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Brüssel – Teil 2

Sehen und spielen

Von Rudi Schaarschmidt

Innerhalb dieses Rings aus träger Automasse hat Brüssel allerdings einiges zu bieten. Auch nach über 50 Jahren kommt das 102 Meter hohe Atomium, das eine Eisenkristallstruktur in 165-milliardenfacher Vergrößerung darstellt, immer noch beeindruckend daher. Seit der Renovierung 2004 strahlen die neun Kugeln - sechs davon begehbar - mit je 18 Metern Durchmessern in neuem Glanz. Ein kurzes Eisen entfernt lohnt der Besuch des Europarks, in dem die bedeutendsten Monumente der Europäischen Union maßstabsgetreu (1:25) nachgebaut sind. Im Zentrum bevölkern massenhaft Touristen den traumhaften Grand Place. Mit dem imposanten gotischen Rathaus und seiner geschlossenen barocken Fassadenfront gilt er als einer der schönsten Plätze Europas und wurde 1998 als Ensemble in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Dort eine Belgische Waffel zu genießen sollte sich nur entgehen lassen, wer auch willige Damen vor der Haustür abweist. Das Manneken Pis ist allerdings eine enttäuschende Witzfigur, deren Popularität sich nicht erschließt und die man getrost links stehenlassen kann. Großartig dagegen ist das pulsierende After-Work- und Nachtleben rund um den Place Luxembourg im Europaviertel. Noch mehr, wenn man sich an einem lauen Abend vor einer der vielen Bars im Kreise einiger Katalanen auf einer großen Videoleinwand anschauen kann, wie die Bayern von Messi & Co. vermöbelt werden. Da schmeckt das Stella Artois gleich doppelt so gut.

Brüssel: Gartenarbeit: Saisonkräfte jäten fleißig UnkrautBrüssel: Gartenarbeit: Saisonkräfte jäten fleißig Unkraut
Gartenarbeit: Saisonkräfte jäten fleißig Unkraut

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DIE MISCHUNG AUS HOLLÄNDERN UND FRANZOSEN ERGIBT BELGIER. ANGEBLICH HABEN FLAMEN MEHR BISS, WÄHREND DIE WALLONEN MEHR DAS LAISSER-FAIRE VERKÖRPERN.
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Am nächsten Morgen steht wieder die golferische Pflicht auf dem Programm. Es geht wieder in den Süden der Stadt zu einer der grössten und besten Anlagen des Landes: Golf Château de la Tournette. Es ist benannt nach dem gleichnamigen Flüsschen, das sich in der Nähe des zum Clubhaus umfunktionierten Schlosses schlängelt, und ein erst in den 1990er-Jahren und damit noch recht junges, am Reissbrett entwickeltes Projekt mit außergewöhnlichem Standard. Das trifft nicht nur auf die Qualität der Plätze, sondern auch auf die weiteren Einrichtungen zu. Während in den meisten Clubs mit zwei 18-Loch-Plätzen ein Kurs als Aushängeschild gilt, werden dem Golffreund hier zwei absolut gleichwertige Championship-Kurse vom Allerfeinsten geboten, die sich charakterlich dennoch unterscheiden.

Der von Martin Hawtree gebaute English Course ist offener und weitläufiger, während der von Bill Amick gezeichnete American Course technisch anspruchsvolleres und präziseres Spiel verlangt. Selbstredend, dass auch hier die Grüns absolutes Tourniveau haben. Apropos: Sollte das 2000 gestorbene European-Tour-Event Belgian Open eines Tages wiederbelebt werden, wäre La Tournette als Austragungsort dafür prädestiniert. Weil hier viel Wert auf die sportlichen Aspekte des Spiels gelegt wird, gingen in den letzten Jahren viele nationale Meistertitel in diesen Club, der auch eine erfolgreiche Jugendförderung betreibt und damit eine Vorbildfunktion übernimmt. Denn aktuell ist Golf bei unseren westlichen Nachbarn ein eher unbedeutender Sport, dem noch der Ruch des Elitären anhaftet wie in Deutschland vor 30 Jahren. Nur rund 50.000 Golfer verteilen sich auf weniger als 100 Golfclubs. Knapp 60 davon bieten 18 oder mehr Löcher. Vom Zentrum Brüssels aus liegen im Umkreis von 35 Kilometern allein 20 davon. Die Popularisierung ist zwar gerade in Gang gekommen, der Prozess steckt aber noch in den Kinderschuhen.

Brüssel: Wellenparadies: Auch Surfer mögen's königlich
Wellenparadies: Auch Surfer mögen's königlich
In einem Club wie dem Royal Golf Club de Belgique - Ravenstein möchte man davon am liebsten gar nichts wissen. In Belgien darf sich jeder Club, der 50 Jahre alt ist, Royal nennen, was somit an sich noch kein Gütesiegel ist. Aber für Parkplätze wie jenen im Koninklijke Golf Club van België wurden Jaguars und Aston Martins erfunden. Und genau so präsentiert sich der Platz im Osten der Stadt: eine bis ins Detail faszinierende, über 100 Jahre alte, top gepflegte Schönheit, die man von den weißen Abschlägen spielen sollte. Auch wenn ich den Platz mit seinen ebenfalls überragenden Grüns wieder für mich allein habe, in diesem edlen Ambiente würde man sich niemals trauen, einen fahren zu lassen.

Wer dagegen im Brabantse Golf Club flatulieren würde, dürfte allenfalls ein "Respekt!" vom Nachbarfairway ernten. Dieser Club direkt am Flughafen im Nordosten der Stadt ist des Hochadels unverdächtig und eher etwas fürs Volk. Würde dem Wort "durchschnittlich" nicht ein negativer Beigeschmack anhaften, dürfte man es für diesen absolut brauchbaren Golfplatz, den man in seiner Art auch in Deutschland antreffen könnte, durchaus verwenden. Das trifft jedoch nicht auf die Gebäude zu, in denen Clubhaus und Restaurant untergebracht sind. Im Zweiten Weltkrieg war dieses Schloss ein deutscher Armeestützpunkt. Kurz vor dem Niedergang, als keine Zeit mehr blieb, alle Dokumente wegzuschaffen, haben die Deutschen es kurzerhand abgebrannt. Ein Teil davon konnte gerettet und wieder aufgebaut werden.

Wer mit dem Flieger anreist, kann direkt nach der Landung oder eben noch kurz vor der Abreise eine entspannte Runde gehen. Die zweite Spielbahn ist, wie mir Clubmanager Rob Houben erklärt, mit 553 Metern das zweitlängste Par 5 in Belgien. Auf unserer gemeinsamen Runde erfahre ich auch viel über die Befindlichkeiten des belgischen Volks, über die Unterschiede zwischen Flamen und Wallonen. Subsummiert ergibt sich daraus für mich: Die Mischung aus Holländern und Franzosen ergibt Belgier. Jedenfalls hätten die Flamen mehr Biss, während die Wallonen eher das Laisser-faire verkörperten. Deshalb besitzt für Houben auch der Flame Tom Pieters auf der European Tour die besseren Perspektiven als der wallonische Lebenskünstler Nicolas Colsaerts.

Brüssel: Landestypisch: Belgisches Sushi kommt ohne Fisch aus
Landestypisch: Belgisches Sushi kommt ohne Fisch aus
In den spärlichen Phasen in seiner Heimat trainiert der erste belgische Ryder-Cup-Held gerne im Golfclub Château Sept Fontaines im Süden der Stadt, dem golferischen Epizentrum der Region, auf dem Par 69 des Le-Foret-Kurses. Der ist einiges kürzer als der Championship-Platz, aber deutlich enger, hügeliger, kniffliger und landschaftlich noch schöner. Das ist schwierig, denn bereits der große Bruder Le Château geizt nicht mit Reizen. Vor allem die dramatisch schnellen und welligen Grüns sind eine echte Herausforderung. Einziges kleines Manko: Es gibt zahlreiche Doglegs nach rechts, aber kein einziges nach links.

Nach getaner Arbeit sitze ich auf einer der schönsten Clubterrassen bei herrlichem Sonnenschein. Ich wünschte mir, die durchschnittliche Qualität der Grüns auf deutschen Golfplätzen würde nur annähernd jenes Niveau erreichen, das ich hier für einige Tage geniessen durfte. Und mir wird klar: Es muss nicht immer Spanien oder Portugal sein. Der Brüsseler Süden hat mich nicht zum letzten Mal gesehen

 

Golfplätze in der Region

Golf Clubsept Fontaines

Golf Clubsept Fontaines

Le Chateau: 18 Löcher,Par 72, 6.003 m
Le Foret: 18 Löcher, Par 69, 4.874 m

Adresse
Chaussée d'Alsemberg 1021
B-1420 Braine L'Alleud
Tel. +32 2 353.02.46
www.golf7fontaines.be

Greenfee
60 Euro (werktags)
90 Euro (Wochenende)

Allein schon die Anfahrt zum Château ist ein Augenschmaus. Und nach der Runde auf der traumhaften Clubterrasse bei herrlichem Sonnenschein ein kühles Bier zu genießen gehört mit zu den schönsten denkbaren Erlebnissen. Wer dazwischen noch auf einem der beiden fantastisch gepflegten, mit teuflisch schnellen und tückisch ondulierten Grüns versehenen Parklandplätzen ordentlich Golf spielt, hat den perfekten Tag erlebt.

Killerloch
Die fünfte Bahn ist ein wunderschönes Par 5. Ein langer Fade vom Tee ist empfehlenswert, um die in einer Waldschneise startende und stark ansteigende Spielbahn zu öffnen. Das Grün hängt stark Richtung Fairway. Steht die Fahne kurz, sind bergab drei Putts vorprogrammiert.
www.golf7fontaines.be

Golf Club D'Houlencourt

Golf Club D'Houlencourt

Le Vallon
18 Löcher, Par 72, 6.211 m

Adresse
Bruyére d'Hulencourt
B-1472 Vieux-Genappe
Tel. +32 6 779.40.40
www.golfhulencourt.be

Greenfee
75 Euro (werktags)
95 Euro (Wochenende)

Einer von nur vier Plätzen aus der Feder von Jean-Manuel Rossi. Der Franzose hat in dem leicht hügeligen Gelände einen schönen, offenen Parklandkurs mit einer wunderbaren Mischung geschaffen. Manche Löcher sind knifflig und verlangen taktische Überlegungen, andere laden zum hemmungslosen Durchladen ein. Verzogene Schläge enden nur selten unspielbar, weshalb auch Anfänger nicht überfordert werden. Bessere Grüns findet man auch auf den berühmtesten Plätzen der Welt nicht vor.

Killerloch
Gleich zum Auftakt wartet der Meisterbrief. Selbst wer nicht von den weißen (411 Meter,) sondern von den gelben Tees (375 Meter) spielt, wird vor eine harte Prüfung gestellt. Es geht bergab und in Drive-Länge warten neben fiesem Rough in der abknickenden Spielbahn vor und hinter einem schmalen Fairwaystreifen strategisch gut platzierte Bunker, von denen der zweite Schlag ins Grün selbst für Single-Handicapper kaum machbar ist.
www.golfhulencourt.be

Brabantse Golf

Brabantse Golf

18 Löcher, Par 72, 5.935 m

Adresse
Steenwaagenstraat 11
B-1820 Melsbroek
Tel. +32 2 751.82.05
www.brabantsegolf.be

Greenfee
55 Euro (werktags)
70 Euro (Wochenende)

Direkt neben dem Brüsseler Flughafen (kein Platz für Liebhaber völliger Stille) wartet ein flacher, unprätentiöser Parklandkurs mit zwei kleinen Schönheitsfehlern. Für die Erweiterung auf 18 Löcher wurde Gelände außerhalb des Parks zugekauft, in das die überwiegend kurzen, dafür kniffligen Bahnen 3 bis 7 teilweise direkt an eine Autobahn gequetscht wurden. Und zweimal gilt es, vom Grün über 300 Meter durch einen Wald zum nächsten Tee zu laufen. Mit den anderen hier vorgestellten Edelwiesen kann es Brabantse nicht aufnehmen, trotzdem durchaus lohnenswert.

Killerloch
Die vierte Bahn ist der Hammer. Beinahe schon unfair. 297 Meter hören sich nach nicht viel an, aber für ein Par müssen die ersten beiden Schüsse so perfekt sitzen wie der Eingriff eines Herzchirurgen. Eine schmale Gasse mit Wald zur Linken und einem See zur Rechten endet nach 180 Metern vor einem Flüsschen in einem 90-Grad-Dogleg. Dummerweise versperren drei große Bäume nach etwa 150 Metern in der Mitte des Fairways den Großteil der perfekten Landezone.
www.brabantsegolf.be

Brabantse Golf

Royal Golf Club De Belgique

Ravenstein

Old Course
18 Löcher, Par 72, 6.045 m

Adresse
Château de Ravenstein
B-3080 Tervuren
Tel. +32 2 767.58.01
www.rgcb.be

Greenfee
110 Euro

Schließt eure Augen und stellt euch einen königlichen Schlosspark in seiner schönsten Pracht vor. Lasst euch ans erste Tee in diesem Nobelclub führen und öffnet dann wieder die Augen - et voilá! Eine perfekt manikürte Golfwiese in einem Park, dessen Flora einen mit seiner Vielfalt und Farbenpracht beinahe erschlägt. Seymour Dunn, der auch für Royal County Down verantwortlich zeichnet, hat hier 1905 einen Platz erschaffen, der nicht durch Länge, sondern Schönheit besticht. Der Zustand in diesem etwas hochgestochenen und wenig frequentierten Club ist über jeden Zweifel erhaben. Die Spielbahnen sind nicht übermäßig eng. Wer also auf den pfeilschnellen Grüns zurechtkommt, dürfte gut scoren.

Killerloch
Da es nur wenige Bahnen gibt, die einen vor echte Prüfungen stellen, ist das längste Par 4 die härteste Nuss: Auf der 15. Bahn gilt es, 402 Meter in einem sanften Dogleg zu überwinden, die darüber hinaus auf der zweiten Hälfte noch deutlich ansteigen.
www.rgcb.be

Golf Chateu De La Tournette

Golf Chateu De La Tournette

American Course: 18 Löcher, Par 72, 6.176 m
English Course: 18 Löcher, Par 72, 6.120 m

Adresse
Chemin de Beaudermont 21
B-1400 Nivelles
Tel. +32 6 789.42.66
www.tournette.com

Greenfee
70 Euro (werktags), 100 Euro (Wochenende)

Für diese Anlage wurde das Wort "perfekt" erfunden. Hier stimmt alles: vom guten Service über die traumhafte Clubterrasse bis hin zu zwei unterschiedlichen Championship-Kursen vom Feinsten. Perfekt gepflegt, anspruchsvoll und abwechslungsreich designt und mit Grüns ausgestattet, wie man sie in Deutschland selten vorfindet.

Killerloch
Die 15 ist die schönste Bahn des American Course. Das abschüssige Fairway endet vor einem großen See. Wer zu lang ist, läuft Gefahr, nass zu werden. Wer zu kurz ist, bekommt sowohl in puncto Winkel als auch wegen der Länge Probleme, den zweiten Schlag aufs Grün carry über den großen See zu jagen.
www.tournette.com

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