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Sorry, Etikette war aus – Teil 2

Die drei heftigsten Ryder Cups

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Und so lag während der gesamten Woche ein Hauch von Bürgerkrieg in der Luft und bierselige Fans verschafften ihrem Frust über die damals noch chronische Erfolglosigkeit der Bostoner Baseball- und Football-Teams mit gnadenlosen Zwischenrufen, unverblümten Beleidigungen und noch Schlimmerem Luft. Am Freitag wurde die Frau des europäischen Teamkapitäns Mark James angespuckt, am Samstag musste sich "Monty" während der Preshot-Routine den Zwischenruf "Schlag einen Socket, du fettes Schwein!" gefallen lassen, und als er am Sonntag bei seinem Einzel-Match gegen Payne Stewart auf dem neunten Abschlag ankam, brüllte ihm ein Fan eine Beleidigung entgegen, die Montgomerie derart aus der Fassung brachte, dass er sie bis heute nicht wiederholen möchte: "Es war ein Wort, wie ich es auf einem Golfplatz noch nie gehört hatte, und auf keinen Fall zu tolerieren." Selbst Stewart hatte zu diesem Zeitpunkt genug gehört und sorgte nicht nur für den Rausschmiss der Pöbler, sondern schenkte "Monty" in einer Geste des Respekts auf dem 18. Grün einen Putt zum Match-Gewinn.

Doch damit nicht genug der Bostoner außer Rand und Band, denn nur wenige Minuten vor dem Rausschmiss auf Tee neun ereignete sich an gleicher Stelle einer der unglaublichsten Zwischenfälle in der Geschichte des Ryder Cup. Andrew Coltart lag in seinem Match gegen Tiger Woods bereits 2down, als er seinen Ball ins Rough schlug. Selbst Prince Andrew, der dem Match folgte, half beim Suchen, doch als Coltarts Ball nach fünf Minuten immer noch nicht aufgetaucht war, musste der Schotte bedröppelt zum Abschlag zurückmarschieren, um Schlag drei zu spielen. Auf dem Weg zurück zum Tee blickte Coltarts Caddie Ricci Roberts zurück zu den Marshalls, die gerade noch beim "Suchen" geholfen hatten, und sah, wie sie sich abklatschten und "Job erledigt" zuriefen. "Einer der Marshalls stand während der gesamten Suche auf Andrews Ball, daran gibt es keinen Zweifel", gab Roberts später zu Protokoll. Kaum hatte Coltart seinen zweiten Abschlag gespielt, rief exakt dieser Marshall keine drei Meter vom Fairway entfernt: "Titleist mit einem blauen Punkt? Hier ist der Ball." Natürlich nicht bevor der Strafschlag bereits amtlich war.

Sorry, Etikette war aus: Blaumann: Er ist gekommen, um das Kabel zu reparieren
Blaumann: Er ist gekommen, um das Kabel zu reparieren

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SIE MÜSSEN DIE MOPPELIGEN, IN KELLERN WOHNENDEN NERVENSÄGEN, DIE VOLLGESTOPFT MIT COOKIE-TEIG UND SCHÄBIGEM BIER VOM HOTDOG-FRESSEN LEDIGLICH PAUSE MACHEN, UM 'BABA BOOEY' ZU GRÖLEN, BIS IHRE KÖPFE ROT WERDEN, ZUM SCHWEIGEN BRINGEN.
P. J. WILLETT
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41. RYDER CUP MATCHES 2016, HAZELTINE NATIONAL GOLF CLUB USA 17 - 11 EUROPA
Zwei Merkmale, abgesehen von einem cleveren und den Stachel möglichst tief bohrenden Spruch natürlich, machen guten Trash-Talk aus. Zunächst einmal die Relevanz des Trash-Talkers, schließlich kann jeder Möchtegern-Wegelagerer irgendwelchen Unsinn in die Welt posaunen. Zum Zweiten die Fähigkeit, dem gekonnten Trash-Talk auch Taten folgen zu lassen, damit dieser im Nachhinein auch als solcher Bestand hat und nicht wie ein armseliges Pfeifen im Walde in die Geschichte eingeht. Ersteres konnte Danny Willett vor den Matches 2016 in den USA zur Genüge verweisen. Im gleichen Jahr hatte er nicht nur einen dritten Platz bei der WGC-Cadillac Championship, sondern auch Siege bei der Dubai Dessert Classic und - zugegebenermaßen unter kräftiger Mithilfe von Jordan Spieth - beim Masters in Augusta gefeiert. Golferische Autorität, um verbale Seitenhiebe auf die Gegner von der anderen Seite des Atlantiks auszuteilen, war also in rauen Mengen vorhanden. Mit dem spielerischen Unterstreichen des zuvor Behaupteten haperte es in Hazeltine dann jedoch bei Danny Willett beträchtlich. Doch der Reihe nach.

Fairerweise sollte betont werden, dass nicht Danny, sondern sein Bruder Pete für die Kontroverse verantwortlich war, die ab zwei Tage vor Beginn des Turniers ihren Anfang nahm und nicht nur Fans und Journalisten weltweit in Aufruhr versetzte, sondern ihre Kreise bis in die Teamräume der beiden Mannschaften zog. Bereits während sein Bruder in Augusta den größten Titel seiner Karriere gewann, glänzte P. J. Willett auf Twitter mit messerscharfen Beobachtungen, unverkennbar britischem Humor und jeder Menge Insiderwissen. Während Danny in Hazeltine bereits seine Trainingsrunden spielte, krönte P. J. seine publizistische Laufbahn mit einer Kolumne, die im von einem besonders polarisierenden Präsidentschaftswahlkampf 2016 ohnehin schon am Rande des Nervenzusammenbruchs befindlichen Amerika einschlug wie eine Bombe. Äußerst eloquent erklärte P. J. die delikate Aufgabe, Spieler in Pärchen zu gruppieren, die jedem Team-Captain zukommt, und wie sehr diese Entscheidungen zum potenziellen Sieg beitragen. Als wichtigsten Faktor für einen wünschenswerten europäischen Sieg macht der Autor jedoch die Notwendigkeit aus, dem amerikanischen Publikum umgehend den Euphoriezahn zu ziehen: "Sie müssen die moppeligen, in Kellern wohnenden Nervensägen, die vollgestopft mit Cookie-Teig und schäbigem Bier beim Hotdog-Fressen lediglich Pause machen, um 'Baba booey' zu grölen, bis ihre Köpfe rot werden, zum Schweigen bringen. Sie müssen den wütenden, ungewaschenen ,Make America great again'-Mob so schocken, dass sie verzweifelt zu ihren verdeckt getragenen Knarren greifen und das eine Mini- Erektion auslösende ,Mashed Potatoes' in die Welt plärren, mit der sie allenfalls ihre Cousinen beeindrucken."

Wenige Tage nach der zweiten TV-Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump verstand bei diesem Thema absolut niemand im Gastgeberland irgendwelchen Spaß.

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Um den vorprogrammierten Shitstorm im Keim zu ersticken, erschien Danny Willett umgehend sichtlich zerknirscht im Studio des Golf Channel zum Interview: "Ich möchte mich entschuldigen. Das ist nicht meine Sichtweise der amerikanischen Fans und auch nicht die unseres Teams. Ich habe mit meinem Bruder darüber gesprochen und ihm gesagt, wie enttäuscht ich von diesem schlechten Artikel bin, der zu einer Unzeit veröffentlicht wurde." Wenig später auf dem Platz ließen Zehntausende Fans Danny Willett dennoch unmissverständlich wissen, wie es um ihre Meinung zu ihm und seinem Bruder bestellt ist. Und auch das amerikanische Team hielt sich nicht zurück, indem es in Form von Brandt Snedeker, Brooks Koepka, J.B. Holmes und Ryan Moore Danny Willett in seinen drei Matches, die Captain Darren Clarke seinem angezählten Rookie an diesem Wochenende zutraute, nach allen Regeln der Kunst den Hosenboden versohlte. Auf der abschließenden Pressekonferenz süffisant nach der Einschätzung seiner ersten Ryder-Cup-Erfahrung gefragt, hatte Danny Willett nur ein Wort zu sagen: "Scheiße!" Und nach schallendem Lachen im Saal: "Entschuldige soll ich das noch weiter ausführen? Wirklich scheiße."

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