer noch unberührten Land die Positionen der Grüns und der Abschläge, von schwerem Gerät und Bautrupps aber noch keine Spur. Ein Besuch bei den US Open 2004 in Shinnecock Hills beschleunigte den Fortschritt in Wisconsin dann erheblich, denn dort traf Bob Lang auf USGA-Turnier-Direktor Mike Davis, einen der mächtigsten Männer, wenn es da rum geht, zukünftige Austragungsorte einer US Open zu beeinflussen. Lang schwärmte Davis von seinem phänomenalen Gelände nordwestlich von Milwaukee vor und lud ihn dort hin ein. "Ich rechnete niemals damit, dass Mike tatsächlich vorbeischauen würde", erzählte Lang 2008, doch wenige Wochen nachdem Retief Goosen in Shinnecock Hills seine zweite US Open gewonnen hatte, klingelte Langs Telefon und Davis kündigte sein Kommen an. Nun hatte Bob Lang ein Problem, schließlich gab es auf seinem Land noch nichts, was auch nur halbwegs nach einem Golfplatz aussah. Also schwang er sich auf einen Traktor und mähte den Verlauf der 18 geplanten Spielbahnen in das hüfthohe Gras.

Das Fehlen des Golfplatzes war für einen alten Hasen und ausgemachten Experten wie Mike Davis dann tatsächlich kein Problem. Das Potenzial dieses Stück Lands war für geschulte Augen zu offensichtlich. "Als ich zum ersten Mal hierher kam, dachte ich sofort: 'Wow! Das hier wirkt wie Shinnecock auf Steroiden!", erinnerte sich Davis 2010 in "Golf Digest" an seinen ersten Besuch in Erin Hills. Als mit David Fay ein Jahr nach Mike Davis auch der damals ranghöchste USGA-Offizielle dem Gelände einen Besuch abstattet, bekommt der Platz, obwohl er noch immer nicht fertig ist, mit der US Women's Amateur Public Links Championship 2008 sein erstes großes Turnier zugesprochen. 2006 öffnet Erin Hills endlich seine Tore für Golfer aus aller Welt und nicht nur die Fachpresse, sondern auch die Spieler, die Startzeiten ergattern können, überschlagen sich vor Begeisterung.

US Open 2017:
Im Gegensatz zu Milliardären wie Herb Kohler, der unweit von Erin Hills mit Whistling Straits die Messlatte für Golfanlagen auf ein neues Level gehoben hatte, oder Donald Trump, der damals ebenfalls nie einen Hehl daraus machte, wie viel es ihm bedeuten würde, wenn die USGA eines Tages die US Open auf einem seiner Plätze ausrichten würde, wirkte Bob Langs zurückhaltende Persönlichkeit beim Umgang mit der USGA wahre Wunder. Außerhalb von Wisconsin wusste in Amerika so gut wie niemand mit dem Namen Bob Lang etwas anzufangen und das schien den Verantwortlichen zu gefallen, denn Lang hatte die Konkurrenz Kohler und Trump im Rennen um die Gunst der USGA spätestens hinter sich gelassen, als Erin Hills im Jahre 2008 die US Amateur Championship 2011 zugesprochen wurde. In einem Telefonat winkte Mike Davis kurz danach nämlich mit dem Zaunpfahl: "Mike sagte und ich zitiere: ,Wir geben die US Amateur nur an Plätze, auf die wir später auch einmal die US Open bringen möchten'", erinnerte sich Bob Lang.

Die US Women's Amateur Public Links Championship 2008 in Erin Hills war ein Erfolg, doch Bob Lang schnappte einige dahergesagte Sätze von USGA-Verantwortlichen über mögliche Änderungen am Golfplatz auf und nun begann es, sich zu rächen, dass der Besitzer von Erin Hills selbst kein Golf spielt und auch nicht über die beinahe unendliche Geldressourcen eines Herb Kohler verfügte. Er begann eigenmächtig, das Design einzelner Löcher signifikant zu verändern, was bei den Designern Hurdzan, Fry und Whitten auf wenig Begeisterung stieß. Besonders Ron Whitten stieß Langs Aktionismus übel auf.

Lang wurde zu dieser Zeit regelmäßig mit der Schaufel in der Hand auf seinem Golfplatz gesehen. Er plante nicht nur, sondern legte auch selbst Hand mit an. Die Aussicht, bald die US Open ausrichten zu können, war zur Obsession geworden. Mehr als 100 Bunker fügte er dem ursprünglichen Design hinzu. 2009 eröffnete Erin Hills nach den Umbaumaßnahmen erneut und Whitten hielt mit seiner Meinung in "Golf Digest" nicht hinter dem Berg: "Ich versuche, nicht daran zu verzweifeln, aber es ist ein wenig, als hätte ich meine Tochter aufs College geschickt und sie käme in den Sommerferien mit Piercings in der Backe, gefärbten Haaren und jeder Menge Tattoos zurück."

 

US OPEN 2017 - Daten und Fakten

Datum: 15. - 18. Juni 2017
Ort: Erin Hills, Wisconsin
Titelverteidiger: Dustin Johnson (USA)
Preisgeld: 12.000.000 US-Dollar
Fedex-Cup-Punkte: 600 (Sieger), 330 (Rang 2), 210 (Rang 3)

Live dabei sein?

Nächster internationaler Flughafen:
- Mitchell International Airport, Milwaukee (ca. 45 Autominuten bis Erin Hills)
- O'Hare International Airport, Chicago (ca. 2 Autostunden bis Erin Hills)
Eintrittspreise:
ca. 420 Euro (Wochenticket 12. - 18. Juni)
ca. 365 Euro (Championshipticket 15. - 18. Juni)
ca. 115 Euro (Tagesticket für Turnierrunden)
TV-Zeiten
Sky überträgt die 117. US OPEN live und in voller Länge
Donnerstag, 15. Juni: 19 Uhr bis 2 Uhr
Freitag, 16. Juni: 19 Uhr bis 2 Uhr
Samstag, 17. Juni: 18 Uhr bis 3 Uhr
Sonntag, 18. Juni: 18 Uhr bis 3 Uhr

Doch nicht nur das: Die Umbaumaßnahmen verschlangen dermaßen viel Geld, dass Lang sich gezwungen sah, den Platz früher als geplant und in wenig schmeichelhaftem Zustand zu eröffnen, nur um die laufenden Kosten zu decken. Erin Hills war bei Weitem nicht mehr das, was es vor dem Umbau einmal war, und jeder Besucher konnte sehen, dass hier etwas gehörig schieflief. Lang hatte elf Jahre seines Lebens und einen großen Teil seines Vermögens in seinen Traum vom perfekten Golfplatz gesteckt, doch nun wuchsen ihm die Kosten über den Kopf. Auf der Suche nach einem geeigneten Käufer wurden unter anderem Herb Kohler und Phil Mickelson kontaktiert, doch beide lehnten ab. Im Oktober 2009 schlug dann Andy Ziegler zu; der Vermögensberater aus Milwaukee erwarb Erin Hills für 10,5 Millionen Dollar und machte sich umgehend daran, den Platz für die US Amateur 2011 wieder in Schuss zu bringen und das Design des Architektentrios wiederherzustellen. Dass der Platz nun mit neuem Geld und einer sicheren Zukunft ausgestattet war, beruhigte die USGA genug, um Erin Hills während der US Open in Pebble Beach 2010 als Austragungsort für das Turnier 2017 bekannt zu geben. John Morrissett stieß zwei Monate später zum Team in Erin Hills und erinnert sich noch gut an die Stimmung: "Meine Kollegen in Erin Hills waren euphorisch, als die Nachricht verkündet wurde. Der Platz hatte gerade erst den Besitzer gewechselt und wurde erneut umgebaut. Daher gab es für uns eine Menge zu tun. Die US Amateur 2011 stand schließlich vor der Tür."

Bob Lang wurde sowohl von Erin Hills als auch von der USGA eingeladen, die US Open zu besuchen. Auch wenn es mittlerweile nicht mehr seine Anlage ist, geht dennoch ein Lebenstraum in Erfüllung, wenn die besten Spieler der Welt auf dem Golfplatz, der einst seine Vision war, um die Major-Krone kämpfen werden.

Wer in Erin Hills am Ende die Nase vorne haben wird, ist in diesem Jahr noch schwieriger vorherzusagen als sonst bei Major-Turnieren üblich, schließlich ist dieser Golfplatz noch ein unbeschriebenes Blatt Papier, wenn es um das Thema Profigolf geht. Selbst John Morrissett, der Erin Hills besser kennt als seine Westentasche, kann nur mit der Schulter zucken: "Es macht Spaß, darüber zu philosophieren, welcher Spielertyp mit diesem Platz wohl gut zurechtkommen wird. Ich kann mir mehrere Szenarien vorstellen. Man könnte argumentieren, die für US-Open-Verhältnisse recht breiten Fairways und der Fakt, dass wir über vier Par-5-Löcher verfügen, bevorzugten die Longhitter. Ich weiß allerdings nur zu gut, wie schnell der Wind hier zum entscheidenden Faktor werden kann, und gleich neben den Fairways lauern mit schwierigen Bunkern und tiefen Rough große Gefahren. Einige im Team sind sich daher sicher, dass ein Spieler, der zwar nicht so lang ist, dafür aber jede Menge Kontrolle über den Ball hat, gewinnen wird." Am 18. Juni werden wir klüger sein.

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