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Ronnie Wald Senior – Teil 2

Der Straßengolfer von Los Angeles

Von Fritz Lüders, Fotos: Jason Salter

Obwohl es einer der verlassensten Orte der Welt ist, der optisch die reale Vorlage von "Grand Theft Auto" sein könnte, liebt Ronnie den Platz. Er liegt in Sichtweite des Stadtzentrums, aber trotzdem kann er dort ungestört und allein Golf spielen. "Ich nenne es das 'Field of Dreams'", sagt er.

Wer Ronnies Schwung auf Bildern oder YouTube-Videos sieht, merkt schnell, dass der 82-Jährige erstens topfit und zweitens ein begabter Golfer ist. Sämtliche Bälle, ob vom Tee oder vom Boden, trifft er gut, viele fliegen quer übers Feld und prallen mit einem "Klong" gegen die Wellblechmauer auf der anderen Seite. Trotz seines hohen Alters hat er nicht nur Kraft für lange Abschläge, sondern auch für ausgiebige Fahrten mit seinem Fahrrad. Seit einem Jahr lebt Wald senior in einer Einrichtung für Kriegsveteranen in Bell auf der anderen Seite von Los Angeles. Von dort aus fährt er beinahe täglich die fast einstündige Strecke am L.A. River entlang bis zum "Field of Dreams". "Das ist nicht ungefährlich", erklärt uns Jason Salter.

Ronnie Wald Senior: Mütterlicher Rat am Gartenzaun: 'Fahr langsam und umsichtig, mein Sohn!'
Mütterlicher Rat am Gartenzaun: 'Fahr langsam und umsichtig, mein Sohn!'
"Auf der Strecke muss man durch Wasser fahren und es gibt dort viele komische und kriminelle Menschen." Ronnie, so erzählt es der Fotograf, streckt darauf angesprochen demonstrativ den rechten Arm gerade nach vorne aus und hebt seinen Fuß gegen die Hand. "Guck, so fit macht mich das Fahrradfahren!", lacht er.

Fit ist er tatsächlich - topfit sogar. Auch Schwimmen und Rennradfahren zählen zu seinen Hobbys. Als Sprintschwimmer gewann er in seiner Altersklasse vor wenigen Jahren eine Goldmedaille. Das bestätigt auch sein Sohn, der Sportjournalist Ronnie Wald junior. "Ich würde sogar gerne gegen 70-Jährige antreten und sie besiegen", sagt sein Vater. "Aber bei den Senior Games tritt man nur gegen Leute in der eigenen Altersklasse an." Das Geheimnis, im hohen Alter noch so sportlich zu sein? "Früh aufstehen, gut frühstücken und viel spielen", sagt Wald. Bei den National Senior Games Mitte Juni starten über 10.000 Teilnehmer in 19 Disziplinen. Neben den zwei Ausdauersportarten tritt Ronnie natürlich auch beim Golfturnier an, sein Highlight. "Ich will auch dort die Goldmedaille gewinnen!", ruft er selbstbewusst in die Kamera.

Nahe dem "Field of Dreams" hat er inzwischen einen eigenen Verschlag mit mehreren Hundert Schlägern, wie er und der Fotograf erzählen. Darunter seien Driver, Hölzer, Eisen und Wedges. Über die Jahre fand er einige Modelle, sammelte viele Schläger und bekam etliche geschenkt. Von aktuellen Top-Drivern über alte Hickorys bis hin zu Unikaten ist alles dabei - auch gebrochene. Selbst diese behält er. Als einer der Bauarbeiter einer nahe gelegenen Brückenbaustelle sein Versteck sah, soll er Ronnie gefragt haben, ob er damit sein Geld verdiene. Als dieser verneinte, gab ihm der Arbeiter anschließend einige Scheine in die Hand, damit Ronnie noch mehr Modelle und Golfbälle kaufen konnte. "Das war wirklich vertrauensvoll von ihm", sagt der Kalifornier. "Schließlich konnte er nicht wissen, ob ich mir von dem Geld neue Schläger oder Drogen besorge."

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Ronnie kaufte neue Schläger. Am liebsten spielt er ein Miscela Holz 3 - aus der Damenserie von TaylorMade. "Da hinten ist mein Ziel", zeigt er auf einen Durchgang in der Mauer. "Manchmal versuche ich auch, einen Stein zu treffen, damit der Ball hoch und weit wegspringt."

Der 82-jährige Veteran erzählt offen aus seinem Leben und zeigt weiterhin keine Scheu vor dem Profifotografen. Das liegt auch an seinem letzten Job. Da verdiente sich Ronnie Wald senior auf dem Jahrmarkt seine Brötchen. Den ganzen Tag musste er Leute unterhalten. "Und manche auch mit Witzen beruhigen", fügt er an. Einer seiner Lieblingswitze handelt vom Golfen: Aus dem hinteren Flight trifft einer einen Mann aus der Gruppe vor ihm.

Der brüllt wütend: "I will sue you over five thousand dollar!" Daraufhin der Übeltäter: "Didn't you hear me yell: 'Fore!'?" Antwortet der Verletzte: "I'll take it, I'll take it!"

Die Arbeit gefiel ihm. Die seines Vaters weniger. Dieser arbeitete sein Leben lang auf dem Bau, fuhr Lkw und Züge. Zwar hatte Ronnie nichts gegen die Leute, aber sehr wohl gegen die ständig neuen Einsatzplätze seines Vaters. So musste dieser lange woanders arbeiten, auch in Seattle. "Er verdiente außerdem nur 60 Cent pro Stunde", sagt Ronnie. "Davon könnte ich mir heute noch nicht mal einen Golfball kaufen."

Trotz einiger Jobs und des Besiegens der Drogensucht wohnte Ronnie Wald einen großen Teil seines Lebens auf der Straße. Insgesamt volle 25 Jahre. Doch selbst in dieser schwierigen Zeit spielte er Golf. "Das ist einer der wichtigsten Bestandteile meines Lebens. Egal wie schlecht es mir ging, ich schlug immer irgendwo Bälle, um positiv zu bleiben." Golfen allein reichte und reicht ihm nach wie vor, um glücklich zu sein - besonders auf dem "Field of Dreams". Ronnie wird dort rausfahren, bis es nicht mehr geht, und weiter kleine weiße Bälle auf dem staubigen Grundstück verteilen. "Hier müssen über 1.000 davon rumliegen", lacht er in die Kamera. "Eines Tages werden sie sich wundern, wenn sie die hier alle finden." Ronnie hinterlässt Spuren.

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