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Spirit(s) Of The Game

Golf und Rum

Von Christoph Keller, Fotos: Mike Meyer

Die meisten Mitteleuropäer kennen die Azoren nur von der Wetterkarte. Aber was ist das eigentlich, das Azoren-Hoch? Na, ganz einfach: Es ist das erhebende Gefühl nach einer gepflegten Runde auf dem Campo de Golfe von Furnas, der so etwas wie das 'Augusta Europas' ist, gekrönt von einem schönen Glas Rum im Clubhaus!

In einer Kolumne über die "Spirit(s) of the Game", also jene alkoholischen Köstlichkeiten, die eine Runde Golf erst so richtig rund machen, darf natürlich der altehrwürdige Rum, das in Mode gekommene Enfant terrible der Spirituosen, nicht fehlen. Folgerichtig habe ich in der GolfPunk-Redaktion den Antrag auf eine kleine Reise in karibische Gefilde in die Heimat des Zuckerrohrdestillats gestellt. Ein paar schöne Golfplätze soll es ja schließlich auch auf Antigua, Barbados, den Bahamas, Bermudas, Jungferninseln, in Französisch-Guyana oder auf Jamaika geben. Nun ja, was soll ich sagen? Die Augen wurden groß und es wurde etwas von "Nach Jamaika? Für eine Kolumne?" gestammelt.

Aber wir konnten uns auf einen Kompromiss einigen, sozusagen den halben Weg, mittendrin, zwischen Süddeutschland und Karibik. Und so stieg ich bald darauf in den portugiesischen Flieger auf die Azoren, die als Zwischenstation der atlantischen Kontinente zum einen eine lange Handelstradition mit mittel- und südamerikanischem Rum haben und zum anderen einstmals das einzige Zuckerrohranbaugebiet in Europa waren.

Spirit(s) Of The Game:

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RUM IST DER IDEALE BEGLEITER AUF EINER RUNDE GOLF, IM FLACHMANN ODER AM KAMINFEUER IM CLUBHAUS. DIE WITTERUNG IST DABEI VÖLLIG EGAL.
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Zugegeben, ein bisschen konstruiert erscheint der Zusammenhang schon, gibt mir aber die Gelegenheit, abgesehen vom Rum auch über einen der schönsten und spektakulärsten Golfplätze Europas zu berichten: den Furnas Golf Course auf der Hauptinsel São Miguel, hoch im Vulkanmassiv oberhalb der Kraterseen und heißen Quellen des Furnas-Tals gelegen. An schönen Tagen ist die Szenerie dort oben in den Bergen absolut majestätisch, bei schlechtem Wetter hüllt oft dichter Nebel den Platz in einen mystischen Schleier. Schon die Anfahrt ins Hochland der Insel über schmale Straßen, die von der unglaublichen Blütenpracht wilder Hortensien gesäumt sind, ist ein Erlebnis. Da oben erwartet den golfenden Pilger dann ein Platz, der zu den absoluten Meisterwerken europäischer Golfplatzarchitektur zählt, 1936 vom schottischen Architekten Mackenzie Ross erdacht (wir erinnern uns, haben wir doch gerade erst eine Runde in Castletown auf der Isle of Man gedreht - das ist derselbe Mann) und 1992 von Cameron & Powell erweitert. Riesige japanische Zedern lauern dicht gedrängt und Furcht einflößend aufgereiht an den Rändern der schmalen Fairways, dazwischen immer wieder bunte Hortensien und allerhand exotische Blumengewächse, die den Botanikern unter den Golf-Enthusiasten das Herz aufgehen lassen. Alle sonstigen Golfer haben genug zu tun, um den 6.232 Meter langen Platz mit einem Score zu bewältigen, der keine Schamesröte ins Gesicht treibt. Die schmalen Landezonen, unübersichtlichen Doglegs, gut gesetzten Bunker und Wasserhindernisse müssen hier gar nicht erwähnt werden - es sind die gewaltigen Grüns, die dem Platz den ehrenhaften Vergleich mit Augusta, Georgia, eingebracht haben: exzessive Ondulierungen, Höhenunterschiede von bis zu drei Metern und gefährliche False Fronts gestalten das Putten auf diesen Grüns zu wahrhaften Achterbahnfahrten mit oft überraschendem Ausgang. Dieser Platz ist für mich der Prototyp eines Parkland-Courses, wenn auch - aufgrund seiner azorischen Flora - nicht unbedingt nach europäischer Machart, sondern irgendwie exotisch, atlantisch, weit weg von allem, was man so kennt.

Eine Golf-Reise auf die Azoren lohnt allerdings nicht nur wegen Furnas, auch die anderen beiden Plätze, der wunderschöne Batalha Golf Course (27 Loch, ebenfalls auf São Miguel) und der für die über 5.000 hier stationierten amerikanischen GIs auf der Nebeninsel Terceira gebaute Platz (mit einem leicht ruinösen Sci-Fi-Clubhaus, das wie ein UFO aus der grünen Landschaft heraussticht!) sind echte Schmuckstücke und grandiose Kurse. Die Azoren sind längst kein Geheimtipp mehr, sondern eine echte Golf-Destination innerhalb der EU.

Und dann gibt es noch Rui Índio, den Head-Pro des Batalha Golf Course, der hier logischerweise jeden Grashalm kennt. Über die Jahre sind wir Freunde geworden und beneiden uns gegenseitig für unsere Jobs, denn seit Kurzem plant Rui eine Karriere nach dem Golf - und zwar als Rum-Destillateur. Deshalb wird auf gemeinsamen Golfrunden viel gefachsimpelt, zum Beispiel über den Zuckerrohranbau, der auf den Azoren im 19. Jahrhundert weit verbreitet war, dann verboten wurde, seit Kurzem aber wieder gefördert wird. Was läge daher näher, als auf São Miguel einen echten - und einzigen - europäischen Rum herzustellen? Also nicht nur einen Blend oder ein Destillat aus importierter Ware, sondern einen echten Virgin Honey aus dem Saft des hier gewachsenen Zuckerrohrs! Nun ja, der Weg über die bürokratischen Hürden zur Genehmigung einer Rum-Destille auf den Azoren ist noch ein weiter. Bis dahin behelfen wir uns mit dem traditionellen Stoff aus anderen Winkeln der Welt.

Rum ist der ideale Begleiter auf einer Runde Golf, im Flachmann oder am Kaminfeuer im Clubhaus. Die Witterung ist dabei völlig egal - ob kalt oder warm, Rum passt immer. Sofern es sich um ein gutes Destillat handelt.

Die Welt des Rums ist so bunt, wie es die Inseln und Länder in der Karibik und Südamerika sind. Wenn man von einer wirklich globalen Spirituose sprechen möchte, dann wäre Rum mein Kandidat. Dabei sind die Geschichten und Legenden, die sich um seine Entstehung, den Zuckerrohranbau, die Kolonialisierung, das Treiben der Piraten und den Sklavenhandel ranken, so vielfältig, dass hier der Platz nicht ausreicht. Dass Rum vor seiner derzeitigen Wiederentdeckung in den vergangenen Jahrzehnten ein sehr stiefmütterliches Dasein in der Welt der Bar-Spirituosen geführt hat, liegt mitnichten an seiner spezifischen Qualität, sondern auch an den gegebenen Schwierigkeiten des Handels mit Rum, dessen süd- und mittelamerikanische Protagonisten eben zu den schwierigen Kandidaten zählten, an der Marketing-Übermacht der internationalen Whisky-Giganten sowie den billigen Massenprodukten, die die Welt als müder, industrieller Abklatsch der unglaublichen Geschmacksvielfalt von Rum überziehen und daher dem Laien ein völlig falsches Bild bieten. Dazu kommt die zweifelhafte Reputation: Während Whisky und Cognac in der europäischen Kulturgeschichte einen fest verankerten edlen Leumund haben mit stringenter Provenienz und vollständiger Erforschung, haftet dem Rum immer noch der Geruch des teuflischen Enfant terrible an.

Dabei bestechen echte, handgemachte Rums durch ihre Süße und Süffigkeit und eine aromatische Zugänglichkeit, die Rum allen anderen fassgelagerten Spirituosen voraushat bei gleichzeitig vorhandener Komplexität und Variationsdichte. Eigentlich müsste jeder Mensch sich in die wunderbaren Aromen von Orange, Kakao, Honig, Zimt, Pfeffer, Muskat, Bananen, süßen Mandeln, Mokka, Vanille, Rauch, Melasse, Kokos, Schokolade und Toffee verlieben, die wir in guten Rums finden. Aber die Welt des Rums ist so unübersichtlich und kompliziert wie der Zuckerrohranbau und die verschiedenen Herstellungsverfahren. Süd- und mittelamerikanische Rums aus Nicaragua, Peru, Guatemala oder Costa Rica sind so verschieden von karibischen Rums, dass sich eine persönliche Präferenz nur durch fleißiges Verkosten erkennen und erfahren lässt. Ich möchte hier eigentlich keine Werbung für einzelne Destillerien machen, empfehle aber einen Rum, der direkt aus der ersten Pressung von Zuckerrohrsaft, dem so genannten Virgin Sugar Cane Honey destilliert wird, also nicht aus Melasse, einem Nebenprodukt der Zuckerproduktion, das zwar durch die Fassreifung auch sehr schöne, schwere und dunkle Ergebnisse liefern kann, aber gegenüber dem Zuckerrohrsaft die Komplexität der flüchtigen Nuancen einbüßt.

 
ZUR PERSON

ZUR PERSON

Christoph Keller ist 47 Jahre alt und trägt schon immer Vollbart. Als Jugendlicher spielte er mit den Leonberg Lobsters in der Baseball-Bundesliga und studierte im Anschluss Kunst, Kunstgeschichte und Philosophie. 1998 gründete er den Revolver Kunstverlag und führte diesen bis 2004, bevor er ihn verkaufte. Danach zog er in die Stählemühle im südlichsten Baden und fand dort eine Brennerei vor. 2005 wurde dann die Leidenschaft fürs Schnapsbrennen entfacht und er entwickelte als Master Distiller den legendären Monkey 47 Schwarzwald Dry Gin. Die Stählemühle entwickelte sich währenddessen zu einer der zehn besten Brennereien der Welt und dann nahm Christoph zum ersten Mal einen Golfschläger in die Hand, erspielte sich ein einstelliges Handicap, wurde Kapitän im Golfclub Schloss Langenstein und spielt gerne Runden mit Hickory-Schlägern.

Für den Flachmann würde ich in jedem Fall einen braunen, also im Fass ausgebauten Rum, immer einem weißen Rum vorziehen. Zum Beispiel einen Diplomático Reserva aus Venezuela, einen Opthimus 25 Años aus der Dominikanischen Republik, einen Plantation Extra Old von Barbados, einen Centenario Reserva aus Costa Rica, einen El Dorado aus Guyana oder einen Millonario Solera Reserva aus Peru. Funktioniert auf jeden Fall - bei Birdie oder Bogey, sonnenüberfluteter Terrasse oder Kaminfeuer im Clubhaus. Probiert es aus!

Wer Lust hat, kann ab Herbst 2017 auch einen limitierten Blend versuchen, den ich zusammen mit Arnd Henning Heißen ("Ritz Carlton" Berlin, Mixologe des Jahres 2015) für die Brennerei Zacapa (Guatemala) gemacht habe, indem wir den "Royal", das luxuriöse Flaggschiff der Marke, mit meinen Destillaten von Bergamotte, Vanille, Honeybush, Zimt, Tellicherry, Mandarine und Ingwer zu einer raffinierten Rezeptur kombiniert haben. Ist für den Flachmann aber leider zu teuer!

FURNAS GOLF CLUB
Furnas, São Miguel, Azoren, Portugal
18 Löcher, Par 72, 6.232 Meter
Front Nine: Design Philip Mackenzie Ross 1936,
Back Nine: Bob Cameron & Chris Powell 1992

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