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Major-Saison 2019

Open for Business

Von Jan Langenbein

Die Austragungsplätze von Major-Turnieren sind nicht allesamt mystische Orte, gelegen hinter unüberwindbaren Mauern aus Waschbeton und Privilegien. Nie war es so "einfach", auf den Spuren von Brooks, Tiger & Co. zu wandeln wie 2019. Beweise gefällig?

So grundverschieden die jeweils 18 Löcher des Black Course im Bethpage State Park, in Pebble Beach und Royal Portrush auch sein mögen, in diesem Jahr haben sie etwas gemeinsam. Allesamt sind sie die Bühnen, auf denen ein Major-Sieger gekrönt wird, und, besser noch, alle drei Weltklasse-Golfplätze stehen jeder Golferin und jedem Golfer offen. Vorausgesetzt er oder sie ist bereit, die zugegebenermaßen äußert happigen Greenfees über den Counter des Pro-Shops zu schieben.

Die Tatsache, dass drei der vier Major-Turniere 2019 auf der Öffentlichkeit zugänglichen Anlagen stattfinden, mag nach einer Kleinigkeit klingen. Tatsache ist jedoch, dass diese Konstellation des Turnierkalenders seit der ersten Austragung des Masters 1934 und der damit verbundenen Etablierung der vier Major-Turniere, wie wir sie heute kennen, erst zum dritten Mal eintritt. Das erste Mal standen die Sterne für reisefreudige Golfenthusiasten mit Tendenz zur Selbsterniedrigung - schließlich sind Major-Schauplätze keine Wellness-Spielwiesen - im Jahre 2010 günstig. Damals fanden die US Open ebenfalls in Pebble Beach statt, der Champion Golfer of the Year wurde auf dem Old Course in St. Andrews ermittelt und Martin Kaymer gewann seinen ersten Major-Titel in Whistling Straits. 2015 waren es dieselben Austragungsorte für Open Championship und PGA Championship, lediglich die US Open fand in Chambers Bay statt. Dreimal in 85 Jahren! Es ist also nicht vermessen, von historischen Dimensionen zu sprechen, und solange in den USA nicht der Kommunismus proklamiert und der Augusta National Golf Club zwangskollektiviert wird, wird die Möglichkeit, alle vier Major-Plätze einer Saison selbst einmal spielen zu können, der Fiebertraum eines jeden Golfers bleiben.

In aller falscher Bescheidenheit: Seit 13 Jahren darf ich mittlerweile in der privilegierten Position eines Golfjournalisten um die Welt reisen. Dabei bleibt es nicht aus, dass sich von Zeit zu Zeit auch einige Tore zu den schönsten und exklusivsten Golfplätzen der Welt für mich öffneten. Augusta National war bisher zwar noch nicht dabei, dafür aber Pebble Beach, Bethpage Black und Royal Portrush. Jenes Trio also, das uns nach Tigers unglaublichem Sieg beim ersten Major 2019 für den Rest der Saison garantiert vor den Fernseher bannen wird.

Major-Saison 2019: Major-Saison 2019:

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DU HAST GLÜCK GEHABT. EIN SPIELER FÜR DIE STARTZEIT IN 35 MINUTEN IST NICHT AUFGETAUCHT, ICH KANN DICH ALSO ZU DIESER DREIERGRUPPE STECKEN. UM EINE STARTZEIT IM AUGUST MÜSSTEST DU DICH EIGENTLICH IM FEBRUAR KÜMMERN. DAS MACHT 495 DOLLAR GREENFEE PLUS 45 DOLLAR CARTFEE PLUS TAX.
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Und so fühlt es sich an, wenn man als durchschnittlicher Wochenend-Hacker auf diese drei Überwiesen gelassen wird:

Im Sommer 2013 war nach Jahren an der Uni und der darauf folgenden finanziellen Dürreperiode, hervorgerufen durch Praktika und Ausbildung, dank erster halbwegs nennenswerter Gehaltsschecks seit über einem Jahrzehnt wieder Licht am Ende des Dispokredittunnels zu sehen. Genug Licht für ein Flugticket nach Kalifornien und die Miete für ein weißes Mustang Cabrio. "Du bist Einzelspieler?", wollte der Angestellte im Pro-Shop von Pebble Beach wissen und belehrte, ohne meine Antwort abzuwarten: "Dann hast du Glück gehabt. Ein Spieler für die Startzeit in 35 Minuten ist nicht aufgetaucht, ich kann dich also zu dieser Dreiergruppe stecken. Um eine Startzeit im August müsstest du dich eigentlich im Februar kümmern. Das macht 495 Dollar Greenfee plus 45 Dollar Cartfee plus Tax." Schluck! In der vergangenen Woche hatte ich für schäbige Motels und vier Runden auf öffentlichen Plätzen zusammen gerade einmal 600 Dollar ausgegeben. Denselben Betrag nun für 18 Löcher berappen? Die Frage nach so etwas wie "Presserabatt" wurde mitleidig weggelächelt und ich konnte die Schnappatmung meines Bankberaters bis nach Kalifornien hören. Doch meine mit zittriger Hand über den Tresen gereichte Kreditkarte gab glücklicherweise grünes Licht und 20 Minuten später stellte ich mich Kyle aus Nevada und zwei Japanern, deren Namen mir längst entfallen sind, auf dem ersten Tee vor. Schnell wurde deutlich, dass wie ein gutes Theaterstück auch Pebble Beach sein Pulver nicht bereits im ersten Akt verschießt. Während wir die ersten drei durch banale Park-Landschaft verlaufenden Löcher spielten, wuchsen in mir Zweifel, ob dieser Platz wirklich dieses astronomische Greenfee wert sein würde. Doch dann steuerten wir in Richtung viertes Fairway und - bam! - plötzlich gaben die Luxusanwesen und kirchturmhohen Pinien den Blick auf die Stillwater Cove frei. "Gosh darn, that's beautiful!", staunte Kyle, und was unsere beiden Mitspieler aus dem Land der aufgehenden Sonne miteinander besprachen, konnte niemand von uns verstehen, der Tonfall ließ jedoch auf absolute Bewunderung schließen. Unser von der Größe des Moments überwältigtes Golfspiel produzierte zwar Ergebnisse, die selbst die Albtraum-Scorekarte von Dustin Johnson, der am US-Open-Finaltag drei Jahre zuvor an gleicher Stelle einen Kollaps für die Ewigkeit erlitten hatte, in den Schatten stellten, doch wer kann sich umgeben von einer derartig göttlichen Szenerie über so etwas Profanes wie Zahlen auf einem Stück Papier ärgern?

Vom vierten Fairway bis zum 13. Grün sind die Spielbahnen in Pebble Beach eine einzige Aneinanderreihung von "GolfPorn"-würdigen Perspektiven und wir feierten es wie einen Major-Sieg, als alle vier Bälle auf Loch Nummer sieben, dem kürzesten Par 3 der Major-Geschichte, nach den Abschlägen auf dem Grün landeten. Birdies? Fehlanzeige. Hier draußen an der Spitze von Arrowhead Point liegen mit dem siebten Grün und dem achten Abschlag der wohl spektakulärste Teil des Pebble Beach Golf Links, der als mentale Vorbereitung für den wohl nervenaufreibendsten Schlag der Runde dient: die Annäherung ans achte Grün, die über haushohe Klippen und den weit unten gegen die Felsen brandenden Pazifik gespielt wird. Ab Tee Nummer 14 verdecken Anwesen, auf denen selbst die Summe eines Lottogewinns wahrscheinlich maximal für den Erwerb einer Einzelgarage ausreichen würde, den Blick auf den Ozean, der erst am 17. Abschlag wieder in Erscheinung tritt. Von hier aus schlug ein 32 Jahre alter Jack Nicklaus 1972 ein Eisen 1 so präzise in den stürmischen Wind, dass sein Ball aus 199 Metern den Flaggenstock traf und tot am Loch liegen blieb. Birdie und Sieg Nicklaus. Zehn Jahre später lochte Tom Watson am gleichen Loch aus unmöglicher Lage abseits des nierenförmigen Grüns ebenfalls zum Birdie ein und sicherte sich seinen sechsten Major-Sieg.

Major-Saison 2019:
Als wir die beinahe kitschig schöne 18 in Richtung Grün entlangspielten, murmelte Kyle trotz nicht unter Kontrolle zu bekommender Slices zum mindestens 50. Mal an diesem Tag: "Gosh darn, that's beautiful!", und mir wurde beim Blick hinaus auf den Pazifik bewusst, welch gesegneter Flecken Erde die Monterey-Halbinsel doch ist. Wo sonst könnte behauptet werden, dass eine Anlage mit der Historie und der Güteklasse von Pebble Beach in einem Radius von fünf Kilometern Luftlinie lediglich der zweitbeste Golfplatz ist? Cypress Point liegt schließlich direkt um die Ecke, aber dort ans erste Tee gelassen zu werden ist leider noch unmöglicher als in Augusta.

Auch im Bethpage State Park vor den Toren New York Citys, wohin es mich 2018 im Rahmen einer Dienstreise verschlug, ist es vollkommen nutzlos, mit der Visitenkarte, die mich als Chefredakteur eines obskuren Golfmagazins eines fernen europäischen Landes ausgibt, zu wedeln. Diese Anlage mit ihren fünf 18-Loch-Plätzen gehört der öffentlichen Hand und deshalb ist die ältere Dame hinter dem Fenster des Check-ins eine Angestellte des Staates New York, die sich an die Preisliste zu halten hat. Außerdem ist es halb fünf Uhr morgens und der Kaffee läuft noch durch die Maschine. Wären Tom Brady oder Barack Obama am Vorabend plötzlich von der Lust übermannt worden, am nächsten Morgen den Black Course zu spielen, müssten auch sie sich wahrscheinlich in dieser Schlange anstellen und die 130 Dollar entrichten, die 18 Löcher auf dem Black Course unter der Woche für jeden kosten, dessen Erstwohnsitz nicht in New York liegt. Richtig so!

Hier wird Basisdemokratie gelebt und die ersten sechs Tee-Times an jedem Tag werden nach der Devise "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" vergeben - was zur Folge hat, dass jede Nacht mindestens ein Dutzend Golfverrückte in ihren Autos und Pick-up-Trucks übernachten, um morgens um halb fünf, wenn der Pro-Shop öffnet und Startzeiten vergeben werden, nicht leer auszugehen. Da ich bereits vergangenes Jahr in epischer Breite über meine Nacht und das darauf folgende Martyrium auf dem Black Course berichtet habe, erübrigt sich ein erneuter Erfahrungsbericht. Wer GolfPunk Ausgabe 05/2018 verpasst oder bereits zum Altpapier gegeben hat, kann auf www.golfpunk.de fündig werden: "Nachtschicht - Selbstversuch auf einem USOpen- Platz" ist der Titel der Geschichte.

Nach zwei US-Open-Auflagen in den Jahren 2002 und 2009 wird das härteste Major der Welt wohl nicht mehr hierher zurückkehren. Die Vorstellungen der USGA, wie viel an den 18 Löchern des Black Course für eine dritte US Open verändert werden müsste, und die fehlende Bereitschaft der Verantwortlichen, in Bethpage diesen Forderungen nachzukommen, liegen zu weit auseinander. Die PGA Championship 2019, die, wenn diese Zeilen an den Kiosk kommen, bereits gespielt sein wird, und der Ryder Cup 2024 sind jedoch mehr als nur ein Trostpreis und zementieren den Status des Black Course als einer der besten und schwersten Tests in Sachen Golf in den gesamten Vereinigten Staaten. Alles, was es braucht, um hier abschlagen zu dürfen, sind eine Thermoskanne voller Kaffee und läppische 130 Dollar.

Major-Saison 2019: Leseschwäche: Startzeit gebucht
Leseschwäche: Startzeit gebucht
Bei der nationalen Tourismusentwicklungsbehörde von Irland ist man in Zusammenarbeit mit dem Fremdenverkehrsamt von Nordirland zum Glück immer mal wieder bereit, einer Horde Golfjournalisten aus aller Welt die spröde Schönheit der heimischen Links-Plätze im Rahmen einer Pressereise zu demonstrieren, weshalb es mir in den vergangenen Jahren bereits mehrmals vergönnt war, auch Royal Portrush einen Besuch abzustatten. 1951 fand hier zum letzten Mal eine Open Championship statt, und als der R&A 2014 bekanntgab, dass das älteste Golfturnier der Welt 2019 nach Portrush zurückkehren würde, wurde vom Golfclub selbst ein millionenschweres Investitionsprogramm aufgelegt, um den Platz nicht nur major-tauglich, sondern auch für die erwarteten 190.000 Zuschauer fit zu machen. Die wenig spektakulären Spielbahnen 17 und 18, die seit jeher als Schwachstelle des Championship-Platzes galten, wurden durch zwei brandneue Löcher ersetzt, die sich nun als Nummer sieben und acht in der Spielfolge einreihen, und der Platz somit jeder Schwächen beraubt.

Bereits die Lage im äußersten Norden Nordirlands unterscheidet den Schauplatz der Open Championship 2019 fundamental von seinen Major-Kollegen der Saison. Die Küste hier oben hat nichts mit der pittoresken Betulichkeit Montereys gemein, ist mehr "Game of Thrones" als "Californication" und auch die Elemente machen eine Runde hier zum echten Überlebenskampf. Bei meiner letzten Visite im vergangenen Jahr wurde unser Flight auf Loch 3 von Starkregen überrascht, der auch einige Hagelkörner enthielt. Den Abschlag auf Loch 5, dem White Rocks getauften Signature Hole des Platzes, spielten wir dann jedoch wieder bei strahlendem Sonnenschein und konnten in spektakulärem Licht bestaunen, wie gefährlich nahe das Grün dieser Spielbahn hoch oben auf den Klippen über dem Nordatlantik hängt. An der 16, dem letzten Par 3 der Runde, war der Wind dann auf Sturmstärke angeschwollen und selbst meinem mit einem Plus vor dem Handicap antretenden Kollegen aus Schweden war es von den Back Tees nicht einmal mit dem Driver vergönnt, das 205 Meter entfernte Grün zu erreichen. Es hätte wohl eine Bazooka gebraucht und wir waren uns alle einig, dass dies das ohne Zweifel schwierigste Par 3 in der Geschichte der Open Championship wird und wir es kaum erwarten können, beobachten zu dürfen, wie Rory und Co. diese höllisch schwierige Aufgabe im Juli 2019 lösen werden. Wen die mannstiefen Topfbunker und schildkrötenpanzerähnlichen Grüns von Royal Portrush zu sehr ins Schwitzen gebracht haben, der kann im Pro-Shop das Eau de Parfum von Local Hero Darren Clarke erwerben, schließlich tritt niemand gerne ungut riechend an die Bar eines solch traditionsreichen Golfclubs, wo es übrigens wie in den meisten britischen Top-Clubs verpönt ist, das Handy zu zücken. Schließlich ist man an diesen entlegenen Winkel des Kontinents gereist, um die purste Form des Golfspiels zu erleben, und nicht, um zu googeln, ob Schalke 04 an diesem Tag wieder einmal verloren hat.

Wer in Zukunft das Glück haben sollte, dass es ihn in die Nähe einer der drei öffentlichen Major-Austragungsorte von 2019 verschlägt, sollte keine Sekunde zögern, eine Startzeit zu buchen. Von der spirituellen Erfahrung bis zur totalen Schröpfung mit Zufriedenheitsgarantie ist in Royal Portrush, Bethpage und Pebble Beach alles möglich. Ich werde mich derweil meinem eigenen Mount Everest widmen: Augusta National. Wo die Verantwortlichen jedes Jahr im April aus einer Glasvase gefüllt mit den Visitenkarten aller beim Masters anwesenden Journalisten etwa drei Dutzend ziehen, die dann am Montag nach dem ersten Major des Jahres auf den Platz... man mag es gar nicht aussprechen. Irgendwann muss es doch mal klappen!

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