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Loch 5 des Old Mash Club (Design: Pete Dye): ein kurzes Par 4 auf einem flachen Gelände

Kolumne: Im Hirn des Architekten

Zurück in die Zukunft

Von Tony Ristola

Die 13 Grundprinzipien des Golfplatzdesigns galten einst als unumstößlich. Unser Kolumnist Tony Ristola hat sich die Gebote des Dr. Alister MacKenzie zur Brust genommen und auf ihre Gültigkeit in der Gegenwart hin untersucht.

Dr. Alister MacKenzie, einer der größten Golfplatzarchitekten aller Zeiten, legte 1920 in seinem berühmten Buch "Golf Architecture" 13 Grundprinzipien für gelungenes Golfplatzdesign vor. Seither haben sich allerdings alle Facetten des Spiels weiterentwickelt. Und ich meine wirklich alle: die Bälle, die Schläger und die Möglichkeiten des Greenkeeping. Sind vor diesem Hintergrund seine Prinzipien heute überhaupt noch zeitgemäß? Finden wir es heraus...

1. Die Anlage, soweit möglich, sollte in zwei Neunlochschleifen angelegt werden.


Tatsächlich weisen viele wirklich großartige Golfplätze gar keine gegenläufigen Neunlochschleifen auf. Somit muss der Fokus klar auf "wenn möglich" gelegt werden. Ein Architekt, der dennoch versucht, ein Loch in das Platzschema zu quetschen, nur um das Ziel zweier Neuner-Schleifen zu erreichen, begeht einen der größtmöglichen Fehler im Platzdesign. Wenn möglich ja, aber nicht um jeden Preis.

2. Es sollte einen großen Anteil an Zwei-Schlag-Löchern geben, dazu zwei oder drei kurze Par 4, die nach einem soliden Drive mit einem Wedge erreichbar sind, und mindestens vier Par 3.


Eine spannende Zusammenstellung der Lochfolge ist immer das Ziel. Allerdings würde ich das nicht sklavisch an der Anzahl festmachen wollen. Für Dr. MacKenzie selbst etwa war der Old Course in St. Andrews immer der Heilige Gral unter den Golfplätzen und dieser hat lediglich zwei Par 3. Wäre die Heimat des Golfs eine bessere Anlage mit vier solcher Spielbahnen? Selbstverständlich nicht!

3. Grundsätzlich sollten die Wege zwischen den Grüns und Abschlagboxen kurz gehalten sein. Der nächste Abschlag sollte vom vorherigen Grün aus betrachtet in Spielrichtung liegen. So sind die Löcher ausreichend flexibel justierbar, falls Verlängerungen und Anpassungen notwendig werden.


Freilich haben wir einen Punkt erreicht, an dem die technologischen Fortschritte beim Equipment die Schlagweite der (Club) Golfer scheinbar maximal ausgereizt haben. Die Sorge notwendiger Flexibilität ist also obsolet geworden. Im Gegenteil, heute wird wieder in die andere Richtung gedacht. Die USGA hat Studien in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss kamen, dass die meisten Wochenend-Golfer von viel zu weit hinten abschlagen. Gerade in Deutschland sind lange und langweilige Schlagorgien die Norm für die Damenwelt, da die meisten Clubs nur einen Damenabschlag zur Verfügung stellen. Die Golferin hat also gar nicht die Möglichkeit, weiter vorn abzuschlagen. Das Problem müssen sich auch der DGV und die Designer ankreiden lassen, die über Jahre einem Irrglauben im Arrangement der Teeboxen auferlegen waren.

4. Die Grüns und Fairways sollten ausreichend onduliert sein, ohne jedoch das Gefühl des Bergsteigens zu vermitteln.


Grundsätzlich richtig. Witzig aber, dass ausgerechnet der berühmteste seiner Plätze, Augusta National, in hügeligem Gelände gelegen ist. Ganze 60 Meter Höhenunterschied liegen zwischen dem tiefsten und dem höchsten Punkt. Gerade Augusta weist einige Anstiege auf, die extrem in die Waden gehen.

5. Jedes Loch sollte seinen eigenen, unverwechselbaren Charakter haben.


Vielfalt macht das Leben aus - und Golf. In den 1920er-Jahren standen noch keine schweren Maschinen zur Verfügung. MacKenzie konnte also nicht gemeint haben, die Landschaft mit Bulldozern zu formen. Vielmehr ging es ihm darum, die Diversität der Bahnen in der gegebenen Landschaft zu finden und sie in der Ausgestaltung mit genialen Grüns und durchdachter Hindernisplatzierung in der Ästhetik und den strategischen Herausforderungen zu differenzieren.

6. Es sollte nur ein Minimum an "blinden" Annäherungsschlägen geben.


MacKenzie postuliert keinen Bann blinder Schläge, sondern lediglich ein Minimum. Auch weil die Anlagen mithilfe von Pferden und Muskelkraft gebaut wurden, mussten solche Spielsituationen dann schon sehr clever in das Design integriert werden, wo heute ein Bulldozer in Minuten Sichtwälle aufschiebt. Heute haben leider Entfernungsmesser, Birdie-Books und verbessertes Equipment viel vom Zauber des Spiels genommen. Gefühl und die Fähigkeit zur spontanen Einschätzung der Spielsituation ohne Hightech-Helfer gehören zu den aussterbenden Fertigkeiten vieler Golfer. Subtil integrierte Spots allerdings, von denen blind gespielt werden muss, bieten eine Möglichkeit, dieses vergessene Skills-Set wieder in Erinnerung zu rufen, ohne den Amateur dabei zu terrorisieren.

7. Der Platz sollte in einer schönen Landschaft gelegen sein. Alle künstlichen Elemente sind bestenfalls eins mit der Umgebung, sodass für jemanden, der den Platz betritt, sie nicht als unnatürlich wahrnehmbar sind.


Wer die wirklich großartigen Anlagen der Welt studiert, wird feststellen, dass diese ihren Charakter zu großen Teilen aus der Natur ableiten, die sie umgibt. Der wirklich sympathisch-emphatische Architekt wird die natürlichen Gegebenheiten nur minimal verändern. Leider ignoriert die moderne Schule der Platzarchitektur diesen Vorsatz. Stattdessen werden ganze Landstriche rabiat umgeschichtet, um bestimmte Landschaftsmuster künstlich zu simulieren. Und das zu horrenden Preisen. Anstatt einzigartig sein zu wollen, kopieren sich diese Anlagen selbst und spielen sich zudem noch alle nach dem gleichen Muster - von Bangkok bis Berlin.

8. Es sollte eine ausreichende Anzahl an heroischen Spiellinien geben. Nichtsdestotrotz aber sollten sie so arrangiert sein, dass auch der schwächere Golfer auf anderen Wegen die möglichen Schlagverluste kompensieren kann.


Eine perfekte Einschätzung. Ein zeitloses Prinzip.

9. Es sollte eine unendliche Vielfalt an geforderten Schlägen geben, die notwendig sind, um die unterschiedlichen Löcher zu spielen.


"Unendliche Vielfalt" bedeutet alle möglichen Längen der Spielbahnen. Extrem lange Plätze haben die Tendenz zu langweilen. In der Weitenjagd wird die Finesse an einem kurzen Par 3 oder Par 4 gern mal vergessen. Dabei sind es doch gerade diese Löcher, die den Spaß für den Golfer wie dich und mich bereithalten. Und wenn diese darüber hinaus noch hervorragend designt sind, werden sie auch für den Profi zu echten Herausforderungen. Das moderne Spiel wird zumeist in der Luft gespielt. Aber es wäre ein Fehler, das Spiel mit den Bodenkonturen zu unterschätzen. Otto Normalgolfer baut auf die flachen, ausrollenden Schläge für seinen eigenen Spaß. Bei allen Projekten, die ich betreue, habe ich diesen Schlag im Hinterkopf. Siehe auch das 13. Gebot.

10. Es sollte keinerlei Ablenkung durch die permanente Notwendigkeit geben, verlorene Bälle zu suchen.


Bestenfalls ist Golf ein Spiel der Winkel, Rettungsschläge, des strategischen Denkens und kreativer Schläge auf sauberem und schnellem Untergrund. Enge Fairways und die permanente Suche nach im Dickicht verschollenen Bällen ist ermüdend und kann schnell die Freude am Spiel trüben. Wer hat schon Lust, den ganzen Tag im Gehölz nach verlorenen Spielmaterial zu suchen?

11. Ein Platz sollte dermaßen interessant sein, dass selbst der Spieler mit einem Plus-Handicap immer wieder Situationen vorfindet, Schläge zu wagen, die er bis dato noch nicht gespielt hat.


Warum sollten nicht auch die Profis mit Schlägen konfrontiert sein, die sie an die Grenzen, wenn nicht sogar darüber hinaus, bringen? Schließlich sieht sich der Wochenend-Hacker auf jeder Runde mit Aufgaben dieser Art konfrontiert. MacKenzie meint damit nicht, einfach den Ball aus langem Gras zu hacken, vielmehr die korrekte Ausführung eines Schlags, bei dem alles zusammenkommt: die korrekte Länge, Spin und Flugkurve.

12. Der Platz sollte in seiner Charakteristik dem Spieler mit hohem Handicap, ja, sogar dem absoluten Anfänger ebenso viel Freude bereiten, auch wenn die Scores ins Unermessliche wachsen.


Natürlich muss eine Golfanlage fordernd sein. Dennoch darf der Architekt nie die schlechteren Spieler ignorieren, die den Sport lieben wie jeder Profi auch. Auch die müssen die Chance haben, sich über den Platz zu navigieren, und zwar mit Spaß.

13. Egal ob Winter oder Sommer, der Platz sollte in seinem Pflegezustand immer gleichbleibend gut sein. Das heißt, neben den Grüns sollte auch die Struktur des Fairways konstant sein, gerade um die Putting-Oberfläche herum.


In einer Zeit, in der viele Spieler den Ball auf das Grün springen beziehungsweise rollen ließen, war dieser Punkt für Dr. Mackenzie sehr wichtig. Viele spielen zwar heute noch so, aber schmale Bänder aus kurzem Gras eng umsäumt von störendem Semi-Rough nehmen den Spaß aus dieser Form des Spiels. Auch enge Eingänge zum Grün sind regelrechte Stimmungskiller, machen sie doch magische Schläge aus den unmöglichsten Lagen, die dann aufs Grün austrudeln, beinahe unmöglich: diese kreativen Schläge, die das Fairway hinunterhüpfen, an den Hindernissen vorbei, um nahe dem Loch zum Liegen zu kommen. Solche Erfolgserlebnisse werden durch enge Grüneingänge und schlechte Bodenbeschaffenheiten beinahe unmöglich.

Abschließend bleibt also festzuhalten, dass, obwohl sie gut ein Jahrhundert alt sind, die Gebote eines großartigen Architekten kaum an Weisheit und Bedeutung eingebüßt haben. Sie bleiben freilich seine Ideen und sind keine bindenden Anweisungen, aber sich von ihnen nicht zumindest inspirieren zu lassen, hat zur Folge, dass die Kosten einer Anlage in die Höhe schießen, Projekte an Qualität verlieren und weniger Spaß und sportliche Herausforderungen bieten. Das gilt für Golfer jeder Spielstärke.

 
DER AUTOR

DER AUTOR

Tony Ristola, ein Amerikaner mit finnischen Wurzeln, kann nicht nur Golf spielen - er war als Teaching- sowie als Playing-Pro aktiv -, sondern fand in der Golfplatzarchitektur seine wahre Bestimmung. Zusammen mit Arbeitern, von denen die meisten noch nie einen Golfplatz gesehen hatten, schuf er mit Sand Valley in Polen sein erstes, international gefeiertes 18-Loch-Layout. Als einziger Golfplatzarchitekt garantiert er, jeden einzelnen Tag der Planungs- und Bauphase einer neuen Anlage vor Ort zu sein. www.tonyristola.com

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