Anlass dieser Episode aus dem harten Leben eines Golfschreibers ist das World Final des Porsche Golf Cup, an dem weltweit mehr als 12.000 Golfer teilgenommen haben, von denen sich 98 Glückliche aus 20 Nationen für den großen Schlussakt auf Mallorca eingefunden haben. Hier auf der Mittelmeerinsel zwischen Palmen und voll ausgestatteten Sportwagen aus Stuttgart wird jedem schnell klar, warum es für beinahe jedes Golfclubmitglied in Deutschland ein Saisonziel ist, ein Turnier der großen deutschen Autohersteller im Heimatclub zu gewinnen, um dann die Einladung zu einer solchen Sause zu erhalten. Nirgendwo sonst kommt man dem Flair eines Profiturniers samt Shuttle-Service, Players-Party und perfekt hergerichteten Golfplätzen näher als hier. Selbst unsere Arbeitsmoral wird bereits am ersten Tag einer viel zu schweren Prüfung unterzogen, als tatsächlich die Frage gestellt wird: "Worauf habt ihr heute Lust? Golf spielen oder eine Ausfahrt in die Berge?" Ein Blick auf den Parkplatz, auf dem jedes aktuelle Modell des 911ers gleich mehrmals steht, macht die Antwort recht einfach. Golf spielen kann man schließlich beinahe jeden Tag. Um das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen, schließlich bin ich zum Arbeiten hier, rede ich mir ein, dass es wohl besser wäre, die Finalteilnehmer heute in Ruhe zu lassen - es geht immerhin um eine ganze Menge -, und schnappe mir einen Schlüssel.
»'WORAUF HABT IHR HEUTE LUST? GOLF SPIELEN ODER EINE AUSFAHRT IN DIE BERGE?' EIN BLICK AUF DEN PARKPLATZ, AUF DEM JEDES AKTUELLE MODELL DES 911ERS GLEICH MEHRMALS STEHT, MACHT DIE ANTWORT ZIEMLICH EINFACH.«
24 Stunden später haben wir eine Menge Gummiabrieb auf den kurvigen Bergstraßen Mallorcas hinterlassen und deshalb ein dickes Grinsen in den Gesichtern. Das Lächeln der Golfer wirkt an diesem Abend nicht ganz so befreit und ein Blick auf die Ergebnislisten zeigt auch warum. Son Gual, wo heute gespielt wurde, muss ein Monster gewesen sein, denn schon auf den ersten Blick ist zu sehen, dass sich unsere sämtlichen Favoriten bereits aus dem Rennen um die Wild Card für die Porsche European Open geschossen haben.
Sechs über Par ist das beste Ergebnis des Tages und die magische Marke von vier unter ist damit in weite Ferne gerückt.
Dass die Finalrunde dann im Alcanada Golf Club stattfindet, ist kein Zufall, schließlich war es Hans-Peter Porsche, Enkel des legendären Firmengründers Ferdinand Porsche, der sich diesen Platz Anfang des neuen Jahrtausends von Robert Trent Jones auf die Baleareninsel hat bauen lassen. Dem schwäbisch-amerikanischen Duo ist hier im Nordosten Mallorcas eine echte Spitzenwiese gelungen, auf der man von 17 Löchern grandiose Ausblicke über die Bucht von Alcúdia hat. Für diese haben jedoch weder das Teilnehmerfeld - schließlich geht es um den Sieg - noch der hinterherspielende Presse-Flight - wir kämpfen auf den pfeilschnellen Grüns einen aussichtslosen Kampf gegen die Invasion der Drei-Putts - ein Auge.
Auf Loch 12, einem 324 Meter langen Par 4, macht uns die obszön weit vorne gesteckte Markierung für den Longest-Drive-Wettbewerb Hoffnung, dass vielleicht doch jemand in der Lage war, noch einmal in den Kampf um die Wild Card einzugreifen. Schließlich steckt diese nur wenige Meter vor dem Grün. "Thomas Allen - Abu Dhabi" steht mit schwarzem Edding auf die kleine weiße Tafel geschrieben. "Ist Thomas Allen noch hier?", frage ich mich durch die Bar, als wir vom Platz geschlagen, aber glücklich zurück ins Clubhaus kommen, und tatsächlich hebt ein Mann, Mitte 30, der mehr nach Londoner City als Abu Dhabi ausschaut, die Hand. "Wow! Genialer Abschlag auf der 12", beginne ich das Gespräch. "Wie lief es in der Gesamtwertung?" - "Oh Mann!", antwortet der Longhitter, der sich bereits mit den ersten Worten und einem nicht zu verwechselnden Akzent als Brite, der in den Emiraten sein Geld verdient, zu erkennen gibt. "Gestern lag ich nach neun Löchern zwei unter Par. Dann kam der Einbruch. Heute habe ich auf den Front Nine eins unter gespielt. Dann kam der Einbruch erneut. Die European Open müssen dieses Jahr also leider ohne mich auskommen." - "Wie sah es auf der 17 beim Hole-in-One-Preis aus?", möchte ich wissen und merke sofort, wie fies diese Frage in diesem Moment ist. "Vergiss es! Keine Chance. Ich glaube nicht, dass jemand heute den Porsche gewonnen hat."
Frisch geduscht und vorzüglich in Schale geworfen treffen sich dann am gleichen Abend alle Golfer und Begleitpersonen zur Siegerehrung und wir erfahren, dass wie erwartet keiner das geforderte Ergebnis von vier unter ins Clubhaus bringen konnte. Letztes Jahr war das noch der Fall gewesen, doch da gab es den spektakulären Bonuspreis noch nicht. Das Team aus Großbritannien darf sich über den Nationenpreis freuen und im Juli das Pro-Am in Hamburg spielen. Der 911 GTS darf gut verpackt wieder die Heimreise nach Stuttgart antreten, denn wie Thomas Allen ganz richtig vermutete, ließ der Golfgott an diesem Tag kein Ass zu. Dieser - Thomas, nicht der Golfgott, wenngleich es nach diesen Drives durchaus zu Verwechslungen kommen könnte - steht zu dem Zeitpunkt bereits mit seinem Longest-Drive-Pokal an der Bar und ordert einen Gin Tonic. "Wenigstens fahre ich nicht mit leeren Händen heim", grinst er und präsentiert mir stolz die Trophäe. "Ich habe mittlerweile zwei kleine Kinder und komme deshalb kaum noch zum Golfspielen. Vier unter zu erwarten wäre unter diesen Umständen auch ein bisschen unrealistisch." - "Zweimal Nachwuchs?", antworte ich. "Herzlichen Glückwunsch! Dann ist es ja zu verschmerzen, dass du auch beim Hole-in-One-Preis leer ausgegangen bist. Die ganze Familie hätte im 911er ohnehin keinen Platz gehabt", und ich merke sofort, dass es wohl noch ein wenig zu früh ist für aufmüpfige Sprüche. "Gut, dass du Golfschreiber geworden bist, denn von Autos hast du keine Ahnung."