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Traumjobs – Teil 2

Mähen mit Wikingern

Von Jan Langenbein, Fotos: Mike Meyer

Im Vergleich zu seinem heutigen Arbeitsplatz herrschten in Ballybunion, einem der berühmtesten Links-Plätze der Welt mit exorbitant hohen Greenfee-Einnahmen, paradiesische Zustände in Sachen Arbeitsbedingungen, Ausrüstung und nicht zuletzt auch Solvenz. Auf den Lofoten ist stattdessen Einfallsreichtum gefragt: "Wir müssen und wir wollen die Platzpflege so simpel wie möglich halten. Wir verwenden keine Fungizide, keine Insektizide und keine Wetting Agents. Darauf sind wir stolz!" Der Fakt, dass hier so nachhaltig gearbeitet wird, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass zu Beginn kaum finanzielle Mittel vorhanden waren, teure Düngemittel oder Maschinen zu kaufen. Nun, da sich Lofoten Links zu einer weltweiten Sensation und zum Sehnsuchtsziel für abenteuerlustige Golfer entwickelt hat, wäre es möglich, in die Trickkisten und den Chemieschrank der Agrarindustrie zu greifen. Doch Jeremy und sein Team haben längst bewiesen, dass es auch anders geht, und haben nicht vor, etwas an dieser Vorgehensweise zu ändern.

Nicht nur aufgrund unserer abgelegenen Lage wollen wir den Golfplatz so autark wie möglich unterhalten. Ganz ohne künstliche Düngemitel geht es nicht, aber wir sind an vielen Stellen des Platzes längst dazu übergegangen, Seetang, den wir neben der ersten Spielbahn aus dem Meer holen, als natürlichen Dünger zu verwenden." Neu ist diese Idee freilich nicht, Seetang und Algen werden in Küstenregionen bereits seit Jahrhunderten als Dünger eingesetzt. Auf den Lofoten schlagen Jeremy und sein Team mit dieser Methode allerdings gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe, denn so müssen weitaus weniger Düngemittel hierher geliefert werden, was nicht nur Geld spart, sondern auch Greta Thunberg glücklich macht.

Traumjobs: Streifendienst: Jeremys akurat gepflegter VorgartenTraumjobs: Streifendienst: Jeremys akurat gepflegter Vorgarten
Streifendienst: Jeremys akurat gepflegter Vorgarten

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Jeder, der hierherkommt, spricht über die Schönheit der Natur. Zu Recht, denn es ist atemberaubend hier und das Design zählt zu den schönsten der Welt. Aber unser Job ist der Golfplatz und wir möchten Spielbedingungen bieten, mit denen wir uns nicht zu verstecken brauchen.
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Weltweit setzt sich mithilfe von Professoren wie Dan Kittredge die Einsicht durch, dass die Menschheit zur nachhaltigen Landwirtschaft zurückkehren muss. "Golfplätze können hier ebenfalls ihren Beitrag leisten", dessen ist sich Jeremy sicher. Zwischen den Felsen abseits des ersten Fairways wird der Seetang wie in einer riesigen Waschmaschine von den Gezeiten bearbeitet und gereinigt und kommt so praktisch verwendungsfertig aus dem Meer. Jeremy muss die Algen nur noch auf den Laster packen und auf der Anlage verteilen. Angst davor, Salzwasser auf die Fairways zu bringen, hat er nicht. "Das macht unserem Fescue-Gras nichts aus. Schließlich ist auch der Sand, auf dem es wächst, recht salzig. Wenn ich eine Sache gelernt habe als Greenkeeper auf Links-Plätzen, dann, dass Fescue selbst unter den härtesten Bedingungen wachsen kann."

In der Hochsaison kümmert sich mittlerweile eine Mannschaft von neun Greenkeepern um die 18 Löcher auf den Lofoten, die internationaler kaum sein könnte. Polen, Italien, Frankreich und sogar Ecuador sind vertreten und von frühester Bauphase an waren auch Frauen ein essenzieller Bestandteil von Jeremys Team: "Ich könnte mir sogar ein rein weibliches Team vorstellen. Seit ich hier angefangen habe, ist mir klar, dass Frauen exzellente Greenkeeper sind. Die Detailversessenheit und die Fähigkeit, Probleme selbstständig zu lösen, erstaunen mich bei unseren Frauen in der Mannschaft immer wieder." So überzeugt ihn auch seine Kollegin aus Ecuador, die einst mit ihrem aus Italien stammenden Ehemann hierher auf die Lofoten kam. Dieser bemerkte nach wenigen Tagen, dass er den Komfort des Pro-Shop-Tresens der körperlichen Arbeit doch vorzog, während sie auf den Mähmaschinen und Traktoren förmlich aufblühte und das, obwohl sie bei ihrer Ankunft auf den Lofoten nicht einmal einen Führerschein besaß.

Mähen mit Wikingern: Trockenübung: Sprayer sein will gelernt sein (l.) Vollpfosten: Schnapszahl inbegriffen (r.)Mähen mit Wikingern: Trockenübung: Sprayer sein will gelernt sein (l.) Vollpfosten: Schnapszahl inbegriffen (r.)
Trockenübung: Sprayer sein will gelernt sein (l.) Vollpfosten: Schnapszahl inbegriffen (r.)
Beinahe ausschließlich mit Saisonkräften als Helfern zu arbeiten birgt Herausforderungen. "Während der ersten fünf Jahre war es tatsächlich schwierig, denn jede Saison stand mir eine komplett neue Crew zur Seite, die zunächst einmal angelernt werden musste." Doch jedes Jahr irgendwann im Juli griffen die einzelnen Rädchen plötzlich ineinander und die kleine Mannschaft verrichtete verlässlich ein Arbeitspensum, das gut und gerne die doppelte Anzahl von Arbeitskräften auslasten würde. Die Liebe zu diesem Golfplatz ist spätestens dann so stark geworden, dass viele Einzelne bereitwillig an einem Strang ziehen. Mancher fand hier auf den Lofoten unter Jeremys Anleitung sogar seine Berufung. Wie Aaron aus Sachsen, der für ein Jahr hierherkam, um als Greenkeeper zu jobben, bevor er eine Ausbildung zum Förster beginnen wollte. "Am Ende der Saison meinte er zu mir: ,Du hast recht, ich bin ein Greenkeeper.' Soweit ich weiß, arbeitet er inzwischen bei Winston Golf in Deutschland", erzählt Jeremy mit sichtlichem Stolz auf seinen ehemaligen Schützling.

Am Horizont hinter dem zweiten Grün geht die Sonne unter, während Jeremy Divots auf der Teebox des spektakulären Par 3 ausbessert. "Dieses Jahr war ein Meilenstein für uns. Zum ersten Mal hatten wir ein ernst zu nehmendes Budget für Maschinen, Arbeitskräfte und Materialien wie Samen und Dünger." Monetäre Fakten, die man Lofoten Links ansieht, und jeder, der im Sommer 2021 das Glück hatte, hier spielen zu können, wird sich am Kopf gekratzt und gefragt haben, wie zum Teufel es möglich ist, nördlich des Polarkreises Fairways und Grüns einer Güteklasse am Leben zu erhalten, für die viele Golfclubs in Deutschland ihre Seele verpfänden würden.

Ein positiver Kommentar über den phänomenalen Pflegezustand seines Platzes ist für Jeremy selbstverständlich das größte Lob: "Jeder, der hierherkommt, spricht über die Schönheit der Natur. Zu Recht, denn es ist atemberaubend hier und das Design zählt zu den schönsten der Welt. Aber unser Job ist der Golfplatz und wir möchten Spielbedingungen bieten, mit denen wir uns nicht zu verstecken brauchen." Und während sein Blick über die Front Nine schweift, resümiert er: "Es war eine Menge Arbeit, diesen Platz zu dem zu machen, was er heute ist. Aber wenn ich die Chance hätte, es noch einmal zu wagen, ich würde es liebend gerne wieder tun."

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