Featured StoriesFeatured Stories
Royal West Norfolk Golf Club: Loch Nr. 4, 117 Meter Spaß ohne Ende!

Der Blick des Architekten

Die Templates Vol.2 - Short

Von Tony Ristola, Fotos: Illustrationen: Tony Ristola

Unser Kolumnist weiß, warum ein auf den ersten Blick unscheinbares, in die Dünen gequetschtes Par 3 an der Ostküste Englands im vergangenen Jahrhundert zur Vorlage Dutzender Kopien in aller Welt wurde und Golfspieler heute noch zum Fluchen bringt.

In der letzten Ausgabe haben wir eine Reise begonnen, in deren Verlauf wir die charakteristische Methode des Golfplatzarchitekten C.B. Macdonald und seines Mitarbeiters Seth Raynor untersuchen wollen, insbesondere das Zurückgreifen der beiden auf eine Sammlung von Konzepten und Merkmalen, die C.B. Macdonald während seiner Reisen zu berühmten Golfplätzen auf den britischen Inseln in den Jahren 1902 und 1904 angelegt hatte. Die Architekten kopierten diese sogenannten Templates nicht eins zu eins, vielmehr extrahierten sie deren Essenz, um sie den Umständen und Gegebenheiten späterer Golfplatzbau-Projekte anzupassen.

In diesem Monat werden wir eines ihrer berühmtesten Templates untersuchen: das Short Hole. Die Inspiration zu diesem Design geht auf die heutige vierte Spielbahn eines immer wieder umgebauten Links-Platzes namens Royal West Norfolk GC aus dem Jahre 1892 zurück. An diesem Beispiel wird schnell ersichtlich, wie der ursprüngliche Geist eines Golflochs auf später designte Anlagen übertragen und dabei verfeinert wurde.

"Short" verrät das Konzept einer Spielbahn bereits im Namen, denn es handelte sich um das kürzeste Loch des Golfplatzes. Mit einer Länge zwischen 115 bis 140 Metern von den Backtees war es jedoch alles andere als ein Kinderspiel. Die Versionen dieses Konzepts, die Macdonald und Raynor anlegten, sind allesamt dramatische Spielbahnen, selbst wenn sie auf topfebenem Land gebaut wurden.

Der Blick des Architekten: St. Louis Country Club
St. Louis Country Club

»
Die Versionen dieses Konzepts, die Macdonald und Raynor anlegten, sind allesamt dramatische Spielbahnen, selbst wenn sie auf topfebenem Land gebaut wurden.
«

Das Originaldesign zu beschreiben ist nicht schwer. Das Grün ähnelt einem kastenförmigen Geburtstagskuchen, was zu einer erhöhten Putting-Oberfläche von etwa 660 Quadratmetern Größe führt, der in einen flachen Hügel gebaut wurde. Um die Kanten dieses "Kuchens" zu stabilisieren, wurden vor das Grün und rechts davon Eisenbahnschwellen in der Böschung verbaut, die der Spielbahn die optische Anmutung einer wahren Festung verleihen. Gleichzeitig verdeutlichen sie die Aufgabe unmissverständlich: Ein erfolgreicher Schlag muss diese Wand aus Bahnschwellen unbedingt überwinden. Heute befinden sich drei kleine Bunker vor der Wand, die den Anschein erwecken, erst später angelegt worden zu sein. Wer dieses Grün kurz, links oder rechts verfehlt, wird sich in jedem Fall mit einem äußerst kniffligen Recovery-Schlag in Richtung Fahne konfrontiert sehen. Lediglich rechts hinter dem Grün bietet eine flache Stelle die Möglichkeit, das Ziel halbwegs unbeschadet zu verfehlen. Der Wind peitscht dem Golfer auf dieser Spielbahn normalerweise von vorne ins Gesicht oder kommt von der Seite, was das Treffen des Grüns zusätzlich erschwert.

Die von Macdonald und Raynor gebauten Versionen dieser Spielbahn teilen allesamt die zuvor beschriebenen Charakteristiken. Das Grün liegt mindestens eineinhalb Meter über dem umgebenden Gelände. Die Bunker rundherum reichen bis an die Grünkanten heran und fallen nicht nur tief aus, sondern verfügen zudem über extrem steile Wände. Liegt das Loch auf hügeligem Gelände, können diese Bunker tatsächlich bis zu fünf Meter tief ausfallen. Grüns, die nicht komplett von Bunkern umgeben sind, befinden sich meist auf dramatisch onduliertem Land und fallen auf mindestens zwei Seiten drei bis sechs Meter tief in Sandfallen ab. Eine Short-Spielbahn verlangt Präzision und Distanzkontrolle. Aber das ist lediglich der Schlag vom Tee. Ein Par oder sogar Birdie kann nach einem Grüntreff er noch längst nicht automatisch notiert werden.

Die Grüns an sich weisen ebenfalls wiederkehrende Merkmale auf. Die meisten von ihnen verfügen über zwei Ebenen. Jedoch mit einem Kniff, denn oft erscheint es, als hätte jemand einen gigantischen Daumenabdruck in der Mitte des Grüns hinterlassen, um die höher liegende hintere Ebene des Grüns abzutrennen und der unteren Konturen zu verleihen. Manchmal sind die Grüns auch zu einer Seite hin geneigt und vermitteln den Eindruck, unter ihnen wäre ein riesiges Hufeisen vergraben worden, während wieder andere - diese sind meist die größten Grüns im Vergleich - den Anschein erwecken, einen Elefanten mitten unter sich begraben zu haben.

Der Blick des Architekten: The Creek Club: typische Merkmale eines Macdonald & Raynor Short Hole
The Creek Club: typische Merkmale eines Macdonald & Raynor Short Hole
Die kleinsten Grüns eines Short Hole haben etwa die Größe eines durchschnittlichen Grüns hierzulande (550 Quadratmeter), die meisten sind allerdings mindestens eineinhalbmal so groß wie typische moderne Grüns. Die sogenannten Elefantengräber können sogar bis zu zweieinhalbmal so groß ausfallen und sind für heutige Golfer schlichtweg riesig.

Jeder Golfplatz sollte über eine amüsante und gleichzeitig spannende kurze Spielbahn verfügen, denn diese Löcher sind nicht nur für eine große Bandbreite von Golfern gut spielbar, sondern liefern auch den größtmöglichen Spaß für die Mitglieder des Clubs, die diese Bahn immer wieder in Angriff nehmen.

Für Golfplatzarchitekten erfüllen diese Short Holes mehrfachen Nutzen. Nicht nur helfen sie, den Rhythmus einer Golfrunde zu verändern, sie eignen sich auch hervorragend dazu, eine knifflige Ecke des vorhandenen Grundstücks elegant wie der zu verlassen, sollte diese Probleme mit dem Routing hervorrufen. Auf hügeligem Gelände ist ein kurzes Par 3 in der Lage, eine dramatische Spielbahn zu liefern und dabei geschickt zu kaschieren, dass es eigentlich lediglich als Bindeglied zwischen zwei auf weitaus vorteilhafterem Land gebauten Golflöchern dient.

Macdonald und Raynor haben gezeigt, dass selbst auf komplett unspektakulärem und ebenem Land ein Short Hole ein wahres Highlight des Platzes sein und dazu noch äußerst preiswert gebaut und unterhalten werden kann.

 
DER AUTOR

DER AUTOR

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

Featured Stories