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1850 Kilometer

Das längste Loch der Welt

Von Fritz Lüders, Fotos: Andrew King

Zwei Männer, ein Golfbag und 1.850 Kilometer Fairway: Adam Rolston und Ron Rutland kämpfen um den Guinness-Rekord für die längste Golfbahn der Welt.

Als die Pros vor wenigen Tagen bei der Porsche European Open auf dem Nord-Course das 16. Tee betraten, rieben sich selbst Longhitter verwundert die Augen. 645 Meter? Willkommen auf dem längsten Par 5 der European Tour!

In schier unendlicher Entfernung zeichnet sich ein Fairway ab, das für Normalsterbliche kaum zu erreichen ist. Wer zum Grün gelangen will, fragt sich, ob er ein Visum benötigt - so weit liegt es entfernt. Beim Zurückschwingen des Drivers wird einem die Mickrigkeit der eigenen Existenz bewusst. Was aber muss einem durch den Kopf gehen, wenn die Fahne in 1.850 Kilometer (nicht Meter!) Entfernung leise im Wind weht und sehnsüchtig darauf wartet, dass der Ball zu ihren Füßen endlich ins Loch rollt?

Adam Rolston (28) hat sich genau dieser Herkules-Aufgabe angenommen und spielt seit dem 28. Juni das längste Loch der Welt in der Mongolei. Die von ihm ausgedachte Spielbahn verläuft in Querrichtung durch das zentral-asiatische Land und besteht nicht aus akkurat geschnittenen Fairways, sondern aus Bergen, Flüssen, Wüsten, Steinen und Wäldern. Spielvorgabe? Par 14.000.

Läuft alles nach Plan, möchte Adam am 17. September 2017 den Birdie-Putt auf dem 18. Grün des Mt. Bogd Golf Course einlochen. Einziges Hilfsmittel: sein Caddy Ron (42). Der Mann mit dem undankbarsten Job der Welt verdient dennoch kein Mitleid, schließlich ist er es, auf dessen Mist die Idee wuchs.

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Weißer Mann benimmt sich daneben: Quentin Tarantino schreibt bereits am Drehbuch

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WIR STARTEN VON EINER TEEBOX UND ENDEN AUF DEM 18. GRÜN EINES DER WENIGEN MONGOLISCHEN GOLFPLÄTZE. TAYLORMADE HAT UNS 400 BÄLLE GEGEBEN - ICH HOFFE, DAS REICHT!
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Ron Rutland war einst im südafrikanischen Banken- und Finanzsektor berufstätig, hatte einen "langweiligen Job", wie er selbst sagt. Statt Geldsummen von A nach B zu transferieren, wollte er lieber ein großes Abenteuer erleben. Ron beneidete Menschen, die einen Strich unter ihr bisheriges Leben zogen und etwas Neues, etwas anderes wagten. Jedoch fand er stets Ausreden, es selbst nicht zu tun. "Eines Tages wollte ich nicht mehr nur von den Abenteuern anderer Leute lesen, sondern es selbst erleben", erzählt er uns am Telefon, kurz bevor die beiden ein Flugzeug Richtung Mongolei besteigen. "Ich verstand plötzlich, dass der Unterschied zwischen mir und den Abenteurern darin bestand, dass sie gnadenlos ihre Träume verfolgten und ich nicht." Als Ron 2012 seinen Job kündigte, brach er von Südafrika aus mit seinem Fahrrad in das lang ersehnte neue Leben auf. Vom Sattel stieg er erst zweieinhalb Jahre später - in Großbritannien! Doch statt die durchgenudelten Schuhe an den Nagel zu hängen, suchte Ron umgehend die nächste Herausforderung. Vergangenen Winter traf er den Scratch-Golfer Adam bei einem Rugbyspiel in Kenia, schmiedete noch am gleichen Abend neue Pläne mit ihm. Die Idee: alles bisher da Gewesene der Golfwelt in den Schatten zu stellen. Sechs Monate später sitzen beide auf gepackten Koffern in Hongkong und verraten im Interview, was zur Hölle sie da eigentlich vorhaben.

1850 Kilometer: Ende einer Freundschaft: 'Noch einen Schritt zurück, noch einen, noch ein bisschen...'
Ende einer Freundschaft: 'Noch einen Schritt zurück, noch einen, noch ein bisschen...'
GolfPunk: Adam, was war die längste Golfrunde, die du je gespielt hast?
Adam Rolston: Ich habe vielleicht 40 Löcher an einem Tag gespielt, aber auf keinen Fall mehr.

GP: Die nächste wird deutlich länger. Wie kommt man mit gesundem Menschenverstand auf die Idee, quer durch die Mongolei Golf zu spielen?
Ron Rutland: Für mich ist die Antwort recht einfach: Der zweieinhalbjährige Fahrradtrip durch Afrika hat mein Leben komplett verändert. Danach sah ich viele Dinge anders, das Leben ist für Liebe und Abenteuer gemacht. Als ich Adam nun in Kenia traf, kam er mit der Idee, ein verrücktes Golfabenteuer zu starten, und ich war sofort Feuer und Flamme!
AR: Ich spielte zuletzt vier Jahre Rugby für Hongkong. Jetzt wollte ich unbedingt etwas anderes machen, mich weiterentwickeln. Und da war Ron die perfekte Möglichkeit, um ein Abenteuer, etwas Neues zu erleben.

GP: Was sagen eure Familien zu der Unternehmung?
AR: Es ist für sie eine große Sache. Aber alle sind ausgesprochen positiv eingestellt und stehen hinter mir.
RR: Meine Familie hat es längst mit mir aufgegeben. [lacht]

GP: Kommen kurz vor dem Start Zweifel auf?
AR: Nein, wirklich gar nicht. Ich freue mich einfach nur total darauf, dass wir bald loslegen. Es ist wie ein großer Job, für den man alles organisieren muss.

GP: Was ist der bisherige offizielle Rekord im LongDistanceGolfen?
RR: Im Moment gibt es keinen. Bisher wurde das längste Loch in zwölf Stunden gespielt. Es war 78 Kilometer lang. Wir haben aber kein Zeitlimit. Das ist eine neue Kategorie, für die wir uns bewarben.

GP: Hängt der Haussegen nicht von Anfang an schief, wenn einer spielt und der andere die ehrenvolle Aufgabe hat, Taschen zu tragen?
AR: Ich werde auch circa zehn bis zwölf Kilo tragen. Mein Backpack beinhaltet Wasser sowie die ganze Technik, die jeden Schlag aufnimmt.
RR: Adam denkt noch, er hätte das große Los gezogen. Aber ich werde jede Nacht mehr und mehr in seinen Rucksack stopfen. Er wird sich noch wundern!

GP: Ihr spielt über Berge und Felsen. Was ist, wenn Material zu Bruch geht?
AR: Ich werde wohl die ganze Zeit ein Eisen 8 spielen. Und sollte ich Probleme haben, greife ich nach dem Wedge. Ich mache mir aber keine Gedanken, dass viele kaputtgehen werden. Wenn es irgendein Problem mit dem Equipment gibt, können wir sicherlich auch neues von unseren Sponsoren erhalten.

GP: Gehört ihr zu den Abenteurern mit Helikopter und Kamerateam oder seid ihr wirklich ganz auf euch allein gestellt?
RR: [lacht] Wir haben nur ein sehr kleines Budget. Es wird lediglich Adam, das Gepäck und mich geben. Der Fotograf besucht uns dreimal, um zu filmen und eine Dokumentation vorzubereiten. Adam und ich werden außerdem zwei GoPro und eine Kamera dabeihaben.

GP: Spielt ihr die ganze Zeit nach richtigen Golfregeln?
RR: Wir haben uns beim Guinnessbuch der Rekorde angemeldet und werden uns deshalb an die offiziellen Golfregeln halten. Die European Tour begleitet den Versuch und hat es als Golf-Challenge akzeptiert. Wir starten von einer Teebox und enden auf dem 18. Grün eines der wenigen mongolischen Golfplätze. Jedes Mal wenn Adam einen Ball verliert, muss er zurückgehen, einen droppen, einen Strafschlag kassieren und kann dann weiterspielen. TaylorMade hat uns 400 Bälle gegeben - ich hoffe, das reicht!

GP: Warum habt ihr gerade das 18. Loch des Mt. Bogd Golf Course als Ziellinie ausgewählt?
RR: Ich finde es sehr treffend, auf einem Grün das Loch zu beenden.
AR: Außerdem ist es so ziemlich der einzige Golfplatz in der Mongolei. [lacht]

GP: Es werden zweifelsohne viele Hindernisse auf euch warten. Was macht ihr, wenn ihr nicht mehr weiterspielen könnt?
AR: Das ist genau der Punkt. Wir verbrachten Stunden damit, die Strecke zu planen. Aber es werden definitiv Schwierigkeiten auf uns warten. Es kann gar nicht alles nur rundlaufen.
RR: Wenn wir eine Stelle erreichen, von der aus wir nicht mehr weiterspielen können, dann werden wir zurückgehen und das Loch über eine andere Route weiterspielen. Die Zeit spielt ja keine Rolle. Aber wir hoffen natürlich, dass ein solches Szenario nicht eintrifft.

GP: Ein großes Problem ist sicherlich auch das Essen. Entweder ist es nicht vorhanden oder - nett ausgedrückt - unkonventionell...
AR: [lacht] Ron ist auch noch Veganer! Es wird wirklich schwer, in der Wildnis etwas Vernünftiges für ihn zu essen zu finden.
RR: In der Mongolei ist es schwierig, essbare Pflanzen anzubauen, Hauptnahrungsmittel ist somit Fleisch. Ziegen, Schafe oder auch Pferde stehen auf dem Speiseplan. Man kann sich schon glücklich schätzen, wenn man irgendwo Kartoffeln oder ein Stück Brot bekommt. Deswegen habe ich jede Menge dehydriertes Essen, Bohnen, trockene Früchte und Ähnliches dabei. Adam hat es da einfacher - außer wenn er eingeladen wird, das Auge mitzuessen... [lacht]

1850 Kilometer:
GP: Lecker! Wie reagieren Mongolen, wenn man sich weigert?
RR: Bisher hatten wir Glück. Der Mongole, der mit uns die Strecke plante, war immer dabei und konnte den Einheimischen erklären, warum wir dieses oder jenes nicht essen. Die fanden das nicht schlimm, aber waren sichtlich schockiert und fassungslos, dass jemand auf dieser Welt freiwillig kein Fleisch isst. Sie sorgten sich um uns. Nun haben wir einen Brief dabei, in dem steht, was wir machen, wer wir sind und was Golf überhaupt ist.

GP: Was Golf ist?
RR: Die meisten Mongolen haben noch nie einen Golfschläger oder -platz in ihrem Leben gesehen! Die Leute wundern sich also mehr über einen komischen weißen Mann, der Bälle durch die Luft schlägt, als über mich, der kein Fleisch isst.

GP: Ist das extreme Wetter ein Problem?
RR: Wir haben unseren Trip hauptsächlich nach den Jahreszeiten geplant. Ulan-Bator ist nämlich die kälteste Hauptstadt der Welt. Als wir diese Anfang April besuchten, waren die Flüsse mit einer ein Meter dicken Eisschicht versehen. Somit kam nur der Sommer für uns infrage. Lediglich im Norden der Wüste kann es bis zu 40 Grad heiß werden. Das größte Problem wird sowieso der Regen. 60 bis 70 Prozent des jährlichen Niederschlags fallen im August.

GP: Wie sieht es mit wilden Tieren aus?
RR: Es gibt Schlangen, aber ich glaube, vor denen muss man sich nicht besonders fürchten. Furcht einflößend sind die Wölfe, die dort frei rumlaufen. Gerade im ersten Teil der Route sind wirklich viele. Die Einheimischen haben uns ausdrücklich gewarnt!
AR: Auf die Hunde in den Siedlungen sollten wir auch aufpassen. Die rennen auf einen zu, um die Häuser zu beschützen. Ich liebe Tiere und Reptilien, aber vor solchen Hunden habe ich unglaubliche Angst!

GP: Apropos: Wovor fürchtet ihr euch auf dem Trip am meisten?
AR: Ich habe am meisten Angst vor langem Gras. Und davor, dass ich wegen der Natur nicht zu Ende spielen kann.
RR: Meine größte Angst ist, dass Adam nach den drei Monaten nie wieder mit mir sprechen wird. [beide lachen] Aber im Ernst: Wir haben so viel investiert, dass ich mich besonders vorm Versagen fürchte.

GP: Was werdet ihr nach dem Zieleinlauf tun?
RR: Ein langes, heißes Bad nehmen und ein kühles Bier trinken.
AR: Meine Freundin und Familie treffen und anschließend Urlaub machen - wie zu hören ist, habe ich wirklich keinen Plan.

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