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Andrew Johnston

Houston, we have a beef!

Von Tim Southwell, Fotos: Phoebe Rourke

Zwischen Sandwiches, Gewitterstürmen und ausrastenden Fans ist Andrew Johnstons Amerika-Abenteuer gerade dabei, Fahrt aufzunehmen, und GolfPunk durfte es sich eine Woche lang auf dem Beifahrersitz bequem machen.

Wir sitzen in der Lobby des "Sheraton Hotel" in Houston und gehen unsere Optionen durch. Am Ende des Tages hätten wir ein großartiges Outdoor-Americana-Fotoshooting mit Andrew "Beef" Johnston im Kasten haben wollen. Der Plan war eigentlich, unseren Titelhelden in einen Ford Pick-up Truck zu setzen. Das Problem ist nur, dass draußen gerade die Welt untergeht. Biblisches Donnergrollen lässt das riesige Gebäude erzittern und über uns auf dem 60-Zoll-Flatscreen erscheint eine besorgt dreinblickende Wetterfee, die uns mitteilt, die Polizei empfehle, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten und das Haus nur zu verlassen, wenn es absolut nötig sei. So viel zum Ford Truck.

Wenige Minuten später spurtet ein junger Engländer namens Andrew Johnston durch die Sintflut, schüttelt sich den Regen aus dem Bart und streckt uns die Hand entgegen: "Hi GolfPunks, wie steht's?" Der Gewittersturm in Texas' größter Stadt hat uns zwar einen Strich durch das geplante Fotoshooting gemacht, liefert aber zugleich die perfekte Metapher für "Beefs" großes Amerika-Abenteuer. Denn tatsächlich erobert Andrew Johnston Amerika gerade auf unterschiedlichste Weisen im Sturm, sei es durch das Erspielen der PGA-Tourkarte im ersten Anlauf, das Klarmachen eines fetten Arby's-Werbedeals oder schlicht durch seine erfrischend unverfälschten Auftritte bei Turnieren überall im Land. Egal wo er in den vergangenen Monaten spielte, konnte man "Beef" dabei beobachten, wie er mit den Fans auf eine Art und Weise interagierte, wie sie die amerikanische Golföffentlichkeit noch nicht erlebt hat.

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ZAHLREICHE HIGH FIVES UND GHETTO-FÄUSTE SPÄTER HAT ER ES ZUM ELFTEN TEE GESCHAFFT.
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Am nächsten Tag später folgen wir ihm während seiner ersten Runde bei den Houston Open inside the ropes, als "Beef" auf dem Weg vom zehnten Grün zum elften Tee plötzlich verschwunden ist. Wir blicken uns verwundert um und entdecken ihn außerhalb der Absperrung inmitten eines Fan-Pulks, der ihm wie ein Bienenschwarm zum nächsten Abschlag folgt. "Habt ihr das gesehen?", spricht uns ein Zuschauer an. ",Beef' hängt selbst während der Runde mit den Fans ab!" Zahllose High Fives und Ghetto-Fäuste später hat er es zum elften Tee geschafft. Skeptiker können nun naserümpfend behaupten, dass es keine gute Idee sei, die Verbindung zu den Fans derart wörtlich zu interpretieren, insbesondere weil Andrew gerade darum kämpft, den Cut zu schaffen. Mag schon sein, doch klar ist auch, dass "Beef", kaum steht er zwischen den elften Teemarkern, von einem Augenblick zum nächsten so konzentriert und fokussiert ist wie ein Mungo, der einer Klapperschlange gegenübersteht.

Egal in welcher Ecke des Golfplatzes wir uns an diesem Tag aufhalten, überall sind inbrünstige "Beeeeef!!!"-Schlachtgesänge zu hören, wann immer Andrew zu sehen ist. Fans stolpern sprichwörtlich über die eigenen Füße, nur um einen Blick auf die Rookie-Sensation aus England zu erhaschen. Es scheint, als wäre der Lieblings- Cartooncharakter ihrer Kindheit zum Leben erwacht: "Wow, hast du ihn gesehen? Das ist ,Beef', Dude. ,Beef'!!!"

Für manche mag das alles ein wenig verrückt klingen. Was hat er denn schon getan, um all die Aufmerksamkeit zu rechtfertigen? Für eingeweihte Golffans ist allerdings schon lange klar, dass Andrew Johnston bis zum heutigen Tag eine ganze Menge erreicht hat. Er war ein Teil der legendären "Klasse von 2008" von der Insel um Eddie Pepperell, Matt Haynes, Tommy Fleetwood und Oscar Sharpe. Im darauf folgenden Jahr wechselte er ins Profilager, um auf der Jamega Tour anzutreten. Nach einer wenig überzeugenden Saison auf der European Tour 2012 ging Johnston zurück auf die Challenge Tour, auf der er in den folgenden zwei Jahren spielte. 2014 gewann er dort zwei Turniere und fand sich unter den Top 15 der Order of Merit wieder. 2015 behielt er seine European-Tour-Karte und ließ 2016 einem vierten Platz beim Qatar Masters seinen Debütsieg im europäischen Oberhaus bei der Open de España in Valderrama folgen. Valderrama! In diesem Tempel europäischen Golfsports hat noch niemand gewonnen, der nicht über ein extremes Maß an Talent verfügte. Er qualifizierte sich für die US Open 2016, überstand den Cut und stellte sich dann mit einer packenden Vorstellung bei der Open Championship in Royal Troon der weltweiten Sportöffentlichkeit vor.

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Und hier ist er nun. Er tritt bei den größten Turnieren an, sammelt dicke Schecks ein - und heute, für unser Fotoshooting, isst er Arby's-Sandwiches von einem Silbertablett. Im Bett. In einem Bademantel (seine Idee). Und er hat dabei offensichtlich den größten Spaß.

Wir alle haben einen riesigen Spaß, um genau zu sein. Man weiß schließlich nie, wie sich solch ein Shooting entwickelt. Nicht jeder Profi reagiert erfreut, wenn ihm die GolfPunk-Behandlung widerfährt. Heute ist es jedoch an uns, mit "Beefs" Ideen und Energie Schritt zu halten. Es braucht nur seine HipHop-Playlist auf maximaler Lautstärke und wir können loslegen.

Fünf Tage später sitzen wir im "Boyden's Kitchen", "Beefs" Lieblingscafé im Norden von London. Den Cut in Houston hat er um einen Schlag verpasst. Die Luft ist dünn dort oben auf dem Golfgipfel. Für ein paar Tage ist er nun zurück im Vereinigten Königreich, um sich um das Tagesgeschäft zu kümmern. Er wirkt kein bisschen geknickt, während er an seinem Caffè latte nippt, und es scheint, als könnte dieses Gemüt rein gar nichts erschüttern. Also lasst uns sprechen.

GP: 2012 war deine erste European-Tour-Saison. Wie war damals dein Start?
AJ: Mein erstes Jahr war tough. Die Tourkarte kam recht plötzlich, ich hatte kaum Erfahrungen vorzuweisen. Auf der Challenge Tour hatte ich lediglich zehn Turniere gespielt, bekam es aber irgendwie hin, bei den wichtigen gut zu spielen. So endete ich als 15. und bekam die Karte. Somit wurde ich ins kalte Wasser geworfen. Ich verpasste zwar einige Cuts, aber ich lernte eine Menge - auch wie gut dort alle spielen.

GP: Hast du dich bei all den verpassten Cuts nie gefragt, ob du es überhaupt jemals schaffen wirst?
AJ: Ja, absolut! Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Cut in Spanien. Als ich den letzten 30-Fuß-Putt einlochte, gewann ich viel Selbstvertrauen. Plötzlich wurde mir klar: Auch ich kann vier Tage spielen. Im Laufe des Jahres fühlte ich mich dann immer wohler.

GP: Gab dir dein erster Cut das Selbstvertrauen, auch am Wochenende gut zu spielen?
AJ: Nein, ich spielte danach schrecklich, wusste aber nun, dass ich es schaffen kann. Es folgte eine Phase, in der ich als 15. bis 20. ins Wochenende ging, aber meine Nerven am Samstag versagten. Allerdings war das alles Teil des Lernprozesses, wie ich heute weiß. Am Ende musste ich zwar meine Karte wieder abgeben, aber ich hatte eine Menge gelernt.

GP: Die größte Inspiration ist wohl Justin Rose. In seiner Anfangszeit verpasste er 20 Cuts am Stück, um anschließend Majors zu gewinnen. Wie entscheidend ist die Psyche?
AJ: Extrem wichtig! Sie macht wohl zwischen 70 und 100 Prozent aus. Wenn man mit seinen Freunden spielt, kann man problemlos unter Par schießen. Auch wenn das Spiel dasselbe ist, belastet einen im Turnier der Druck enorm. Wenn man im Turnier nervös wird, gilt es, sich zu vergewissern: "Ich schaffe das."

 

STECKBRIEF

Name: Andrew Johnston
Alter: 28 Jahre
Wohnort: Friern Barnet, England
Lieblingsverein: Arsenal FC
Profi seit: 2009
Erfolge:
• 2014: Scottish Hydro Challenge (Challenge Tour)
• 2014: Le Vaudreuil Golf Challenge (Challenge Tour)
• 2016: Open de España (European Tour)
• 2016: 8. Platz Open Championship

GP: Wirst du nervös? Wie zeigt sich das bei dem ganzen Adrenalin?
AJ: Als ich die ersten Male gut spielte, da machten sich plötzlich die Nerven bemerkbar und ich wurde schlechter. Ich machte mir dann Druck, Birdie zu spielen, anstatt mich darüber zu freuen, dass ich schon zwei bis drei Tage gut gespielt hatte. Ich spiele lieber aggressiv ein Bogey, als passiv auf Par zu spielen. Wenn dann am Ende das Ergebnis nicht passt, muss man nicht bereuen, nicht alles gegeben zu haben.

GP: Wie viel Einfluss hat dein Caddie Gordon auf dich in solchen Situationen?
AJ: Er hilft mir sehr, ist sehr professionell und lässt sich nie verrückt machen. Wenn wir gut drauf sind, mache ich einen Putt und er nimmt sich den Schläger und geht einfach weiter. Anfangs dachte ich: "Was? Wo bleibt die Anerkennung?" Später verstand ich, dass er nur versucht, das Schiff gerade zu halten. Es ist nämlich nie vorbei, bis es wirklich vorbei ist. Bei der US-Open-Qualifikation in Walton Heath gratulierte mir ein Zuschauer: "Glückwunsch, du hast es geschafft!" Ich antwortete: "Noch lange nicht, ich muss erst dieses Loch zu Ende spielen." Gordon hämmerte mir ein, immer alles zu geben, bis ich vom 18. Grün gehe.

GP: Ist Golf der am schwierigsten zu spielende Sport?
AJ: Definitiv. Nicht nur wegen der Technik, sondern weil es auch über vier Tage geht und man sich jeden Morgen anders fühlt. Das liegt auch an den vielen Reisen. An einem Tag ist die Startzeit um zwölf Uhr mittags und am nächsten Tag muss man dann um vier Uhr aufstehen und um sieben Uhr abschlagen. So spielen wir bis zu vier Wochen am Stück.

GP: Hast du immer noch Probleme, damit klarzukommen?
AJ: Ja, das ist wirklich anstrengend. Wenn ich sonntags fertig bin, packe ich meine Sachen und fliege direkt zum nächsten Platz. Habe ich vorher meine Wedges nicht gut getroffen, will ich diese Schläge eigentlich üben, doch ich bin dann plötzlich wieder mitten im Turnier. Manchmal fühle ich gar nicht, wie angespannt ich eigentlich bin. Im Rausch der Euphorie melde ich mich gleich noch für die nächsten Turniere an. Das kann dann aber schnell zu viel werden und ist wirklich ein schmaler Grat.

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