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Golf am Matterhorn

Hoher Ballflug

Von Jan Langenbein, Fotos: Thilo Larsson & Mike Meyer

Bei Europas höchstem Golfturnier gibt es weder Weltranglistenpunkte noch Preisgeld und trotzdem ist es den Organisatoren gelungen, ein Event auf die Beine zu stellen, das sich jeder abenteuerlustige Golfer in den Kalender schreiben sollte.

Die Touristen, die aus aller Welt nach Zermatt kommen, tun dies aus den unterschiedlichsten Gründen. Sei es zum Beispiel, um die spektakuläre Bergwelt des Wallis im Sommer mit dem Mountainbike zu erkunden, im Winter mit Skiern oder dem Snowboard Spuren in den Schnee zu carven oder einfach um einen staunenden Blick auf den Berg schlechthin werfen zu können: das Matterhorn. Golf steht nicht unbedingt auf der To-do-Liste der Gäste hier oben und so schwanken die Blicke am Bahnhof mitten in Zermatt zwischen Ungläubigkeit und Skepsis, als um 7:10 Uhr eines Septembermorgens einige Dutzend Enthusiasten den Zug in Richtung des 3.089 Meter hoch gelegenen Gornergrats besteigen. Wanderschuhe, Funktionsjacken und Strickmützen: Optisch ist die Gruppe kaum von den anderen Wandersleuten und Gipfelstürmern zu unterscheiden. Wären da nicht die Golftaschen, die sportlich geschultert werden und natürlich für Aufsehen sorgen.

Rotenboden heißt die letzte, auf 2.819 Metern über dem Meer gelegene Station, bevor die Gornergrat-Bahn den Gipfel erreicht. Hier haben die Golfer auf fremdem Terrain ihr Ziel erreicht. Eigentlich ist der September in Zermatt ein recht verlässlicher Monat, was das Wetter angeht. Die Gefahr von Gewittern hat sich gemeinsam mit dem Sommer verabschiedet und auf die zahlreichen Gäste, die es zu dieser Jahreszeit nach Zermatt zieht, warten angenehme Herbsttage. An diesem Morgen empfängt der Gornergrat seine Gäste jedoch mit anderthalb Zentimetern Neuschnee und einer gefühlten Temperatur von 5 °C und unter den Spielern macht sich Skepsis breit. Weniger wegen des Schnees und der Kälte - als Abhilfe gegen diese Unwägbarkeiten gibt es schließlich neongelbe Bälle und Thermounterwäsche -, es ist der dichte Nebel, der den Organisatoren und Teilnehmern des 26. Eagle Cup Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

Nebel ist hier und heute doppelt bitter. "Der verhindert nicht nur, dass wir den Ballflug verfolgen können, sondern nimmt uns auch die Sicht auf die einmalige Kulisse", ärgert sich Dario Perren und untertreibt damit kein bisschen. In puncto Kulisse kann dem Eagle Cup, der von 29 Viertausendern umgeben ist, darunter das Matterhorn, kein anderes Golfturnier auf der Welt das Wasser reichen. Doch nun gibt es kein Zurück mehr, schließlich haben Dario und das Organisationskomitee wochenlang auf diese Veranstaltung hingearbeitet und am Tag zuvor auf knapp 3.000 Metern Höhe Fahnen gesteckt und Schnee geschaufelt.

Golf am Matterhorn: Hat abgenommen: The RockGolf am Matterhorn: Hat abgenommen: The Rock
Hat abgenommen: The Rock

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DIE SPIELBAHNEN DORT OBEN VARIIEREN VON EINEM KURZEN PAR 3 MIT GERADE EINMAL 106 METERN LÄNGE BIS ZU EINEM STATTLICHEN PAR 6 ALS SCHLUSSLOCH. ENTFERNUNGEN SIND AUF 2.800 METERN ALLERDINGS SELBSTVERSTÄNDLICH RELATIV.
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Im Übrigen ist Dario hier in den Bergen aufgewachsen und kann wie kaum ein anderer die Wettersituation im hochalpinen Gelände einschätzen. Und so gehen bei leichtem Schneefall und ziemlich dichten Nebel die ersten Gruppen auf die Runde. Eine Entscheidung, die sie nicht bereuen sollen, bereits wenig später driven und chippen sich die Golfer unter blauem Himmel durch die atemberaubende Landschaft rund um das Matterhorn.

Darios Vater Peter war 1991 einer von fünf einheimischen Fanatikern, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, den Golfsport in eine Bergdestination wie Zermatt zu bringen. Einen Golfplatz im klassischen Sinne gab es damals hier oben noch nicht, dafür jede Menge hochalpine Freiflächen umgeben von Viertausendern und so wurde die Idee entwickelt, eine Bergwanderung mit neun Löchern Crossgolf zu verbinden. Der Eagle Cup war geboren.

Mit seiner 25. Auflage im Jahr 2016 fand das Turnier jedoch vorerst zum letzten Mal statt - ein Umstand, der den heute 33 Jahre alten Ski- und Golflehrer ungemein ärgerte. "Ich habe mir im vergangenen Jahr gedacht, dass der Eagle Cup und das Adventure Golf in Zermatt nicht sterben dürfen", und so griffen Dario und seine Kollegen vom Golfclub Matterhorn die traditionsreiche Geschichte des Turniers wieder auf.

1986 geboren war Dario beim ersten Eagle Cup fünf Jahre alt und kann sich nur noch äußerst vage an die Pionierleistung der Clique um seinen Vater erinnern. Vor dem Golf kam für einen gebürtigen Zermatter aber selbstverständlich der Skisport. Bis zum Alter von 21 Jahren nahm Dario an FIS-Rennen teil und wechselte direkt nach seiner Rennkarriere ins Skilehrer-Business. Heute bildete er schweizweit Skilehrer aus. Wie jeder Skilehrer musste sich jedoch auch Dario die Frage stellen: "Was mache ich im Sommer?" Das viele Reisen hatte er satt und er war ohnehin längst zur Überzeugung gekommen, dass es nirgendwo auch nur annähernd so schön ist wie in seiner Heimat Zermatt. Golf spielte er damals bereits seit vielen Jahren leidenschaftlich und beschloss bei Handicap 3,8 angekommen, 2014 die Ausbildung zum Swiss PGA Pro zu beginnen.

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Unterricht gibt er mittlerweile auf dem 2004 eröffneten Golfplatz des Golfclub Matterhorn, der nicht nur Golfer zu einer traditionellen Runde Golf nach Zermatt lockt, sondern dem Eagle Cup auch ein Upgrade zur Zweitageveranstaltung ermöglichte. Am ersten Tag die Adventure-Golf-Runde auf mehr als 2.500 Metern Höhe: Gebraucht werden eine klassische Wanderausrüstung, festes Schuhwerk, Regenschutz, Sonnenbrille und drei Golfschläger. "Ein langes Holz, ein Eisen 7 und ein Pitching Wedge reichen aus, um unseren Platz am Gornergrat zu spielen", empfiehlt Dario. Die Spielbahnen dort oben variieren von einem kurzen Par 3 mit gerade einmal 106 Metern Länge bis zu einem stattlichen Par 6 als Schlussloch. Entfernungen sind auf 2.800 Metern allerdings selbstverständlich relativ. Zum einen ermöglicht die Schweizer Flora in dieser Höhe kaum Roll, zum anderen lässt die Höhenluft selbst mittelmäßige Golfer zu kleinen Brooks Koepkas werden. Dario ist sich sicher, dass die Bälle dort oben im Schnitt 25 Prozent weiter fliegen als auf schottischen Links-Plätzen. Es kann also durchaus passieren, dass man einen Bomben-Drive aus den Augen verliert. Kein Problem: "Wir spielen mit gelben Bällen, weil sie auch nach einem langen Drive für jeden Golfer mit guten Augen jederzeit leicht wiederzufinden sind. Es sei denn, sie landen in einem Murmeltierloch oder treffen einen Stein und verschwinden auf Nimmerwiedersehen." Die Chancen, einen Abschlag in einem Murmeltierloch zu versenken, stehen gar nicht so schlecht, schließlich leben die kleinen Nager hier oben in großer Zahl und lassen es sich auch nicht nehmen, den Golfern aus sicherer Entfernung beim Spiel zuzuschauen. An Golfbällen selbst haben die putzigen Viecher jedoch kein Interesse, da sie längst durchschaut haben, dass ein neongelber Callaway Chrome Soft äußerst schwer im Magen liegt.

Fairways und Grüns sucht man hoch über Zermatt natürlich vergeblich. Lediglich Abschlagmarkierungen geben den Spielern eine Richtungsvorgabe und platt gewalzte "Browns" dienen als Anhaltspunkt, wo die Löcher mit knapp 70 Zentimetern Durchmesser platziert sind.

Der Verlauf der Bahnen durch die Walliser Bergwelt ist 2019 im Vergleich zum Ursprungsplatz der Zermatter Golfpioniere von 1991 praktisch unverändert. "Mein Lieblingsloch ist Bahn 8. Ein sehr schönes Par 4, bei dem der Drive in Richtung Matterhorn-Nordwand gespielt werden muss. Mit einem guten Drive kann man auf diesem Loch das Grün erreichen und hat dann eine große Chance auf das Birdie."

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Unter stahlblauem Himmel und bei klirrender Kälte haben es mittlerweile auch die letzten Spieler über das abschließende Par 6 am "Hotel Riffelhaus" geschafft und die Organisatoren können sich zufrieden zurücklehnen. "Alle haben bis zum Ende durchgehalten und ich bin mir sicher, sie werden noch in 38 Jahren davon erzählen", freut sich Dario. Touristen aus dem Flachland unterschätzen oft die Anforderungen an die Kondition, die eine Neunlochrunde auf dem Dach der Schweiz mit sich bringt, doch 2019 gab es glücklicherweise keine Verluste zu verzeichnen.

Der Abenteuer-Teil des Eagle Cup wurde damit gemeistert. Nun steht noch eine "klassische" Runde Golf unten im Tal auf dem Programm. Dort können auf richtigen Fairways und Grüns die Wander- gegen Golfschuhe getauscht werden und es wäre darüber hinaus empfehlenswert, wieder auf einen kompletten Schlägersatz zurückzugreifen.

"Wir wollen mit diesem Event Golfer nach Zermatt locken, damit sie sich von der Schönheit der Landschaft hier ein Bild machen können. Deshalb bieten wir die Neunlochrunde am Gornergrat nicht nur einmal im Jahr beim Eagle Cup an, sondern wenn Gruppen Interesse haben, dann nehme ich sie nach Voranmeldung gerne mit auf den Berg und wir spielen dort Golf." Dario ist also das ganze Jahr über rund ums Matterhorn im Einsatz. Und ganz nebenbei gilt es natürlich noch, den Eagle Cup 2020 zu organisieren, der am 05./06. September stattfinden wird - egal ob Regen, Schneefall oder Sonnenschein.

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