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Chubby Chandler

Rede zur Lage der Golfnation

Von Tim Southwell, Fotos: Mike Meyer

Gibt es einen Don King im Profigolf? Wohl kaum, aber es gibt Andrew "Chubby" Chandler, der es vom European-Tour-Pro mit mäßigem Erfolg in einer zweiten Karriere als Spielermanager in die höchsten Höhen des Golfsports schaffte. Niemals um ein klares Wort verlegen, gibt es keinen besseren Gesprächspartner in Zeiten wie diesen...

Wie hast du den Lockdown überstanden? Bist du die Wände hochgegangen?
Nein, nein, ich hatte wirklich eine tolle Zeit. Es war Zeit zum Nachdenken und ich habe viel mit den Kids unternommen. In den vergangenen vier Monaten saß ich nur ein einziges Mal in einem Flugzeug und habe nur eine einzige Nacht in einem Hotel übernachtet. Kein Vergleich zu der Prä-Covid-19-Zeit! Da war einem ja gar nicht wirklich klar, was für ein abnormes Leben man eigentlich führt. Jetzt lebe ich ein normales Leben und mache all die Dinge, die andere Leute auch machen. Wenn mir jemand eine SMS schreibt und fragt, ob wir ein Bier trinken oder golfen gehen, dann gehen wir ein Bier trinken oder golfen. Das habe ich zuvor nie getan. Ich war immer viel zu gerädert und hatte Jetlag, weil ich von weiß Gott wo zurückkam.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Im Moment besteht die Arbeit hauptsächlich aus Event-Kram. Das Spieler-Management ist praktisch eingefroren. Heute Morgen wurde bekannt, dass Alex Levy in Celtic Manor positiv auf Covid-19 getestet wurde, und nun stecken alle Spieler in ihren Hotelzimmern fest und ordern Room-Service. Sie tun mir wirklich leid, es ist eine schwierige Situation. Die Tour tut, was getan werden kann, und es gibt niemanden, den man verantwortlich machen könnte. So sind einfach die Umstände. Es wundert mich nicht, dass einige Spieler zu mosern beginnen. Das alles zehrt an den Nerven und das einzige Ventil für all den Druck ist die Zeit auf dem Golfplatz. Alles andere ist wirklich Scheiße im Moment. Aber so ist es nun mal. Golfprofis lebten während der letzten 30 Jahre in einer stets wachsenden, perfekten Welt. Das hat sich im letzten halben Jahr radikal geändert. Meine Arbeit dagegen ist einfacher geworden und besteht fast nur noch aus Zoom-Meetings. Auch die Golfrunden mit Geschäftspartnern halten mich auf Trab. Dafür ist nun endlich Zeit und so kann man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Vor der Krise habe ich kaum Golf gespielt.

Selbst Golf zu spielen macht dir also wieder Spaß?
Absolut. Ich genieße jeden Tag auf dem Golfplatz. Ich bin in den JCB Country Club eingetreten und es ist wirklich phänomenal dort [deren Website solltest du dir ansehen; Anm. d. Red.]. Muss es wohl, schließlich ist es eine 55-minütige Fahrt dorthin und die zwei Stunden im Auto hin und zurück machen mir überhaupt nichts aus. [lacht] Ich habe in den letzten Monaten auch mehr Golf gespielt als je zuvor... Die ganze Welt spielt mehr Golf, oder? Ein Golfclub in meiner Nachbarschaft, Dunham Forest, hat seit April 70 neue Mitglieder aufgenommen. Auch die Golfmode geht gerade durch die Decke. Vor drei Wochen hatte ich ein Meeting mit J.Lindeberg, die nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht vor lauter Arbeit. Bei Oscar Jacobsen ist es dasselbe. Aus der Not heraus haben sie vor einem Monat mit Online-Versand begonnen und nun können sie sich vor Bestellungen kaum retten. Die ganze Situation hat auch ihr Gutes. Familien verbringen mehr Zeit zusammen. Und all die Hunde im Vereinigten Königreich erst: Wann zuvor wurden sie je so viel Gassi geführt? Die Live-Event-Branche und der Profisport müssen im Moment richtig einstecken, alles andere sonst ist doch ziemlich gut, oder?

Chubby Chandler: Chubby Chandler (l.) Emirates GC, Dubai (r.)Chubby Chandler: Chubby Chandler (l.) Emirates GC, Dubai (r.)
Chubby Chandler (l.) Emirates GC, Dubai (r.)

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Worin liegen die Unterschiede zwischen Amateur- und Profigolf? Es gibt keine. Man bekommt eine Scorekarte und am Ende der Runde steht in der kleinen Box rechts unten der Score.
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Nimmst du neue Spieler unter Vertrag?
In Ausnahmefällen. Spieler, die jetzt ins Profilager wechseln, befinden sich in einer bescheidenen Situation. Egal wie gut sie im Moment spielen, vor Ende des kommenden Jahres können sie nicht auf die Tour kommen. Sie hängen also 15 Monate in einer Warteschleife, in der es nichts gibt, um das es sich zu spielen lohnte. Wir haben einen Jungen aus Essex, Curtis Knipes, unter Vertrag genommen. Er ist 19 Jahre alt und im Januar Profi geworden. Er wusste um das Risiko, das er eingeht, und hoffte darauf, dass ich ihm Turniereinladungen verschaffen kann. Im März ist seine ganze Planung dann in sich zusammengebrochen. Das tut mir unglaublich leid für ihn, denn er spielt wirklich gut und ist schon sehr erwachsen zwischen den Ohren.

Muss er sich für die Zwischenzeit einen anderen Job suchen?
Nein, er kann ein bisschen Geld auf Minitouren wie der Jamega Pro Golf Tour verdienen. Jede Woche bezahlt er rund 300 Pfund an Startgeldern, hat dafür bisher im Schnitt allerdings 800 Pfund pro Woche eingespielt. Mit diesen Beträgen muss er im Moment klarkommen. Er lebt noch bei seinen Eltern, seine Fixkosten sind also überschaubar.

Wie viele Turniere würdest du während einer normalen Saison besuchen?
Es waren meistens um die 20 Events pro Saison. Das führte zu rund 100 Flügen und 220 bis 230 Hotelübernachtungen pro Jahr. Der Lockdown hat mir nun gezeigt, dass ich nicht so viel unterwegs sein muss. Ich bin überall hingerannt, weil ich dachte, ich müsste dort sein, wo die Action ist und wo die Kunden sind.

First Class oder Business Class?
Nein, nein. Business Class auf Langstreckenflügen, ich war diesbezüglich immer recht vernünftig. Ende Oktober veranstalten wir die Cyprus Open, was ein wenig Geld in die Kassen bringt. Ich habe einen Mann in der Türkei, der nun wieder Vollzeit beschäftigt ist, da er die Rolle des Turnierdirektors in Zypern übernimmt. Wir haben das Turnier in der Türkei verloren, dafür Zypern gewonnen, nachdem wir einen Vertrag mit der Tour als Promoter für die Cyprus Open abgeschlossen hatten. Wir kümmern uns um die Sponsorenverträge, den Austragungsort und die Durchführung des Events.

Chubby Chandler: 22. Januar 2020 (l.)Chubby Chandler: 22. Januar 2020 (l.)
22. Januar 2020 (l.)
Aber worin liegt dann der Vorteil, Amateur zu bleiben?
Im Moment treten junge Nachwuchs-Pros wie Curtis oder Jack Floydd auf der Stelle. Es gibt keine Möglichkeit voranzukommen; das macht meinen Job, den Jungs sinnvolle Ziele vorzugeben, enorm schwierig. Einer unserer Spieler, Sami Välimäki, hat es geschafft, beim sechsten Start auf der European Tour überhaupt in Oman bereits zu gewinnen. Normalerweise, weil das Turnier über ein stattliches Preisgeld verfügt und am Anfang der Saison liegt, hätte Sami die Spielberechtigung für den Rest der Saison und die beiden folgenden Jahre erhalten. Nun allerdings, da dieses Jahr nicht zählt, bekommt er die Spielberechtigung sogar bis einschließlich 2023. Technisch gesehen hat er also nichts, um das es sich zu spielen lohnen würde, außer Cash. Was ich damit sagen möchte, ist, dass Weltranglistenpunkte wichtig sind, es allerdings schwierig ist, die Spieler zu motivieren, unter diesen Umständen zu kämpfen. Andere hingegen sind nicht wirklich motiviert, da sie die Tourkarte bereits bis in alle Ewigkeit in der Tasche haben.

Könntest du dir einen Ryder Cup ohne Fans vorstellen?
Nein, auf keinen Fall. Auch die Spieler haben an solchen Gedankenspielen kein Interesse, denn der Ryder Cup ist die einzige Chance im Kalender eines Profigolfers, sich einmal wie ein Fußballer zu fühlen. Eine Austragung ohne Fans würde das Ende des Ryder Cup bedeuten, denn so würde er zum Schau-Match verkommen.

 

Chubby Chandler

Name: Andrew Haydn "Chubby" Chandler
Wohnort: Ashley, Cheshire, UK
Profikarriere: 1974-1989 (European Tour)
Titel: CEO International Sports Management
Handicap: 14, aber ich glaube, es ist einiges schlechter.
Lieblingsplatz: Shadow Creek, Las Vegas & JCB Country Club
Lieblingsteam: Bolton Wanderers

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