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Die Luft wird dünn: Aus Caddies werden Sherpas

Max Kieffer – Teil 2

Vier Golfrunden und ein Todesfall

Von Jan Langenbein, Fotos: Mike Meyer

Unter einem Kruzifix in einem Allzweckraum zieht Max sein Aufwärmprogramm durch. Ein Fitnessraum ist seiner Ansicht nach keine Notwendigkeit für seine Bleibe während einer Turnierwoche, schließlich steht den Pros jederzeit der Physio-Truck der European Tour zur Verfügung. Die 15 Minuten Aktivierung sind ein allmorgendliches Ritual. "Der Kreislauf soll in Schwung kommen, Stabilitätsübungen und Stretching." Kaffee am Morgen eines Turniertages? "Nein, einmal mit dem Waschlappen durchs Gesicht, duschen und dann geht's los." In den Stunden vor einer Runde gleicht ein Tag auf der European Tour dem anderen: 70 Minuten vor seiner Startzeit trifft Max auf der Anlage ein, wo er zunächst aufs Putting-Grün geht, dann auf der Range einige volle Schwünge absolviert, ehe er Pitches und Bunkerschläge aus kurzer Distanz testet. "Wenn ich noch Zeit habe, gehe ich kurz zurück aufs Grün, wenn nicht, dann los zum ersten Abschlag - und genau das mache ich jetzt."

Max Kieffer: Trotz Trennung von Miss Piggy: Kermit wollte seine Hose wiederhabenMax Kieffer: Trotz Trennung von Miss Piggy: Kermit wollte seine Hose wiederhaben
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AUF DEM WEG INS TAL, IN EINER GONDEL WEIT ÜBER EINER BEÄNGSTIGEND TIEFEN SCHLUCHT, KOMMT DANN DIE ERLÖSENDE NACHRICHT. DER CUT IST GESCHAFFT. MAX KANN AM WOCHENENDE UM DIE 2,7 MILLIONEN EURO PREISGELD SPIELEN.
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An diesem Donnerstag ist es für Max der zehnte Abschlag, von wo aus er zusammen mit Mike Lorenzo-Vera und Edouard Espana ins Turnier startet, leider mit einem Bogey. Doch schon am zweiten Loch des Tages kommt nach einem Chip-in das erste Birdie auf die Scorekarte. Während die drei Profis auf Loch 18 ihrer Arbeit nachgehen, besorgen wir uns gegen die Sommerhitze ein Eis und wundern uns gewaltig, als wir auf dem Fairway der 1 wieder auf den Flight treffen und nur noch zwei Golfer ausmachen können: Max und Edouard, von Mike weit und breit keine Spur. Das überrascht uns doch sehr, auf den Löchern zuvor waren zumindest von außen keine körperlichen Probleme bei dem Franzosen zu erkennen. Den Scores der beiden Übriggebliebenen nach zu urteilen, muss aber etwas vorgefallen sein, denn mit drei Bogeys von Edouard und vier Bogeys von Max auf den zweiten Neun sind beide nicht mehr wiederzuerkennen. Als Max dann eine unbefriedigende +1-Runde im Scorer-Zelt abgibt, klärt uns sein Caddie auf: "Am ersten Abschlag kam John Paramor zu uns, nahm Mike beiseite und musste ihm erklären, dass sein Vater gerade verstorben ist. Er hat die Runde natürlich sofort abgebrochen." Kein Wunder, dass danach bei beiden Spielpartnern so gut wie nichts mehr ging!

Vier Golfrunden und ein Todesfall
Inzwischen hat Max die Buchhaltung erledigt: "Solch eine Nachricht reißt einen aus der Konzentration. Schlagartig wird einem bewusst, dass es auf der Welt Wichtigeres gibt als Golf." Eine Mollstimmung legt sich über den Abend, und da bei Max morgen um fünf Uhr der Wecker klingelt, blasen wir das Abendessen ab.

DICHT AM ABGRUND

Da wir keine Waschlappen mit in die Schweiz gebracht haben, lassen wir Max allein auf die zweite Runde starten und stoßen erst an Loch fünf auf den Flight, der aufgrund der Aufgabe des dritten Manns viel mehr Wartezeiten zu überbrücken hat, als den beiden Verbliebenen recht sein kann. Prompt spielt Max das erste Bogey des Tages, und als auf Loch 7 das zweite folgt, bekommen wir es mit der Angst zu tun. Verfrühtes Kofferpacken droht, denn er hat bereits am Mittwoch klargemacht, dass er nach einem verpassten Cut immer so schnell wie möglich das Weite sucht. Auch Max' Mutter sieht das Unheil kommen, als ihr Sohn geknickt zum achten Tee schleicht: "Er hat keine Lust mehr. Das sehe ich aus 100 Metern Entfernung." Doch auf dem folgenden, 160 Meter langen Par-3-Loch landet sein Ball direkt neben der Fahne und nach einem verwandelten Putt liegt Max wieder even Par für die Runde. Zwei Stunden und vier weitere Birdies später gibt ein abgekämpfter, aber nicht weniger stolzer Max Kieffer die Scorekarte, auf der eine 67 notiert ist, ab und mit einem Gesamtergebnis von zwei unter Par sieht es ganz gut aus mit dem Wochenende. Doch noch sind die Nachmittags-Flights nicht gestartet. Warten ist angesagt und Christian hat den rettenden Einfall: "Hier ist unsere Arbeit getan. Lasst uns auf den Berg fahren!"

Max Kieffer: Die Rechnung, bitte! Plötzliche EinsamkeitMax Kieffer: Die Rechnung, bitte! Plötzliche Einsamkeit
Die Rechnung, bitte! Plötzliche Einsamkeit
25 Minuten dauert die Fahrt mit der Seilbahn auf den knapp 3.000 Meter hohen Plaine-Morte-Gletscher. Doch für die letzten Meter bis zum Gipfel bleibt nur eine Kletterpartie, die sich Max' Mutter nicht antun möchte, Max' Vater aber dazu nutzt, seinem Sohn zu beweisen, dass sportlich durchaus noch mit seinem alten Herrn zu rechnen ist. "Mensch Walther", keucht Max oben angekommen, "schaffst du es noch?" - "Was soll das denn heißen?" - "Ich dachte schon, du machst schlapp." - "Quatsch! Ich bin deutlich weniger aus der Puste als du, junger Mann!" Offensichtlich mussten wir einen Berg erklimmen, um vorgeführt zu bekommen, woher Max seinen Ehrgeiz hat.

Die gesamte Geschichte lest ihr in der Septemberausgabe 2015!

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