IM WINDKANAL
Was am Vortag der Regen war, ist nun der Wind. Wobei "Wind" der Sache nicht gerecht wird: Ein ausgewachsener Sturm fegt an diesem Samstag nicht nur über unser Zelt, sondern bläst auf dem Old Course auch den Sand aus den Bunkern sowie die Bälle vom Grün und es braucht keinen Propheten, um vorauszusehen, dass hier und heute kein Golf gespielt wird. Tim hält sich selbst und auch uns allerdings für deutlich wetterfester als die verweichlichten Herren Golfprofis: "Ein freier Tag. Perfekt. Lasst uns nach Crail fahren und selbst den Schläger schwingen! Ich bin heiß." 20 Autominuten später am westlichsten Punkt des Kingdom of Fife angekommen, ist aus dem Wind ein Orkan geworden, der es uns nicht einmal erlaubt, die Türen unseres Wagen zu öffnen. Kommando zurück, hier wird heute keiner Golf spielen. Schade, eigentlich ein guter Plan, die gesparten 80 Pfund Eintritt in ein Greenfee und ein paar Bier zu investieren. Da auch aus dem Greenfee nichts wird, bleiben nur noch die Biere.
»HIER WIRD HEUTE KEIN GOLF GESPIELT. SCHADE, EIGENTLICH EIN GUTER PLAN, DIE GESPARTEN 80 PFUND EINTRITT IN EIN GREENFEE UND EIN PAAR BIER ZU INVESTIEREN. DA AUCH AUS DEM GREENFEE NICHTS WIRD, BLEIBEN NUR NOCH DIE BIERE.«
Als optimalen Platz, die Action entspannt zu verfolgen, haben wir mittlerweile die zahlreichen Sitzsäcke vor der riesigen Videoleinwand ausgemacht, die zwischen Champagnerzelt und Glenmorangie-Bar strategisch perfekt positioniert sind. "Es macht eigentlich nicht viel aus, dass Rory nicht hier ist", sagt ein kleines Mädchen neben uns zu seiner Mutter und es ist seit unserer Ankunft in St. Andrews tatsächlich das erste Mal, dass uns der Name Rory McIlroy zu Ohren kommt. Selbst die Nummer eins der Welt ist eben nicht grösser als St. Andrews und die Open Championship.
Während sich Dustin Johnson mit drei finalen Birdies an diesem Abend aus dem Rennen schießt, kommt uns ein anderer Name ebenfalls zum ersten Mal zu Ohren: Paul Dunne. Der 22 Jahre alte Amateur aus Dublin spielt College-Golf für die University of Alabama und gibt erst nach der Runde zu: "Während der letzten Löcher war ich höllisch aufgeregt." Während seiner bogey-freien 66er- Runde war davon nichts zu sehen. Ein Amateur verlässt am späten Sonntagnachmittag das 18. Grün des Old Course als geteilter Führender. So wahr dieser Satz heute ist, so sensationell hätte er noch vor einer Woche geklungen. Doch leider haben Paul Dunne und alle seine Kollegen erst 54 Löcher hinter sich gebracht.
COUCHFINALE
Wir sitzen bereits im Flugzeug zurück nach Hamburg, als Phil Mickelson seinen Drive an der 17 auf einen Balkon des "Old Course Hotel" drischt und Bernhard Langer seine 30. Open Championship beendet, und wenig später fahren wir im Taxi ins Büro, als Martin Kaymer nach einer lupenreinen 68 das Leaderboard weit nach oben klettert und sein zweitbestes Ergebnis bei der Open nach Hause bringt. Nach dem Ausfüllen der Spesenzettel errechnet unser Chefstatistiker, dass ein Tag Open Championship für jeden von uns mit Eintritt, Essen, Trinken und abendlichem Amüsement mit durchschnittlich 198 Euro zu Buche schlug. Auf dem großen Flatscreen bringt sich Paul Dunne mit einem hypernervösen Auftakt, der einen 20 Meter zu kurzen Pitch und einen Abschlag auf das zum Trainingsgrün umfunktionierten 18. Grün des New Course beinhaltete, um die Chance, Golfgeschichte zu schreiben.
Ist eine Fanwallfahrt zur Open knappe 200 Euro am Tag wert? Selbstverständlich! Insbesondere in St. Andrews, wo vier Stunden später Jordan Spieth' Grand-Slam- Träume im Valley of Sin zerschellen und Zack Johnson nach einem epochalen Play-off seinen Ball als Champion Golfer of the Year aus dem 18. Loch fischt.