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Greg Norman

The biggest Loser

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images

Keiner hat an der Magnolia Lane so oft sein Waterloo erlebt wie der 'Great White Shark'. 20 Jahre ist es nun her, dass Normans Karriere am ersten Major des Jahres zerbrach, doch 1996 war nur das furiose Finale eines sadistischen Dramas mit vielen Akten.

Wenn der Grand Slam, der Gewinn aller vier Majors in einem Kalenderjahr, der Traum jedes Profigolfers ist, dann ist der Norman Slam ihr Albtraum. 1986 erfand ein gewitzter Journalist diese Bezeichnung zu Ehren des Australiers Greg Norman, der das Kunststück fertigbrachte, bei allen Majors vor der Schlussrunde in Führung zu liegen - und mit Ausnahme der Open Championship alle Führungen zu verspielen.

Doch das Schlimmste für Norman ist, dass dies keinesfalls die grössten Niederlagen seiner Karriere waren. Immer wieder schaffte es der ehemalige Weltranglisten-Erste, sich aus aussichtsreichster Position noch ins Bein zu schießen. Denn wenn es um die Majors ging, hatte der "Great White Shark" den Killerinstinkt eines Zierfisches. Und nirgends wurde dies deutlicher als beim Masters.

Dabei war Augusta National eigentlich wie geschaffen für den großen Blonden mit dem scharfen Schwung. Das machte er gleich bei seinem ersten Auftritt im Jahr 1981 deutlich. Wo andere Rookies sich erst einmal über Jahre mit dem Platz anfreunden mussten, feuerte Norman gleich beim ersten Versuch eine nahezu blitzsaubere 69, setzte sich an die Spitze des Feldes und demonstrierte anschließend seine ihm eigene Bescheidenheit, die zu Normans Markenzeichen werden sollte: "Ich habe mir vor dem ersten Abschlag gesagt, dass ich dieses Turnier gewinnen kann." Dass daraus nichts wurde, verdankte er einem anderen Markenzeichen: ein sonntägliches Doppelbogey an Loch 10, das ihm statt des Titels nur den vierten Platz einbrachte.

Greg Norman: Walk of Shame: es macht keinen Spaß beim Schwarzfahren erwischt zu werden.Greg Norman: Walk of Shame: es macht keinen Spaß beim Schwarzfahren erwischt zu werden.
Walk of Shame: es macht keinen Spaß beim Schwarzfahren erwischt zu werden.

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ES IST OKAY, DASS NICKLAUS GEWONNEN HAT. EINES TAGES BRECHE ICH SEINEN REKORD VON SECHS SIEGEN SOWIESO.
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Fünf Jahre später hatte der Australier wieder seine große Chance auf das Grüne Jackett - und ein Déjà-vu. Obwohl er bereits in der zweiten Runde auf Loch 10 ein Doppelbogey fabriziert hatte, ging Greg Norman zum ersten Mal in seiner Karriere als Masters-Führender in die Schlussrunde. Doch weder er noch sein Spielpartner Nick Price, der zuvor mit einer 63 den Platzrekord in Augusta verbessert hatte, kamen so recht vom Fleck. Nachdem sie auf den Front 9 bereits Severiano Ballesteros vorbeiziehen lassen mussten, fabrizierte Norman erneut auf der 10 einen seiner Snap Hooks in die Bäume. Zwar prallte der Ball auf wundersame Weise ins Fairway zurück, doch Norman wurde zum Blondinenwitz, als er den Schlag ins Grün meterweit nach links verzog und erneut ein Doppelbogey notieren musste.

Auf gewisse Art und Weise hatte es etwas von einem Chuck-Jones-Cartoon, in dem das Grüne Jackett der Roadrunner und Norman dessen Jäger Wile E. Coyote war. So wie der Kojote seine Beute im letzten Moment entwischen ließ, entglitt auch Norman sein Traum. Und dafür war das Masters 1986 symptomatisch. Denn kaum hatte sich Norman mit seinem Doppelbogey vermeintlich aus dem Titelrennen verabschiedet, zündete er zwischen der 14 und der 17 ein Birdie-Feuerwerk und zog mit Jack Nicklaus gleich, der im Clubhaus darauf wartete, ob sein Ergebnis für den sechsten Masters-Titel reichen würde. Es reichte, denn Norman spielte an der 18 nicht etwa defensiv auf ein Play-off, sondern ging volle Attacke in Richtung Birdie und übertrieb dabei so, dass er seinen zweiten Schlag 20 Reihen tief in die Zuschauer socketierte. Mit dem daraus resultierenden Bogey schrieb Norman gleich zweimal Masters-Geschichte: Er machte den 46-Jährigen Nicklaus zum ältesten Jackett-Träger aller Zeiten und bescherte anschließend den Golfjournalisten ein Zitat für die Ewigkeit: "Es ist okay, dass Nicklaus gewonnen hat. Eines Tages breche ich seinen Rekord von sechs Siegen sowieso."

Dass es nicht einmal zu einem reichte, hat viel mit den psychologischen Narben zu tun, die sich Norman 1986 zuzog. Zwar gewann er mit der Open Championship souverän sein erstes Major, aber bei der US Open wurde er nach einer desaströsen 75er-Schlussrunde vom ersten auf den zwölften Platz durchgereicht. Und bei der PGA Championship lochte Bob Tway einen extrem schwierigen Bunkerschlag auf dem letzten Loch und schnappte dem schockiert danebenstehenden Australier damit die Wanamaker Trophy weg. Es war ein guter Vorgeschmack auf das, was Norman beim kommenden Masters erwarten sollte.

Greg Norman: Total analog: Instagram-Follower anno 1996Greg Norman: Total analog: Instagram-Follower anno 1996
Total analog: Instagram-Follower anno 1996
Nach einem soliden Turnier fand sich Norman 1987 im Play-off mit Severiano Ballesteros und Larry Mize wieder. Der Spanier verabschiedete sich gleich am ersten Extraloch mit einem Bogey, sodass es ein Duell mit Mize wurde, den Norman bereits ein Jahr zuvor bei der Kemper Open im Play-off besiegt hatte. Auch diesmal sah es gut aus. Während der "Shark" die 11 mit dem zweiten Schlag erreichte, lag Mize in nahezu aussichtsloser Lage 40 Yards entfernt. Ein Par schien zum ersehnten Triumph zu reichen - stattdessen stopfte der Amerikaner den unlochbaren Chip zum Birdie. "Er könnte dort drei Tage lang stehen und würde ihn nicht noch mal machen", klagte ein frustrierter Norman. Danach fuhr er zu seinem Haus in Florida, legte sich um drei Uhr morgens an den Strand und heulte hemmungslos. "Diese Niederlage schmerzte mehr als alle anderen", gestand er drei Jahrzehnte später, "weil ich dachte, dass ich alles unter Kontrolle hätte."

Auf jeden Fall hatte die Niederlage Folgen, denn bei den nächsten Masters-Turnieren spielte er keine Rolle mehr. Zwar fuhr er 1988, 1989 und 1992 Top-sechs-Resultate ein, die kamen allerdings nur zustande, weil er sonntags bereits aus dem Rennen war, völlig ohne Druck aufspielen konnte und brillante Schlussrunden hinlegte. 1990 und 1991 konnte er dagegen nicht einmal das, weil er erstmalig beim Masters den Cut verpasste. Erst 1994 hatte sich der "Great White Shark" vom Schock erholt und belegte nach zwei Runden Rang zwei. Doch ein desaströses Wochenende führte dazu, dass er sich seine Grünen Jacketts weiterhin selber kaufen musste.

1996 schien Norman den Fluch dann aber endgültig ad acta legen zu können. Nachdem er in der ersten Runde mit einer furiosen 63 den Platzrekord von Nick Price eingestellt hatte und zwei solide Runden von 69 und 71 folgen ließ, beendete der Mann mit dem Hut die dritte Runde mit sechs Schlägen Vorsprung auf Nick Faldo. Normans Agent Frank Williams, der vor dem Turnier bei einer Quote von 14:1 satte 10.000 Dollar auf einen Sieg seines Schützlings gesetzt hatte, rieb sich bereits die Hände und lehnte ein Angebot ab, sich die Wette für 100.000 Dollar abkaufen zu lassen. Und Golfjournalist Peter Dobereiner witzelte auf der Herrentoilette: "Greg, nicht einmal du kannst das jetzt noch verkacken." Er hatte den Australier unterschätzt. Schließlich musste Norman die Schlussrunde mit Nick Faldo bestreiten und der Engländer war so etwas wie Normans Kryptonit. Bei der Open Championship 1990 waren die beiden schlaggleich in die dritte Runde gegangen. Während Norman mit einer 76 einen seiner berüchtigten Zusammenbrüche hinlegte, legte Faldo mit einer 67 den Grundstein für einen souveränen Sieg.

Diesmal sollte es sogar noch schlimmer kommen. Hätten die beiden ein Matchplay gehabt, Faldo hätte seinen Rivalen bereits nach zwölf Löchern nach Hause geschickt, denn bei Norman lief nichts zusammen. An der 9 lief ihm sein Pitch aufs Grün wieder vor die Füsse zurück. An der 12 versenkte er seinen Abschlag in Rae's Creek. An der 15 lippte sein Eagle-Chip aus. Und an der 16 verabschiedeten sich seine Titelträume endgültig, als sein Ball meilenweit vom Grün entfernt im Teich landete. Norman wirkte dabei innerlich so tot, dass man ihn problemlos als Zombie in "The Walking Dead" hätte besetzen können.

 

FLOP 5: Greg Normans schlimmste Augusta-Desaster

1996: 4. Runde, Bahn 16 / Doppelbogey Abschlag ins Wasser
1986: 4. Runde, Bahn 18 / Bogey 2. Schlag ins Publikum
1999: 4. Runde, Bahn 15 / Bogey 3. Schlag in den Bunker
1996: 4. Runde, Bahn 9 / Bogey 3. Schlag wieder vor die Füße gerollt
1999: 3. Runde, Bahn 12 / Bogey Abschlag hinterm Grün verloren

An Begründungen für das Desaster mangelte es Norman nicht. Mal machte er einen alten Schwungfehler verantwortlich, der zur unpassendsten Zeit durchgebrochen ist. Dann behauptete er Jahre später, dass er sich angeblich in der Nacht vorher den Rücken verlegen hatte. Und wieder ein anderes Mal ließ er durchblicken, dass er von privaten Problemen abgelenkt gewesen sei, die ausgerechnet am Vorabend akut wurden. Sein Caddie Bruce Edwards verriet ESPN allerdings eine ganz andere Erklärung: "Auf dem 17. Fairway sagte Greg zu mir: ,Es ist wohl besser, Glück zu haben, als gut zu sein.' Ich konnte es nicht fassen, denn Faldo hatte ihn den ganzen Tag an die Wand gespielt. Also drehte ich mich zu Greg um und sagte ihm: ,Ich würde gerne für jemanden Caddie sein, der Herz hat.'" Dass diese unerbittliche Einschätzung nicht ganz falsch war, bewies Norman in der folgenden Pressekonferenz, als er die Niederlage so in Perspektive setzte, wie nur er es konnte. "Ich habe etwas, was andere Menschen nicht haben. Ich besitze 40 Millionen Dollar. Klar würde ich gerne das Grüne Jackett anziehen. Aber es ist nicht das Ende der Welt für mich." Auch das könnte man auf gewisse Art und Weise einen Norman Slam nennen.

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