Featured StoriesFeatured Stories

Palm Springs – Teil 2

Operation Wüstengolf

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images, Lan Langenbein

Wer sich nur für ein paar Tage in der Gegend aufhält, muss La Quinta tatsächlich nicht verlassen, denn nicht nur die Golfplätze in PGA West sind erstklassig, sondern auch das Resort, das bereits seit 1926 Gäste beherbergt, zählt zum Besten und Coolsten, was das Coachella Valley zu bieten hat. Dieser direkt zu Füssen der Santa Rosa Mountains gelegene Unterschlupf ist in seiner Entwicklung direkt mit dem Aufstieg der nur zwei Autostunden entfernten Traumfabrik in Hollywood verbunden, denn die Stars der Filmbranche hatten von Beginn an Klauseln in ihren Produktionsverträgen, die es ihnen untersagten, sich während Drehpausen mehr als 100 Meilen von den Studios in Hollywood zu entfernen. Für die Zocker unter den Filmstars waren die Versuchungen von Las Vegas somit außer Reichweite und auch die Golfverrückten unter Hollywoods A-Liste wie Bob Hope, Bing Crosby oder Phil Harris mussten somit auf Ausflüge auf die viel weiter nördlich gelegene Monterrey-Halbinsel verzichten. Palm Springs und die Wüstenstädte liegen innerhalb des 100-Meilen-Radius rund um Hollywood und so traf sich hier seit Mitte der wilden 20er alles, was es sich leisten konnte, ein paar Tage zum Spaß in die Wüste zu fahren.

Zu dieser Zeit verschlug es auch Thomas A. O'Donnell nach Palm Springs, der mit der Filmindustrie zwar nichts zu tun hatte, als Ölmagnat aber ein Vermögen angehäuft hatte, von dem selbst Hollywood-Stars nur träumen konnten. Geld spielte keine Rolle, als er Anfang der 20er sein Ferienhaus in Palm Springs errichtete. Deshalb erwarb er gleich ein so großes Grundstück, dass im Garten unterhalb seines Hauses Platz für einen Neunloch-Golfplatz war. 1925 eröffnete mit dem O'Donnell Golf Club damit der erste Golfplatz in Greater Palm Springs und auch heute noch wird auf diesem historischen Boden Golf gespielt.

Palm Springs: Wasserknappheit in Kalifornien - nicht jeder macht mitPalm Springs: Wasserknappheit in Kalifornien - nicht jeder macht mit
Wasserknappheit in Kalifornien - nicht jeder macht mit

»
SEIT JAHREN STEHT DAS BOB HOPE HOUSE ZUM VERKAUF, DOCH BISHER FAND SICH KEINER, DER DIE 24,9 MILLIONEN DOLLAR FÜR EINE ARCHITEKTURIKONE LOCKER MACHEN WOLLTE.
«

1951 eröffnete mit dem Thunderbird Country Club der erste 18-Loch-Platz im Coachella Valley, der nicht nur vier Jahre nach seiner Eröffnung Ryder-Cup-Schauplatz wurde, sondern vom Fleck weg Austragungsort für Bing Crosbys berühmt-berüchtigtes Pro-Am-Turnier, das neben den ohnehin schon hier weilenden Größen aus dem Show-Business auch Weltklassegolfer wie Ben Hogan, Byron Nelson und Ken Venturi anlockte. Nach einem zweiten Platz im Vorjahr gewann Venturi das Turnier 1958 und bekam für seinen Sieg nicht nur einen Umschlag mit 20 druckfrischen 1.000-Dollar-Scheinen vom Gastgeber überreicht, sondern auch die Schlüssel für einen Ford Thunderbird in die Hand gedrückt: Das Modell hatten die Autobauer nach dem Golfclub benannt.

Gleichzeitig mit dem Wachsen der Golfinfrastruktur begannen in den 50ern auch die Boom-Jahre in Palm Springs und eine elitäre Partygesellschaft fiel über das bis dahin relativ verschlafene Städtchen her. Diesen Jetsettern waren die vorhandenen Hotels und Resorts bei weitem nicht fein genug, also brachten sie ihre Architekten, die sich um die Entwürfe standesgemäßer Ferienhäuser kümmern sollten, gleich mit. Dieser Zeit, in denen der Champagner in Strömen floss und Geld kaum eine Rolle zu spielen schien, ist es zu verdanken, dass weltweit bekannte Architekten wie Albert Frey, Richard Neutra oder Frank Lloyd Wright hier Häuser entwarfen, die schnell zu Klassikern der Moderne wurden und heute noch das Stadtbild von Palm zu einem der architektonisch spannendsten in ganz Nordamerika machen. Während ihre zahlungskräftige Kundschaft im "Purple Room" oder im "Mediterranean Room", zwei der angesagtesten Nachtclubs der Stadt, die Gläser gen Decke reckte, überboten sich die Architekten mit einem vom Bauhaus und von der frühen Moderne in Europa eines Le Corbusier oder Walter Gropius inspirierten Stil, der als Desert Modernism in die Architekturgeschichte eingehen sollte. Es dabei noch etwas cooler und ausgefallener als der Saufkumpan von nebenan machen zu wollen gehörte damals zum guten Ton und Komplimente wie "Nettes Haus habt ihr da, aber wartet mal, was wir nächstes Jahr bauen werden!", waren die Normalität. Den Vogel in diesem "Mein Haus, mein Auto, mein Boot"-Spiel schoss allerdings kein Geringerer als Bob Hope ab, der sich in den 70ern von John Lautner ein "Haus" mit insgesamt 2.170 Quadratmetern Wohnfläche auf einen Bergrücken oberhalb von Rancho Mirage und Palm Springs bauen ließ, das in seinen Ausmassen alles bisher Gekannte in den Schatten stellte und sogar zum Politikum wurde, da seine überdimensionale, an ein gelandetes Raumschiff erinnernde Dachkonstruktion aus Kupfer die Piloten beim Landeanflug auf den Flughafen von Palm Springs blendete und für einige Beinahe-Crashs sorgte. Bob Hope war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits zu einer nahezu gottgleichen Figur des öffentlichen Lebens emporgestiegen, der sich niemand traute, nahe zu legen, sein neu gebautes Dach dunkel zu streichen. Wozu haben Piloten denn bitte diese schicken Sonnenbrillen? Seit Jahren steht das Bob Hope House nun zum Verkauf, doch noch fand sich niemand, der die 24,9 Millionen Dollar für eine der imposantesten Architektur-Ikonen des amerikanischen Westens locker machen wollte.

Palm Springs:
Es ist allerdings auch für weit weniger Dollars möglich, für ein paar Nächte in einem ehemaligen Herzstück amerikanischer Popkultur zu hausen, denn Frank Sinatras Haus "Twin Palms" samt seinen Aufnahmestudios kann heute als Ferienvilla gemietet werden. Die meisten Möbel sind noch dieselben, auf denen "Old Blue Eyes" nach einer Golfrunde im Canyon Country Club relaxte. Nicht einmal das gesprungene Waschbecken, das einer in der Hitze eines Ehestreits mir Ava Gardner geschleuderten Champagnerflasche zum Opfer fiel, wurde ersetzt.

VON DER MORDERNE IN DIE GEGENWART


Obwohl große Teile der Jetset-Partycrowd bereits in den 70er-Jahren nach Las Vegas weitergezogen sind, hat Palm Springs auch heute nichts vom Zauber der Boom-Jahre verloren. Noch immer gibt es Resorts, hinter deren blickdichten Hecken das Tragen von Kleidung jeglicher Art verpönt ist. Noch immer steigen in den heißesten Bars der Stadt wie der Bar des "Ace Hotel" während der Winterwochen, wenn die Temperaturen auf angenehme 30 °C sinken, ausschweifende Partys. Und aus Show-Biz-Legenden wie Frank Sinatra sind mittlerweile Mega-Stars der Gegenwart wie Leonardo DiCaprio geworden, der sich vor einigen Jahren eine Perle des Desert Modernism unter den Nagel gerissen hat und nach langer Renovierungsphase nun gerne seine Wochenenden mit ständig wechselnden Model-Freundinnen hier verbringt.

Aus Frank Sinatras ehemaligem Spielplatz, dem Canyon Country Club, ist mittlerweile das nicht nur öffentliche, sondern auch absolut preiswerte Indian Canyons Golf Resort geworden, das es jedem Gast ermöglicht, für wenige Dollars auf den golferischen Spuren des Rat Pack zu wandeln.

Palm Springs: Preis des Präsidenten: Kein Mensch interessierte sich für Scott Hoch
Preis des Präsidenten: Kein Mensch interessierte sich für Scott Hoch
Die Bob Hope Classic heißt heute Humana Challenge und zählt zusammen mit dem AT&T National Pro-Am in Pebble Beach immer noch zu den grössten Pro-Am-Turnieren der Welt, ist Teil der West Coast Swing der PGA Tour und wie ihr Austragungsort so durch und durch amerikanisch, dass neun der Sieger der vergangenen zehn Jahre wie selbstverständlich auch Amerikaner waren.

Dass Palm Springs heute nicht zu einem Open-Air-Museum vertrocknet, dafür sorgen eine lebendige Kulturszene und das junge Partyvolk aus Los Angeles. Diese Teilzeitbewohner der Stadt stellen sicher, dass nicht nur regelmäßig ganze Bars leer getrunken werden, sondern auch Basketballkörbe an den Garagen von mehr als zehn Millionen Dollar teuren Architekturdenkmälern des Desert Modernism hängen und anstelle von klassischen Straßenkreuzern heute Ferraris und Porsche Turbos durch die Strassen von Palm Springs röhren.

Das Leben ist also immer noch süß in der Wüste Kaliforniens, und wer sich ganz genau umschaut, der kann sogar einen der wenigen Nicht-Amerikaner hier entdecken. Einer von ihnen heißt Werner und arbeitet bereits seit Jahrzehnten als Starter auf den Plätzen des PGA West. 1957 wanderte er aus Berlin aus und blieb schließlich hier hängen. Seine Heimatstadt hat er 1995 das letzte Mal besucht, also immerhin nach der Wende. Auf die Frage, warum er nach Palm Springs und nicht nach Sylt ausgewandert sei, schaut er nur ungläubig und bittet uns, nun endlich abzuschlagen.

Featured Stories