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Andy Sullivan

Der hat 'nen Bart

Von Jan Langenbein, Fotos: Tino Dertz/ZWEI:D

Nach fünf Jahren Durststrecke spielt der Witzbold der Tour plötzlich wieder Golf, als wäre es 2015. Das könnte auch daran liegen, dass Andy Sullivan selbst die größten Turniere mittlerweile ganz easy und entspannt angeht.

Manch fragiler Profigolfer-Seele würde es höchstwahrscheinlich zusetzen, nach immerhin schon vier Profisiegen und einer Ryder-Cup-Teilnahme für einen Großteil der Golffans weltweit auf immer und ewig der Typ zu sein, der das Ass auf YouTube geschlagen hat. Andy Sullivan zählt definitiv nicht zu diesen zart besaiteten Geschöpfen. "Bist du verrückt? Das war einer meiner großartigsten Momente auf dem Golfplatz und ich freue mich jedes Mal, wenn ich von Fans darauf angesprochen werde", bügelt er die Frage ab, ob es nicht manchmal nerve, auf einen einzigen Schlag in einem Juxvideo reduziert zu werden.

Und Recht hat er, schließlich gelang Sullivan als bislang Einzigem, bei der Chase the Ace Challenge der European Tour tatsächlich ins Schwarze zu treffen. 230 Schläge aus 156 Metern benötigte er im Frühjahr 2019 im London Golf Club und überzeugte dabei mit einer Grüntrefferquote von 94 Prozent sowie 42 Schlägen, die näher als 1,5 Meter an der Fahne landeten, nicht nur golferisch. Der Entertainmentfaktor ist - typisch Sullivan - enorm, schließlich ist Andys Jagd nach dem Ass mit mehr gebeepten Stellen, als Liam Gallagher oder Gordon Ramsay produzieren könnten, auch heute noch eines der erfolgreichsten europäischen Profigolf-Videos im Netz.

Wundern kann das niemanden, fällt es doch nie besonders schwer, Andy Sullivan nach einer Runde im Clubhaus oder in der Players Lounge ausfindig zu machen. Wenn sich irgendwo eine Gruppe gebildet hat, deren Gelächter und Geräuschpegel den gesamten Raum füllt, so ist der 34 Jahre alte Engländer meist in deren Zentrum. Egal wie sein Tagesergebnis auch aussah, Andy macht seinem Ruf als Witzbold der Tour täglich alle Ehre.

Andy Sullivan:

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Ich hätte nicht gedacht, dass ich mir am ersten Tee beim Ryder Cup derartig in die Hosen machen würde.
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Sportlich gab es nach Sullivans Traumsaison 2015, in der ihm drei Siege auf der Tour gelangen, die ihn zu Beginn des Jahres 2016 bis auf Rang 28 der Weltrangliste nach oben katapultierten, allerdings nicht mehr allzu viel zu lachen. Er schaffte es zwar zusammen mit fünf weiteren Rookies in das Ryder-Cup-Team, doch in Hazeltine bekam Darren Clarkes Debütantentruppe die Hosen lang gezogen. Infolgedessen rutschte Sullivan langsam, aber stetig in der Weltrangliste ab und fiel ein Jahr nach seinem Ryder-Cup-Debüt aus den Top 100.

Nach durchwachsenen Spielzeiten 2018 und '19 war es die globale Zwangspause, die Andy Sullivans Golfspiel ganz offensichtlich positiv beeinflusste. Irgendetwas schien während des Lockdowns bei ihm Klick gemacht zu haben, denn als die European Tour mit einem Notprogramm im Sommer 2020 den Spielbetrieb wieder aufnahm, schoss Sullivan förmlich die Lichter aus. Mit einem Gesamtergebnis von sagenhaften 27 unter Par fand er bei der English Championship nicht nur zurück in den Kreis der Sieger, sondern er verbesserte mit 257 Schlägen über vier Tage auch gleichzeitig den uralten Scoring-Rekord der European Tour von Ian Woosnam aus dem Jahre 1990 um einem Schlag.

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Vier Monate später bei der Golf in Dubai Championship bewies er mit einer lupenreinen 61 zum Auftakt, dass er offenbar nicht nur Gefallen an rekordverdächtigen Ergebnissen gefunden hatte, sondern ganz offensichtlich auch über das dazu nötige Golfspiel verfügt. Witzbold Nummer zwei auf der Tour Eddie Pepperell fühlte sich nach dieser Fabelrunde in den Jumeirah Golf Estates genötigt, das öffentliche Image Sullivans auf Twitter klarstellen zu müssen: "Ich weiß, viele Menschen denken, @andysullivgolf sei ein netter Typ, aber das stimmt nicht. Er ist ein demoralisierender Schlägertyp!" Der war sich allerdings keiner Schuld bewusst und konterte: "Sei nicht so, Ed. Ich habe zum Ende der Runde ein paar Putts verschoben."

Zurück in den Top 100 der Welt, mit mittlerweile Mitte 30 und drei Kindern zu Hause absolut geerdet und mit einer nicht kleinzukriegenden guten Laune ausgestattet, ist Andy Sullivan ganz offensichtlich bereit, wieder ganz oben mitzuspielen.

Nach vier sieglosen Jahren auf der Tour konntest du dich letzten Sommer wieder in den Kreis der Sieger spielen. Ändert die Tatsache, dass dein Triumph bei der English Championship im August 2020 ohne Zuschauer stattfand, etwas daran, wie du den Sieg bewertest? Schließlich bist du ein Spielertyp, der von der Energie des Publikums zehrt...
Das war eine wirklich merkwürdige Erfahrung. Das Turnier fand kurz nach dem harten Lockdown statt, in dem wir alle zu Hause saßen und nichts tun konnten. Daher war es großartig, überhaupt wieder auf dem Golfplatz sein zu können und unter Wettkampfbedingungen zu spielen, selbst wenn keine Zuschauer auf der Anlage waren. Es war aber komisch, mit einer großen Führung die letzten Löcher zu spielen, zu wissen, dass man gewinnen wird, und trotzdem in kompletter Stille keinerlei Energie oder Spannung von den Zuschauern zu spüren. Nichtsdestotrotz war es ein phänomenaler Moment für mich, nach so langer Zeit wieder einen Sieg einzufahren, und eine große Erleichterung. Das hat es einfacher gemacht, die fehlenden Zuschauer und die Stimmung zu verschmerzen.

Wie fühlt sich dein Golfschwung im Moment an und was sind deine Ziele für den Rest der Saison?
Die bisherige Saison 2021 war ein ständiges Auf und Ab. Sehr guten Wochen wie in Dubai oder München folgten zu oft verpasste Cuts. Ich habe das Gefühl, im Moment ziemlich gutes Golf zu spielen und recht nah an meiner Bestform zu sein. Das Wichtigste im Golf ist, geduldig zu bleiben und die Ergebnis nicht zu jagen, sondern sie kommen zu lassen.

Bei der Open Championship lagst du nach zwei Runden aussichtsreich im Rennen. Was ist am Wochenende passiert?
Ich habe sehr diszipliniert gespielt und war mit meinem langen Spiel äußerst zufrieden. Aber der Putter hat überhaupt nicht funktioniert und ich konnte keine Birdies mehr spielen. Am Sonntagabend war ich natürlich massiv enttäuscht, aber mittlerweile sehe ich das Positive dieser Woche. Ich hatte keinerlei Erwartungen, da ich mich erst kurz vor Torschluss qualifiziert hatte. Daher habe ich die Open wie jedes andere Turnier auch betrachtet und bin superrelaxt in die Runden gegangen. Neun Löcher am Dienstag und neun Löcher am Mittwoch waren die gesamte Vorbereitung. Wieder Zuschauer auf der Anlage zu haben war ein großartiges Gefühl.

 
Andrew Michael Sullivan

Andrew Michael Sullivan

Alter: 34 Jahre
Geburtsort: Nuneaton, England
Profi seit: 2011
Lieblingsteam: Liverpool F.C.

Erfolge:
2011 Scottish Amateur Championship (Amateur)
2015 South African Open (European Tour), Joburg Ppen (European Tour), Portugal Masters (European Tour)
2020 English Championship (European Tour)

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