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Die angenehmsten Orte der Welt

The Grove

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images, The Grove

Vor den Toren Londons liegt ein Golf-Resort, das bereits Tiger Woods, Ernie Els, Wayne Rooney, Tom Cruise und Barack Obama gefordert hat. Müssen wir mehr sagen?

Es gibt diesen Typen in jedem Golfclub: Eine gute Woche hat ihn die Clubmeisterschaften gewinnen lassen, und obwohl sein Schwung ausgefeilt wirkt, ist seine aus dem Sieg gespeiste Annahme, er wäre auf der European Tour besser aufgehoben als in der regionalen Rumpelliga, natürlich bemitleidenswert.

Kuriert werden könnte solch eine Hybris auf einem Golfplatz, der das ganze Jahr über Championship-Bedingungen bietet. Wie dem Oakmont Country Club zum Beispiel, unter dessen Mitgliedern der Witz umgeht, dass die USGA hier praktisch jede Woche antanzen und ohne nennenswerte Vorbereitungen eine US Open abhalten könnte - sie müssten lediglich die Grüns etwas langsamer machen. Nur auf solchen Anlagen, die tatsächlich über Rough abseits der Fairways und anständige Grüns verfügen, wird der riesige Unterschied zwischen gutem Amateurgolf und Profigolf auch für vor Selbstbewusstsein strotzende Clubmeister am eigenen Leib spürbar. Nur leider gibt es eine solche Golfanlage hierzulande nicht wirklich. Der Oakmont Country Club liegt schließlich nicht nur in der Nähe von Pittsburgh, sondern ist auch strikt privat. Ohne beste Beziehungen schafft man es dort also nicht einmal auf den Parkplatz.

Die angenehmsten Orte der Welt: Konnte 2006 sogar über Wasser gehen: Tiger WoodsDie angenehmsten Orte der Welt: Konnte 2006 sogar über Wasser gehen: Tiger Woods
Konnte 2006 sogar über Wasser gehen: Tiger Woods

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SOLCHE SPERENZCHEN MACHT THE GROVE NICHT, DENN HIER GIBT ES WEDER MITGLIEDER NOCH EINEN CLUB. LEDIGLICH EINEN GOLFPLATZ VON WELTKLASSE, AUF DEM JEDER SEINE RUNDEN DREHEN DARF.
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Ein Flug über den großen Teich ist jedoch nicht nötig, um Profibedingungen zu genießen; es reicht, den Ärmelkanal zu überqueren. Denn im Speckgürtel von London, keine 30 Autominuten vom Flughafen Heathrow entfernt, liegt The Grove, der Schauplatz von Tiger Woods' letztem Turniersieg in Europa. Ernie Els, der damals im September 2006 beim WGC-Event ebenfalls am Start war und Fünfter wurde, hatte im Anschluss Erstaunliches über diesen Golfplatz zu sagen: "Ich liebe The Grove. Glaubt mir, es war sehr, sehr beeindruckend. Ich würde sagen, dies ist der am besten gepflegte Golfplatz in Europa, zumindest nach meiner bisherigen Erfahrung." Das ist eine steile Aussage, denn zum einem würde kein Mensch, der halbwegs bei Sinnen ist, Ernie Els mangelnde Erfahrung vorwerfen und zum anderen lag die Eröffnung von The Grove damals erst drei Jahre zurück. Um einen Golfplatz auf solch ein Niveau zu bringen, braucht es normalerweise viel mehr Zeit als 36 läppische Monate.

Wenige Monate vor dem Golfplatz eröffnete das nicht weniger beeindruckende "The Grove Hotel". Seit dem 18. Jahrhundert war dieses Land die Heimat der Earls of Clarendon, einer englischen Adelssippe. Ende des vergangenen Jahrtausends erwarben die Brüder Daniel und Stuart Levy das mehr als 120 Hektar große Anwesen. Zuvor waren die beiden bereits mit zwei Luxushotels im Stadtzentrum von London extrem erfolgreich. Hier spürten sie jedoch schnell, dass ein traumhafter englischer Landsitz nicht genug ist, um ein Hotel dieser Kategorie auf die Landkarte der erhofften zahlungskräftigen Kundschaft zu setzen. Schließlich befindet sich das Anwesen in Watford, was zwar nahe der Hauptstadt, aber eben nicht in London liegt. Einen echten Londoner nach Watford zu bewegen ist ein bisschen, als würde man versuchen, einen Sohn Hamburgs nach Pinneberg oder einen echten Berliner nach Spandau zu locken: Mission Impossible.

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Die Actionstreifen mit Tom Cruise alias Ethan Hunt in der Hauptrolle sind ein gutes Stichwort, denn tatsächlich haben sie etwas mit der Erfolgsgeschichte von The Grove nach 2006 zu tun. Dort kam man nämlich nach zwei nur mittelmäßig erfolgreichen Jahren auf die Idee, dass ein großes Golfturnier die optimale Plattform wäre, um den nagelneuen Golfplatz der Weltöffentlichkeit vorzustellen, was mit dem WGC von 2006 und einem beinahe unmenschlichen Tiger Woods auch bestens klappte. Damit war das Glück der Levy-Brüder allerdings noch nicht aufgebraucht, denn im gleichen Jahr stiegen auch noch die Kicker vom benachbarten Watford FC in die Premier League auf und bei den verwöhnten Kollegen aus Manchester und Liverpool sprach sich schnell herum, dass es im sonst wenig glamourösen Watford nur eine Adresse gibt, wo die Aston Martins, Ferraris und getunten Range Rovers auf dem Parkplatz unter ihresgleichen stehen. Wann immer Wayne Rooney und Kollegen versuchen, aus Watford drei Punkte mit nach Hause zu nehmen, logieren sie daher in "The Grove". Als 2010 dann Warner Brothers ein nur wenige Kilometer entferntes Filmstudio, in dem unter anderem bereits das James-Bond-Abenteuer "Goldeneye" gedreht wurde, übernahm und zu den Warner Bros. Studios auf dieser Seite des Atlantiks ausbaute, war Watford definitiv posh genug für ein Golf-Resort der Güteklasse von The Grove. 2014 drehte Tom Cruise hier "Edge of Tomorrow" und wohnte sechs Monate lang im Hotel.

Kaum zu glauben, doch weder Rooney noch Woods und auch nicht Cruise ist der berühmteste Name, der jemals über die Fairways von The Grove spazierte. Dieser Titel muss an Barack Obama gehen, der während eines Staatsbesuchs in Großbritannien hier spontan ein Match gegen David Cameron in den Terminplan quetschte. Eines Morgens im April 2016 rief der Secret Service in The Grove an, bat um eine Startzeit für den Präsidenten und den Premierminister. Alles, was die Angestellten im Pro-Shop tun mussten, war, eine Handvoll Startzeiten vom Vormittag auf den Nachmittag zu verlegen, um Platz für die mächtigen Männer zu schaffen. Kein Golfer, der an diesem Tag eine Runde Golf gebucht hatte, musste wegen des hohen Besuchs auf sein Spiel verzichten und ein paar Selfies mit David und Barack stimmten auch die auf den Nachmittag Vertrösteten wieder versöhnlich.

Die angenehmsten Orte der Welt: Ungewohnter Anblick: Briten außerhalb eines Fußballstadions
Ungewohnter Anblick: Briten außerhalb eines Fußballstadions
Natürlich gibt es im Großraum London auch Clubs wie Wentworth, Sunningdale oder Swinley Forest, die im Vergleich zu The Grove auf mehr als 100 Jahre Clubgeschichte zurückblicken können und über Golfplätze der Extraklasse verfügen. Doch in diesen Bastionen des englischen Klassensystems kann sich nicht einmal der Präsident der Vereinigten Staaten sicher sein, eine Startzeit zu bekommen. Schließlich gibt es dort Mitglieder, die damit einverstanden sein müssen, bevor ein Gast ihr Refugium betreten darf.

Solche Sperenzchen macht The Grove nicht, denn hier gibt es weder Mitglieder noch einen Club. Lediglich einen Golfplatz von Weltklasse, auf dem jeder seine Runden drehen darf, der bereit ist, das zugegebenermaßen nicht gerade preiswerte Greenfee zu bezahlen.

 
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THE GROVE
Hier fühlen sich nicht nur Hollywood-Stars und Champions-League-Spieler wohl, denn neben 217 luxuriösen Zimmern, von denen die meisten über Balkone oder Kamine verfügen, und drei fantastischen Restaurants bietet "The Grove" nicht nur den obligatorischen englischen Garten, sondern auch ein riesiges Spa samt Indoor-Pool. Sollte die Sonne scheinen, steht den Gästen zudem ein großer Outdoor-Pool mit entspannter Clubatmosphäre zur Verfügung. Wem Golf nicht genug ist, der kann selbstverständlich auch die Tennis- und Fußballplätze nutzen. www.thegrove.co.uk

Wurde die Kreditkarte akzeptiert, ist der Weg dann frei auf einen von Kyle Phillips designten Test, wie man ihn in Deutschland nicht finden kann. Der Schöpfer von Kingsbarns und Dundonald modellierte hier 18 Grün komplexe in die englische Landschaft, die so diabolisch sind, wie das Anwesen majestätisch ist. Phillips benötigt keine Wasserhindernisse - nur dreimal kommt Wasser ins Spiel -, um The Grove selbst vor den besten Spielern der Welt zu verteidigen. Genial strategisch platzierte Bunker und jede Menge kurz gemähtes Gras rund um die Grüns ziehen suboptimal geschlagene Bälle förmlich magisch an und verlangen dem kurzen Spiel alles ab. Wer hier auf die Runde geht, sollte den Starter bitten, doch vom zehnten Tee starten zu dürfen, denn von dort aus gingen auch die Pros beim WGC 2006 auf Birdie-Jagd. Wer tatsächlich auf dem Level eines Clubmeisters spielt, wird spätestens an Loch 3 spüren, wie sich Golf auf Championship-Niveau anfühlt. Sollte der Score nach 17 Löchern dann tatsächlich auf Handicapkurs liegen: Glückwunsch! Das ist eine großartige Leistung. The Grove hat allerdings noch einen Dämpfer für das Ego in petto: Auf dem bergauf verlaufenden, 514 Meter langen Par 5 zum Abschluss der Runde sind etwa 270 Meter vom Abschlag drei Marmorplatten ins Fairway eingelassen. Sie markieren die Stellen, an denen Tiger Woods vor elf Jahren seine Abschläge in den Runden eins, zwei und vier platzierte. Die weiße Schrift auf dunklem Marmor verrät, dass Woods am Finaltag noch 250 Meter bis ins Grün hatte. Obwohl er die Fahne nicht sehen konnte, so sehr geht es hier bergauf, griff er zum Holz 3 und versenkte wenige Minuten später wie schon in den Runden eins und zwei den Eagle-Putt. Sein Ergebnis während dieser Woche auf diesem Loch allein lag damit bei -7, denn in Runde drei verschob er den Putt und konnte lediglich ein Birdie notieren. Egal wo der Drive auch landet, wer dieses Loch spielt, sollte einen Ball neben einer dieser Platten droppen und zum Holz 3 greifen. Erst danach kann man verstehen, wie unglaublich gut Tiger Woods damals wirklich war.

Golfplätze in der Region

THE GROVE GOLF COURSE

THE GROVE GOLF COURSE

18 Löcher, Par 72, 6.539 Meter

Adresse
Chandler's Cross
Rickmansworth WD3 4TG
Tel. +44 1923.294266
www.thegrove.co.uk

Greenfee
ca. 197 Euro (Sonntag bis Dienstag),
ca. 225 Euro (Mittwoch bis Samstag),
ca. 120 Euro (Twilight), Sonderraten für Hotelgäste

Designer Kyle Phillips hat am Stadtrand von London aus einem weniger spektakulären Stück Land ein echtes Golfkunstwerk geschaffen. Kein Loch spielt sich strategisch wie das vorangegangene und es braucht hier einige Runden, bevor man die Nuancen und versteckten Kniffe dieses kompromisslosen Championship-Platzes kennen und schätzen lernt. Verschobene Putts sind hier stets die Schuld des Spielers, denn die Grüns gehören zu den besten des Kontinents.

Killerloch
Loch Nummer 4 ist ein 192 Meter langes Par 3, dessen Grün von einem gerade einmal zwei Meter breiten Kanal verteidigt wird. Dummerweise wirken diese zwei Meter Wasser vom Tee wie der Atlantik.

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