17 Jahre vorher: Payne Stewart gewann mit 25 sein erstes Golfturnier. Eine Marke war er zu dem Zeitpunkt trotzdem schon. "Wenn er seine Knickerbockers anzieht, weiß jeder, wer er ist", sagte Tour-Kollege Joe Inman. "Tauscht er seine Klamotten nach dem Turnier, erkennt ihn niemand mehr." Der Mann, der Ende des 20. Jahrhunderts auf der PGA Tour herumlief wie Old Tom Morris, fiel auf. Polarisierte. "Wer aus der Masse herausstechen will, muss sich anders kleiden", sagte er. Obwohl der sportliche Erfolg meistens ausblieb, gab sich Stewart selbstsicher, manche meinen arrogant. Sportreporter witzelten, sie wüssten nie, welchen Payne Stewart sie vors Mikrofon bekämen. Mal war der Golfprofi witzig und laut, mal sagte er kein Wort. In einem TV-Interview mit einem Reporter aus Fernost äffte Stewart ihn nach. Mit zusammengekniffenen Augen verstellte er die Stimme und wiederholte die Frage mit chinesischem Akzent. Payne habe nicht gewusst, wie er im Fernsehen wirkte, sagten Wegbegleiter. Einem anderen Journalist verweigerte er die Antwort: "Das ist mir egal."
Egal war ihm auch, was die Leute von ihm erwarteten. In seinen 20er- und 30er-Jahren wollte der angehende Golfstar Spaß haben, Party machen. Er rauchte und trank. Leistung brachte er trotzdem. Zumindest an den ersten drei Turniertagen. "An den Sonntagen brach er immer ein", sagt seine Frau in dem ESPN-Film "Love and Payne". Dadurch gingen ihm einige Turniersiege durch die Lappen. Seine Mitspieler nannten den ewigen Zweiten "Avis".
»ES KANN NICHT GESUND SEIN, SICH ZU ERNST ZU NEHMEN.«
Die meisten Profisportler planen mit 32 Jahren ihre Rente. Fußballer sitzen schon im Schaukelstuhl. Payne Stewart aber fing in dem Alter gerade erst richtig an. "Bei mir ist jetzt Prime Time", sagte er. 1989 gewann er sein erstes Major, die PGA Championship im Kemper Lakes Golf Club. Der Titel war nicht nur für seine Karriere ein Startschuss, privat läutete er ebenfalls eine neue Ära ein. "Dieser Tag war ein Wendepunkt", erklärte er. Aus dem wilden Draufgänger, der emotional unberechenbar war und Frust gerne mit Alkohol bekämpfte, wurde ein ruhiger Familienmensch. "Mir ist klar geworden, wie viel ich in letzter Zeit getrunken habe. Mir dessen bewusst zu sein ist der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung."
Stewart wurde religiös, engagierte sich in der Kirche. Er verbrachte mehr Zeit zu Hause, besonders viel mit seiner Tochter. Im gleichen Jahr wurde der erste Sohn geboren. "Ich musste mich richtig motivieren, Golf zu spielen, so glücklich war ich. Ich wollte nur bei meiner Familie sein", sagte er später. Er begann, sich im karitativen Bereich zu engagieren. Mit der neuen Einstellung kamen auch die Erfolge. Acht seiner elf PGA-Tour-Siege holte der Familienvater zwischen 1989 und '99. "Ich nutze jetzt die negative Energie von damals", verkündete er in den Medien. Payne Stewart gewann 1991 die US Open, sein zweites Major. Mit Sprüchen wie "Am Ende ist es nur Golf. Wenn man sich nach der Runde nicht die Hand geben und trotzdem befreundet sein kann, hat man das Spiel nicht verstanden" oder "Schlechtes Verhalten ist schlimmer als ein schlechter Schwung" wurde er zum Publikumsliebling.
1999. Bei CNN wird bekannt, wer in dem Geisterflugzeug sitzt. Neben den Piloten befinden sich ein Flugbegleiter und sechs Menschen, die zu einem Geschäftstermin nach Houston wollten, an Bord. Darunter der Golfer Payne Stewart. Die Piloten der Abfangjäger erkennen, dass die Scheiben des Jets beschlagen sind. Das deutet auf einen Druckverlust hin. Nur der Autopilot funktioniere noch. Während Tracey Stewart, beruflich ebenfalls Flugbegleiterin, hilflos zusehen muss, bricht eine Debatte in Amerika darüber aus, ob das Flugzeug abgeschossen werden soll.
"Ich werde nach dem Tod an einem besonderen Ort sein", sagte der gläubige Golfer zu Lebzeiten. "Aber solange ich hier bin, tue ich alles dafür, dass mein Leben auch besonders ist." In den 90er-Jahren war sein Leben längst speziell. Nicht nur weil er als Profisportler Erfolg hatte und eine Familie, die ihn unterstützte, sondern auch weil er es schaffte, durch sein Auftreten besonders zu sein. Der Klamotten-Style war so einzigartig, dass er einen Werbevertrag mit der NFL erhielt. Stewart trug bei den Turnieren die kniehohen Socken in den Farben der Football-Teams. Je nach Ort passte er sein Outfit an. Die Fans liebten ihn dafür.
Dann kam das vielleicht beste Jahr seiner Karriere. Ende Januar 1999 gewann er das AT&T Pebble Beach Pro-Am. Im Juni dann sein drittes Major, erneut die US Open. Wie er auf dem 18. Grün in Pinehurst einen der längsten Final-Putts der Major-Geschichte lochte, wurde zu einem Stück Sportgeschichte. Die anschließende Jubelpose - Stewart auf einem Bein nach vorne gebeugt mit Putter in der Hand, die Faust gen Himmel - ebenfalls. Nachdem der junge Phil Mickelson knapp Zweiter geworden war, nahm Payne ihn in den Arm, munterte ihn auf: "Du wirst bald Vater, das ist schöner als jeder Sieg." Dann kam noch einmal der Ryder Cup. "Nicht das Geld treibt mich an, sondern die Ehre, für das eigene Land zu spielen", so Payne. Mit einem starken Stewart gewannen die Stars and Stripes gegen Europa.
Payne Stewart und seine Begleiter sind längst tot, als das Flugzeug ohne Sprit im Tank über einem Feld in South Dakota abstürzt. Präsident Bill Clinton wendet sich danach an die Presse, spricht von einer großartigen Karriere und einem Mann, der viel Einfluss auf Golf hatte. "Er schenkte mir seine Schläger", sagt der am Boden zerstörte NBA-Spieler und Freund Penny Hardaway. "Payne gehörte zu denen, die man entweder liebt oder hasst. Und ich liebte ihn."