Schon als 16-Jähriger ist Arthur d'Arcy Locke Scratch-Golfer. Er eifert Bobby Jones nach, weshalb ihn seine Nanny Bobby ruft. Ein Jahr später gewinnt er sowohl die South African Amateur Championships als auch die South African Open. Mit 18 wird er Profi, triumphiert bereits im Premierenjahr bei der irischen, neuseeländischen und erneut südafrikanischen Open. Schnell erlangt der erste erfolgreiche Golfer seines Landes weltweite Berühmtheit, nur der Zweite Weltkrieg kann ihn stoppen. Nach einem Einsatz als Bomberpilot nimmt Locke Mitte der 40er-Jahre den Sport wieder auf und wird zu einem Match gegen Superstar Sam Snead in die USA eingeladen. Locke gewinnt 12 von 14 Matches gegen Snead, der ihm empfiehlt, sich der PGA Tour anzuschließen. In drei Jahren spielt Locke 59 Turniere in der höchsten Spielklasse, gewinnt elf, kommt insgesamt 34-mal (!) in die top vier.
Nicht alle freuen sich mit Locke. "Muffin Face", wie die anderen Spieler ihn wegen seines runden Gesichts mit monotonem Ausdruck nennen, polarisiert. Er spielt langsam, lässt sich von niemandem aus der Ruhe bringen. Auch optisch fällt der inzwischen Anfang Dreißigjährige aus der Reihe. Er zieht stets extra breite Hosen an, die er in die weißen Strümpfe stopft. Die anderen nennen ihn "Old Baggy Pants". Und die Konkurrenz erzürnt noch etwas: sein ungewöhnlicher Schwung. Als er bei den Houston Open an den Start geht, schreibt eine Zeitung von "dem schlimmsten Schwung aller Zeiten". Nur Tour-Profi Clayton Heafner weiß, was ihm und seinen Kollegen blüht, denn er sah Locke bereits bei vorherigen Turnieren aufteen. Zu Llyod Mangrum, dem Gewinner der Open 1946, sagt er: "Ich wette, er besiegt dich diese Woche." Mangrum lächelt und setzt dagegen. Sie schauen Locke zu, wie er an Bahn 1 seinen Ball hinlegt. Er zielt viel zu weit nach rechts. Lockes Gegner fühlt sich bestätigt. Der Ball startet Richtung Aus, bekommt dann jedoch einen Hook - und landet auf der Mitte des Fairways. Mangrum ist fassungslos. Er verliert in dieser Woche 500 Dollar. Bei einem späteren Tourstopp in Philadelphia wettet er erneut gegen den Südafrikaner - und verliert seinen Cadillac. Locke spielt immer mit Draw. Böse Zungen sagen, er würde hooken - selbst beim Putten. Stets einen Winkel nach rechts einberechnend, drückt er den Ball im letzten Moment jedoch nach links. Seine unorthodoxe Methode zahlt sich aus. Keiner puttet so erfolgreich wie der Südafrikaner. Es gibt sogar Stimmen, die heute noch der Meinung sind, er sei der beste Putter jemals gewesen.
»EINES NACHTS FÄHRT ER MARY EINIGE KILOMETER BIS NACH PARKVIEW, NUR UM SIE DORT AUSZUSETZEN. SEINE FRAU GEHT ZU FUSS NACH HAUSE. SIE BEKLAGT SICH NIE.«
Ist es die Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet ein Weinkrug die Trophäe seines größten Erfolgs wird? Locke wird später starker Alkoholiker. Der Abstieg beginnt 1960. Als er ein Turnier nahe Kapstadt spielt, gebärt seine hochschwangere Frau Tochter Carolyn. So schnell es geht, fährt Locke nach Johannesburg. An einem Bahnübergang trifft ein Zug das Auto des Golfers mit voller Kraft. Bewusstlos liegt er zwei Tage neben seiner Familie im gleichen Krankenhaus. Der Aufprall war so schwer, dass er einen Teil der Erinnerungen an sein vorheriges Leben verliert. Der frisch gebackene Vater bekommt Migräne, seine Sicht wird schlechter. Er muss seine Karriere beenden.
Sein Charakter ändert sich in den Folgejahren schwerwiegend. Außerhalb des Rampenlichts erfährt kaum jemand etwas über den neuen Bobby Locke. Ein Handwerker, der wegen Arbeiten in die privaten Wände des Invaliden eindringt, spürt es dafür umso mehr: Nach einem Streit über die Rechnung des Arbeiters zieht der Ex-Profi seine Waffe und schießt dem ahnungslosen Mann von hinten in die Schulter. Bobby Locke greift fortan stärker zur Flasche. Da die Medikamente die Wirkung des Alkohols massiv verstärken, ist er ständig betrunken. Zeitzeugen berichten, dass er immer häufiger lallt. Viele verstehen ihn nicht mehr. Der größte Leidtragende ist jedoch seine Frau Mary. Sie versucht, ihrem Mann Lebensfreude zurückzuschenken, organisiert Überraschungspartys. Bobby kommt erst nachts nach Hause, betrunken, ein Danke ist für ihn undenkbar. Eines Abends fährt er Mary einige Kilometer bis nach Parkview, nur um sie dort auszusetzen. Seine Frau geht zu Fuß nach Hause. Sie beklagt sich nie. Bobby verbietet ihr, Freunde außerhalb der Apartmentanlage zu haben. Nach und nach wird Mary isoliert.
1985 spielt Locke mit Club-Pro John Cockayne eine Runde im Vierer-Flight. Es geht um nichts. Doch Bobby Locke beschwert sich, dass ihm Cockayne beim Abschlag zu sehr auf die Pelle rücke. Am dritten Loch fängt er an, ihn anzubrüllen. Am 17. Loch stellt er sich demonstrativ hinter Cockayne und behindert ihm beim Abschlagen. Als sie über das Fairway zu ihren Bällen gehen, schlägt er mit dem Eisen dreimal gegen Cockaynes Ellenbogen. Dieser schnappt sich den Driver und prügelt auf seinen Widersacher ein.
Bobby Locke stirbt zwei Jahre später an Meningitis. Für seine Frau Mary und Tochter Carolyn ist der Horror immer noch nicht vorbei. Die Gegend, in der Lockes Apartmentanlage steht, wird von Jahr zu Jahr krimineller. Es folgen bewaffnete Einbrüche, Diebstähle, Gewalttaten. Obwohl Mary Angst hat, zieht sie nicht weg. Dieser Wohnblock war Bobbys Leben. Ein Verlassen hätte er niemals toleriert. Mutter und Tochter ziehen zusammen, schlafen sogar im gleichen Zimmer, ihr Lebensmut ist beinahe erloschen. Carolyns Ehe geht zu Bruch. Ihr Exmann sagt später, er habe das Gefühl gehabt, sie sei nicht mit ihm, sondern ihrer Mutter verheiratet gewesen. Das Geld wird weniger, die Sorgen mehr. Neun Monate nach der Jahrtausendwende schließen sich die zwei Frauen in ihrem Apartment ein. Sie sagen dem Wachdienst, dass er sie heute nicht mehr im Auge behalten müsse. Sie legen sich aufs Bett und trinken Champagner. Dann nehmen sie jeder eine Überdosis Schlaftabletten und schlafen ein.
Was wäre, wenn..? Diese Frage stellt sich bei vielen Sportlern. Wäre Phil Mickelson der beste Golfer der Neuzeit geworden, hätte es Tiger Woods nicht gegeben? Wäre Michael Schumacher ähnlich erfolgreich geworden, wenn Ayrton Senna noch leben würde? So irrelevant derartige Mutmaßungen auch sind, bei Bobby Locke kommt man nicht um die Frage herum: Was wäre, wenn der Zug nicht sein Auto gerammt hätte?