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North Berwick Golf Club Loch 13, Par 4, 366 Meter - The Pit

Der Blick des Architekten

'ne glatte 10!

Von Jan Langenbein, Fotos: Tony Ristola

Spieglein, Spieglein an der Wand - was ist der beste Golfplatz in diesem und in jedem Land? Die Frage ist beinahe so alt wie das Golfspiel selbst und Golf-Rankings verschiedenster Ausprägungen versuchen immer wieder aufs neue, sie zu beantworten. Unser Kolumnist Tony Ristola weiß, warum das Bewerten von Golfanlagen weit mehr als reine Geschmackssache ist.

Der größte Nutzen von Golfplatz-Rankings liegt darin, dass sie Diskussionen darüber auslösen können, was schlecht, was gut und was sogar großartig an weltberühmten Plätzen, Spielbahnen, Grüns und Hindernissen ist. Um jedoch ein wirklich repräsentatives Ranking zu erhalten, muss zunächst einmal definiert werden, was bei der Bewertung von Golfplätzen wirklich wichtig ist. Sobald belanglose Komponenten in die Berechnungsmethode einfließen, kann eine Liste nicht mehr ernst genommen werden.

Viele Weltklasse-Golfplätze geben ihre Geheimnisse nicht nach einer gespielten Runde preis - und auch nicht nach zehn. Sie betören und frustrieren den Golfer, sie bieten Herausforderungen, die nicht umgehend gelöst werden können, und sie verlangen kreative Schläge, die selbst die besten Spieler an oder sogar über ihre Grenzen bringen. Ein guter Golfplatz bringt dich zum Nachdenken, er inspiriert dich. Er ist gleichzeitig interessant, wunderschön und weicht von der Norm ab. Deshalb lautet die oberste Regel beim Bewerten eines Golfplatzes: Die Tatsache, dass er in der Lage war, dir in den Arsch zu treten, sollte die Bewertung nicht beeinflussen.

Um das zu erreichen, braucht man einen gemeinsamen Nenner, eine Referenz, mit der wir alle anderen vergleichen können. Diese Ausgangsbasis sollten die besten Plätze der Welt sein und alle, die nicht an diese Perfektion heranreichen, bekommen Punkte abgezogen. Wenn die besten der besten Plätze 10 Punkte erhalten und durchschnittliche Golfplätze mit 3 oder 4 Punkten bewertet werden, haben wir ein Koordinatensystem geschaffen, in das sich jede Golfanlage einordnen lässt.

Im Folgenden möchte ich eine Liste von Elementen aufzählen, die mir immer wieder in Rankings als Bewertungskriterien begegnen. Diese Eigenschaften halten viele Golfer bei der Beurteilung einer Golfanlage für wichtig, doch meiner Meinung nach sind nicht alle von ihnen belastbare Eigenschaften.

ROUTING
Der Verlauf der Spielbahnen auf dem gegebenen Gelände ist entscheidend und bestimmt, wie gut das Design die Eigenschaften der Landschaft zu seinem Vorteil nutzt und wie die Übergänge von einem Loch zum nächsten sind. Beim Betrachten einer Abfolge von Spielbahnen achte ich auf ihre Vielfalt - nicht nur beim Verlauf, sondern auch bei den Schlägen, die sie dem Golfer abfordern. Genauso wichtig ist, ob die Löcher die natürlichen Landformen bestmöglich nutzen und die Golfer zu den spektakulärsten Punkten des Geländes führen. Ein gutes Routing schafft all das. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich im Ablauf der Spielbahnen Skurrilitäten verbergen wie zum Beispiel direkt aufeinanderfolgende Par-3- oder Par-5-Löcher, sogar ein Par 3 als Auftakt oder Schlussloch eines Platzes. Solche verschrobenen Eigenarten sind selbst auf großartigen Plätzen zu finden, einer der besten Golfplätze aller Zeiten verfügt tatsächlich über beides: aufeinanderfolgende Par-3- und Par-5-Löcher. Weißt du, welchen ich meine?*

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"Fair" ist in Bezug auf Golfplatzdesign meist ein Synonym für "langweilig". Das Leben ist nicht fair und genauso verhält es sich auch mit großartigen Golfplätzen.
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GRÜNS... UND IHRE VERTEIDIGUNG
Zusammen mit dem Routing geht es beim Aufbau der Grünkomplexe ans Eingemachte im Hinblick auf gutes Design. Sind die Grüns nichts weiter als eine Abfolge ebener Flächen umgeben von uninspirierter Topografie, interessiert es mich nicht, wie großartig andere Aspekte dieses Golfplatzes ausfallen, er bekommt von mir Punktabzüge - und zwar kräftig. Eine Möglichkeit zu analysieren, wie interessant die Grünkomplexe einer Anlage sind, besteht darin, vor dem geistigen Auge sämtliche Hindernisse vom Abschlag bis zum Grün auszublenden: Wenn weder Bäume noch Bunker oder Wasserhindernisse vorhanden wären, würde das Grün trotz des weit offenen Fairways immer noch für ein interessantes, herausforderndes Loch sorgen? Noch weiter gedacht: Man stelle sich vor, aus den Grünbunkern würde aller Sand verschwinden und durch kurz gemähtes Gras ersetzt. Würde dieses Grün immer noch genügend Anforderungen an das kurze Spiel stellen? Interessante Grünkomplexe sind der Grund, warum Augusta National oder Pinehurst No. 2 auch heute noch die besten Golfer der Welt vor knifflige Aufgaben stellen und gleichzeitig für Hobbygolfer spielbar bleiben.

Der Blick des Architekten:
Der Golfclub am Obinger See
Loch 1, Par 5, 469 Meter
Bei diesem Loch, das ich vor einigen Jahren entworfen habe, kommt eine Straße beziehungsweise eine Ausgrenze beim zweiten Schlag massiv ins Spiel. Das Grün fällt aufgrund einer steilen Kante links und eines Bunkers rechts umso schmaler aus, je sicherer ein Golfer den zweiten Schlag spielt


STRATEGISCHE ÜBERLEGUNGEN
Golflöcher sollten unterschiedliche Spielstrategien und Schlagvarianten nicht nur ermöglichen, sondern einfordern. Fairway-Bunker, die Loch für Loch gleich weit von den Abschlägen entfernt sind, und Grüns, die immer wieder auf dieselbe Art und Weise verteidigt werden, lassen Golfplätze monoton erscheinen und somit oft langweilig. Jede einzelne Spielbahn sollte Golfer mit einem neuen und eigenständigen Problem konfrontieren und gleichzeitig unterschiedliche Lösungsansätze zulassen.

LÄNGE
Die Gesamtlänge eines Golfplatzes sollte lediglich als Hilfsmittel dienen, einen Golfplatz abwechslungsreich zu gestalten. Wenn ein Platz aus einer ausgewogenen Mischung aus längeren und kürzeren Spielbahnen bestehen soll, darf seine Länge keine Rekordwerte erreichen.

FAIRNESS
Ein plattes Feld mit flachen Grüns wäre fair. "Fair" ist in Bezug auf Golfplatzdesign meist ein Synonym für "langweilig". Das Leben ist nicht fair und genauso verhält es sich auch mit großartigen Golfplätzen. Es ist interessant, herausfordernd, manchmal spaßig und oft auch wirklich frustrierend.

EINZIGARTIGKEIT
Golfplätze von Weltrang verfügen über einen ausgeprägten und eigenständigen Charakter. Dieser ergibt sich aus dem vorhandenen Land im Zusammenspiel mit den Ideen des Architekten und ihrer Umsetzung. Und damit meine ich nicht, einfach Hügel an den Seiten der Fairways aufzuschieben oder die natürlichen Eigenschaften des Grundstücks vollkommen zu zerstören, um einen bizarren Themenpark zu schaffen.

SCHRULLIGKEIT
Dieser Punkt unterscheidet sich von der vorangegangenen "Einzigartigkeit". Er beschreibt die vor allem auf älteren Plätzen vorhandenen, außergewöhnlichen Momente. Meist sind es natürliche Elemente, manchmal auch unbewegliche Hemmnisse oder historische Stätten, die ins Design einbezogen wurden und einzelne Spielbahnen dadurch interessant, amüsant, schlicht anders machen. Tauchen solche Eigenarten zu oft auf einem Golfplatz auf, können sie allerdings schnell in schlechtes Design umschlagen.

BÄUME
Alter Baumbestand kann ein wundervolles Element eines großartigen Golfplatzes sein, doch es kann auch ins Gegenteil umschlagen. Zu viele Bäume oder Bäume an den falschen Stellen können nicht nur die Strategie einzelner Spielbahnen, sondern auch die Ästhetik und Agrarökonomie einer ganzen Golfanlage zerstören. Ist jede Spielbahn von hohen Bäumen gesäumt oder sorgen sie dafür, dass sich Spielbahnen nicht nur optisch, sondern auch strategisch wiederholen, bereichern sie das Golfspiel nicht. Und wenn sie dann auch noch Aussichtspunkte blockieren und wundervolle Bodenkonturen kaschieren, schaden sie immens.

BLINDE SCHLÄGE
Die Golfgeschichte ist gespickt mit weltberühmten und großartigen Plätzen, die dem Spieler blinde Schläge abverlangen. Zu viele davon können der Qualität eines Golfplatzes jedoch abträglich sein.

WASSER
Es braucht keine Wasserhindernisse für einen Spitzengolfplatz. Viele der besten Plätze der Welt konfrontieren Spieler kein einziges Mal mit Wasser im Verlauf einer Runde. Auch Deutschlands bester Golfplatz, der Hamburger Golfclub in Falkenstein, ist vollkommen frei von Wasserhindernissen. Kommt Wasser als Designelement auf einem Golfplatz zum Einsatz, sollte es in Maßen eingesetzt werden und natürlich wirken. Es gibt kaum eine schlimmere Designsünde als den offensichtlich künstlichen Teich am Fuße eines Hügels, der von einer künstlichen Böschung in Zaum gehalten wird - nur weil der Club unbedingt ein Wasserhindernis wollte.

PAR
Die meisten Plätze, auf denen heute Major-Turniere ausgetragen werden, verzeichnen kein Par von 72 auf der Scorekarte. Ein großartiger Golfplatz kann zwischen 67 und 74 jeden Wert als Par aufweisen. Die geforderten Schläge, die einzelnen Spielbahnen und ihre Besonderheiten sind entscheidend für die Qualität eines Platzes, die Maßeinheit Par ist vollkommen irrelevant.

SCHÖNHEIT
Verströmt eine Golfanlage die Aura natürlicher Schönheit? Werten die Designmerkmale das gegebene Land auf? Nahezu alle großartigen Golfplätze perfektionieren die Natur. Sie haben etwas Ehrfurcht Gebietendes an sich.

CLUBHAUS
Das Clubhaus spielt für die Bewertung eines Golfplatzes ebenso wenig eine Rolle wie das Essen im Restaurant oder das Servicepersonal. Es ist unwichtig. Irrelevant. Belanglos. Es trägt nichts zur Qualität der Spielbahnen bei und darf daher nicht beachtet werden. Ich würde einen wundervollen Golfplatz mit einer Gartenlaube jederzeit einer langweiligen Wiese mit dem Tadsch Mahal als Clubhaus vorziehen.

PFLEGEZUSTAND
Ich habe diesen Punkt für das Ende der Liste aufgespart, weil exzellente Platzpflege oft mittelmäßiges, ja, sogar schlechtes Design übertüncht. Der Pflegezustand einer Golfanlage sollte nicht allzu sehr in die Bewertung ihrer Qualität einfließen. Die meisten guten Golfplätze sind anständig gepflegt. Mehr ist nicht nötig. Um es klarzustellen: Ein optimal gepflegter Golfplatz zeichnet sich dadurch aus, wie sich die Bodenverhältnisse auf das Spiel auswirken und nicht durch seine Farbe. Feste, ja, sogar harte und schnelle Untergründe sind optimal. Aus diesem Grund werden Open Championships und in den letzten Jahren auch die US Open auf Plätzen ausgetragen, deren optische Erscheinung oft mehr braun als grün ausfällt. Das Golfspiel wird dadurch unendlich interessanter und vielseitiger, da sich Bodenkonturen und verschiedene Graslängen weitaus spürbarer ins Spiel einbringen.

Aus all diesen Faktoren verschiedener Golfplatz-Rankings sind meiner Meinung nach nur vier wirklich entscheidend. Was meinst du, welche es sind?**

** Routing, Grüns... und ihre Verteidigung, Strategische Überlegungen und Schönheit

 
Der Autor

Der Autor

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie als Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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