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Kolumne: Im Hirn des Architekten

Baumschule

Von Tony Ristola, Fotos: Tony Ristola

Es gibt einen Fetisch auf deutschen Golfanlagen, der sich 'alter Baumbestand' nennt. Was auf Fotos vielleicht hübsch aussieht, ist für Greenkeeper und Golfer gleichermaßen aber meist mehr lästig als erstrebenswert. Unser Kolumnist Tony Ristola erklärt, warum viele Clubs die Kettensägen anwerfen sollten.

Jahrelang gewachsene Bäume sind massive und dreidimensionale Mauern, die Schatten werfen. Dazu ziehen sie viel Wasser, beschädigen die Drainagen und in letzter Konsequent schaden sie, nicht zuletzt durch herabfallendes Biomaterial, dem Gras. Das strategische Spiel beziehungsweise die Spielbarkeit an sich leiden, wenn Bäume inflationär und an den falschen Stellen gepflanzt wurden. Rein ästhetisch betrachtet blockieren sie potenzielle Weitsichten auf dem Golfplatz. Zu viele Bäume an zu vielen falsch gewählten Orten haben nicht nur einzelnen Löchern geschadet, sondern schon ganze Plätze ruiniert.

Während der vergangenen 20 Jahren haben jedoch viele historische Golfplätze in Amerika und Europa auf die negativen Effekte zu vieler Bäume für die Agronomie und die ursprünglichen Ideen der Platzdesigner reagiert und Tausende von ihnen gefällt. Laut Angaben der USGA haben einige Championship- Plätze mehr als 75 Prozent des Baumbestands entfernt. Und auf einem US-Open-erprobten Platz wurden gar 15.000 Bäume eliminiert.

Basierend auf meinen Erfahrungen als Golfer folgen hier einige klassische Beispiele, wie sich verfehlte Pflanzungen auf Golflöcher auswirken können.

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DIE MIT ABSTAND GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG, DIE SICH UNS IM ZUSAMMENHANG MIT BÄUMEN AUF DEM PLATZ STELLT, IST DIE UNTERWEISUNG DER GOLFER. ES IST EIN PROBLEM, AUF DAS DIE USGA SEIT JAHREN AUFMERKSAM MACHT. DER GOLFER MUSS VERSTEHEN, DASS BÄUME UND GRAS KEINE FREUNDE UND BÄUME DESHALB KEIN ESSENZIELLER BESTANDTEIL EINES GOLFPLATZES SIND.
Adam Moeller, United States Golf Association (USGA)
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"DAS KÜRZESTE PAR 5 DER WELT"


So lautete die scherzhafte Umschreibung eines guten Freundes für das unten abgebildete 310-Meter-Loch. Nicht jeder ist in der Lage, den Drive lang genug zu schlagen, um danach freie Bahn in Richtung Grün zu haben, und schon wird aus einem kurzen Par 4 ein gefühltes Par 5 für die kürzeren Golfer. Einfache Lösung: die Bäume entfernen. Um das strategische Spiel zu fördern, tun es auch Bunker, ein Graben oder Ödland. In jedem Fall Hindernisse, über die auch der nicht so begabte Spieler schlagen kann.

DIE KEGELBAHN


Sind Bäume zu nah am Fairway gepflanzt, also nahe der direkten Spielbahn, wie es oben zu sehen ist, wird solch ein Loch keine Freude bringen. Erreichen diese Bäume dann maximale Größe und Umfang (in Rot), verschwindet das Fairway beinahe vollständig. Die einzige Lösung ist dann, neu anzupflanzen oder sämtliche Bäume, die das Spiel stören, vollständig zu entfernen. Je länger der Golfclub in solch einem Fall wartet, umso teurer wird es, das Problem zu beheben.

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DAS HOCHSICHERHEITSGEFÄNGNIS


Man stelle sich vor, ein Penthouse in New York zu besitzen - inklusive fantastischer Aussicht auf den Central Park und die Skyline. Stück für Stück allerdings teilt sich die Immobilie in 18 winzige Zimmer und nur ein schmaler Korridor bleibt, um die Aussicht zu genießen. Wer würde so etwas zulassen? Niemand! Aber das ist genau das, was passiert, wenn Golfanlagen an jeder Bahn inflationär viele Bäume positionieren. So wird der Eindruck der ursprünglichen Landschaft zerstört. Die Bahnen werden als "Zimmer" isoliert und die Dynamiken von Wind, Sonne und anderen Wettereinflüssen werden blockiert. Obwohl der Ausschnitt des Golfclubs rechts zeigt, dass bereits viel zu viele Bäume auf der Anlage gepflanzt sind, die über Grüns hängen und Bunker (rot markiert) blockieren, addieren die Verantwortlichen weitere Bäume zur Misere. Dabei wären sie gut beraten, mindestens 25 Prozent bis 50 Prozent der Bäume loszuwerden, wenn nicht sogar mehr! Diese Abfolge von drei Spielbahnen auf einem davon abgesehen wunderbaren Golfplatz ist symptomatisch für die Probleme, die durch zu viele Bäume entstehen können.

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DER EINSAME WÄCHTER


Der eine majestätische Baum (A), der mitten auf dem Fairway steht, mag tatsächlich eine wunderbare Erscheinung sein, aber kein vernünftiges Hindernis, da es weder links noch rechts ausreichend Raum gibt. Der Club hätte sich rechtzeitig um den wuchernden Wald links des einsamen Wächters kümmern müssen, um dadurch eine für Golfer realistische Spiellinie zu schaffen.

DAS TUNNELGRÜN


Jedes Grün (B) ohne genügend Sonne und natürliche Windeinflüsse wird ernsthafte Probleme mit dem Graswachstum haben und somit meist in bedauernswertem Zustand sein. Also weg mit dem Wald.

DER AUSTROCKNER


Die kleine Gruppe aus drei Bäumen (C) am Rande der Teebox zieht wertvolles Wasser aus dem Boden. Die Hälfte der Abschlagfläche wird über kurz oder lang ausdörren. Außerdem blockieren sie die Sicht auf die Landschaft, wenn man in Richtung des erhöhten Grüns der vorherigen Bahn spielt.

DIE ZERSTÖRER


Eigentlich ist dieses Par 3 eingebettet in eine wunderschöne und friedliche Kulturlandschaft. Ohne die Wand aus Bäumen hinter dem und rechts vom Grün (D) würde sich der Golfplatz in die gegebene Landschaft perfekt einfügen, im Fluss mit der Natur bleiben und so zu ihrer Verschönerung beitragen.

Bäume können durchaus wunderbare Ergänzungen auf Golfplätzen sein. Aber jede Pflanzung sollte von allen Seiten beleuchtet werden und darf nicht ausufern, sonst quillt der Platz schnell über und die Ästhetik, Spielbarkeit und Bodenqualität werden leiden. Dazu werden die Intentionen der Designer kompromittiert, wenn nicht sogar komplett zerstört.

 
DER AUTOR

DER AUTOR

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie als Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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