Ausgangslage
Nach drei Runden hatte der Amerikaner Hale Irwin seinen zweiten Major-Sieg in Folge fest im Blick. Der Sieger der US Open war nach 54 Löchern als einziger Spieler unter Par geblieben und lag zwei Schläge vor Spielpartner Ballesteros. Doch bei stürmischen Bedingungen hatte Irwin sein Spiel nicht mehr unter Kontrolle und wurde auf dem Leaderboard nach hinten durch gereicht. Als Irwin und Ballesteros auf das 16. Tee kamen, hatten Ben Crenshaw und Jack Nicklaus mit zwei über Par die Bestmarke gesetzt. Alles, was der Even Par liegende Spanier tun musste, war, die Runde ohne Aussetzer nach Hause zu schaukeln.
Fehlschlag
Als Ballesteros auf dem Abschlag des 357 Yards langen Par 4 stand, war das Fairway nicht zu sehen. Es war aber auch egal, denn der Spanier hatte auf seinen letzten 36 Löchern nur zwei Fairways getroffen. Jedoch verfehlte er selten so weit. "Das war einer der schlechtesten Drives, die ich je von einem Profi gesehen habe", erinnerte sich Hale Irwin. "Ich fragte einen Offiziellen, wie das nicht aus sein kann." Tatsächlich landete der Drive auf einem Überlaufparkplatz unter einem Ford Cortina. Pure Absicht, wie Seve später behauptete: "Ich wusste, dass ich einen Free Drop bekomme, wenn mein Ball zwischen den Autos liegen bleibt."
Rettung
Nach einer kurzen Diskussion mit einem Offiziellen nahm der Spanier seinen Ball auf, suchte sich eine platt getretene Stelle weit genug entfernt von den Autos und droppte den Ball über seine linke Schulter. Umsäumt von einer staunenden Menge griff Seve zu seinem Sand Wedge und pitchte die 90 verbliebenen Yards Mitte Grün. Ein konservativer Schlag, der erst dank des anschließenden Putts legendär wurde: Aus etwa zehn Metern lochte Ballesteros souverän ein, baute seine Führung auf drei Schläge aus und hatte den Sieg so sicher, dass Mitspieler Hale Irwin auf der 18 symbolisch sein weißes Taschentuch als Zeichen der Aufgabe schwenkte.
Augenzeuge
Als Ballesteros die Claret Jug für seinen ersten Major-Titel in Empfang nahm, hatten alle um ihn herum noch gar nicht so recht verarbeitet, was sie gerade erlebt hatten. Jahre später fasste es der Zweitplatzierte Ben Crenshaw perfekt zusammen: "Seve spielt Schläge, die ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen vorstellen könnte." Und als Colin Maclaine, Chef des Open-Komitees, Royal Lytham für die Turnier-Organisation dankte, scherzte er: "Dass der Sieger nicht den Platz benutzte, sondern seinen eigenen aus Heuwiesen, Parkplätzen, Tribünen und sogar Damenbekleidung bevorzugte, war seine Wahl."
Nachspiel
Nach seinem ersten Major-Titel ließ Ballesteros zwei Masters- und zwei weitere Open-Championship-Siege folgen - die letzte neun Jahre später erneut in Royal Lytham. Zum Ärger des Spaniers nannten ihn die US-Medien fortan "Car Park Champion", ein griffiger Spitzname, der seiner Genialität allerdings nicht gerecht wurde. Royal Lytham stellte derweil sicher, dass niemand in Seves Fußstapfen folgen konnte. Das Rough zwischen Bahn 15 und 16 wurde zu Out of Bounds erklärt. Als Paul Casey bei der Open 2012 dort landete, erhielt er zwei Strafschläge, konnte allerdings seinen Hunger stillen: "Dort standen ein Eis- und ein Burger-Wagen."