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Tommy Fleetwood

Der liegt gut!

Von Tim Southwell, Fotos: David Corbett

Vor einem Jahr war Tommy Fleetwood noch drauf und dran, den Beruf zu wechseln, doch dann begann ein Sommermärchen, wie es nur der Golfsport schreiben kann und an dessen Happy End nicht nur ein potenzieller Major-Sieger, sondern auch ein Ryder-Cup-Star in spe steht.

Wow. Nur ein simples Wort: wow. Mehr braucht es nicht, um die vergangenen zwölf Monate im Leben des Tommy Fleetwood zusammenzufassen. Es mag sich zwar so anfühlen, als wäre Tommy bereits seit Ewigkeiten in dieser Position - ganz oben in den Ergebnislisten zahllose Nach-der-Runde-Interviews gebend und uns alle mit seinem charmanten Lächeln für sich einnehmend -, Tatsache ist jedoch, dass der Tommy Fleetwood in dieser Form erst seit einem Jahr existiert. Zuvor dümpelte er nämlich irgendwo jenseits von Position 200 in der Weltrangliste herum und war auf dem besten Wege, die Vorschusslorbeeren seiner Amateurkarriere endgültig zu verspielen.

Es stimmt schon, er hatte die Johnny Walker Championship in Gleneagles 2013 gewonnen; bedenkt man jedoch die großen Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, war das eine magere Ausbeute, seit der 26 Jahre alte Engländer im Jahr 2010 ins Profilager wechselte.

Schließlich hatte er diese unglaublichen Erfolge als Amateur mit einem zweiten Rang bei der Amateur Championship 2008 und einem Sieg bei der Scottish Amateur Strokeplay Championship, der ihm einen Platz im Walker Cup Team sicherte. 2010 krönte er seine Amateurkarriere dann mit einem Triumph bei der English Amateur Championship, der ihn gleichzeitig an die Spitze der Scratch-Player-Amateur-Weltrangliste katapultierte. Seine höchste Platzierung in der Amateur-Weltrangliste war ein dritter Platz. Damals hatte kein aufmerksamer Beobachter der Golfszene einen Zweifel, dass dieser junge Mann es bis ganz nach oben schaffen könnte.

Kurz nach seinem Sieg bei der English Amateur wechselte Fleetwood dann völlig zu Recht ins Profilager, wo er zunächst auf der Challenge Tour das Spielen mit den Profis lernte und dort 2011 im fernen Kasachstan seinen ersten Sieg samt Preisgeldscheck feierte. Die Karte für das Oberhaus der European Tour sicherte er sich 2012.

Machen wir einen Zeitsprung zur South African Open 2013. Nach einem holprigen ersten Jahr auf der European Tour sah sich Tommy Fleetwood mit einer "Friss oder stirb!"-Situation konfrontiert: Sollte er es nicht in die Top Ten schaffen, würde er seine Tourkarte verlieren und müsste praktisch wieder bei null beginnen. Es war an der Zeit, endlich so nervenstark zu spielen, wie er es als Amateur in der Lage war, und tatsächlich platzte in Südafrika der Knoten. "An diesem Wochenende bin ich auf der European Tour angekommen", sagte Tommy, nachdem er die Top Ten geschafft hatte. Auch sein Putten, bisher der Stoff, aus dem Albträume gemacht sind und immer wieder Selbstzweifel in seinem Kopf pflanzten, schien dank einer kleinen Änderung gebändigt zu sein.

Tommy Fleetwood:

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ALS AM SAMSTAG EINE 66 FOLGTE, WAR GANZ SOUTHPORT WIEDER VERSÖHNT MIT SEINEM GOLFHELDEN UND DIE SCHLACHTGESÄNGE WAREN BIS INS STADTZENTRUM ZU HÖREN.
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Der Claw-Griff ist zwar mit Sicherheit kein optischer Leckerbissen, aber immerhin hat er auch Sergio García geholfen, endlich ein Major zu gewinnen. Tommy konnte dank dieser Technik 2017 bereits zwei Trophäen mit nach Hause nehmen. Die Siege bei der Abu Dhabi HSBC Golf Championship im Januar und bei der Open de France im Juli stellen sicher, dass er das Race to Dubai im Moment mit beinahe einer Million Punkten vor Sergio García und Jon Rahm anführt, und dann war da selbstverständlich noch seine sagenhafte Woche bei den US Open in Erin Hills. Kaum ein Buchmacher in den USA hatte den Engländer auf der Rechnung, doch der wurde am Ende geteilter Vierter und damit endgültig ein Teil der absoluten Profigolf-Elite.

Nur fünf Wochen später fand dann in seiner Heimatstadt Southport die Open Championship statt und die Erwartungen an den Lokalmatador, der als Jugendlicher oft heimlich auf den Links des Royal Birkdale Golf Club geschlichen war, da er sich das Greenfee nicht leisten konnte, waren verständlicherweise astronomisch hoch. Zu hoch für Tommy, wie es nach der ersten Runde und einer hässlichen 76 auf der Scorekarte aussah, denn der Cut war ernsthaft in Gefahr. "Reiß dich zusammen, du bist verdammt noch mal Tommy Fleetwood!", muss ihm jemand vor seiner Freitagsrunde eingebläut haben, denn unter kniffligsten Bedingungen brachte er in Runde zwei eine 69 ins Clubhaus und schaffte den Cut locker. Als am Samstag eine 66 folgte, war ganz Southport wieder versöhnt mit seinem Golfhelden und die Schlachtgesänge waren bis ins Stadtzentrum zu hören. Am Ende schaffte Fleetwood einen versöhnlichen geteilten 27. Platz bei seinem Heimspiel.

Viel wichtiger ist allerdings sein momentan 14. Platz in der Weltrangliste. Vor exakt zwölf Monaten lag er noch an 188. Stelle. Das Leben des Tommy Fleetwood ist seit Beginn 2017 nicht mehr dasselbe.

Und nun sitzen wir mit Tommy und Clare, die nicht nur seine Verlobte, sondern auch seine Managerin ist, in einem schicken Belle-Époque-Hotel im ländlichen Cheshire. Die beiden erwarten ihr erstes Kind und könnten augenscheinlich nicht glücklicher sein. Es wird Zeit, die Diktierfunktion des iPhone anzuwerfen.

GolfPunk: Was war nervenaufreibender: 2012 in Südafrika ein Top-Ten-Finish für die Tourkarte zu brauchen oder das Play-off bei der Johnny Walker 2013?
Tommy Fleetwood: Keine Frage: die Tourkarte halten zu müssen.

GP: Was für ein Druck lastet da auf einem Golfprofi?
TF: Es ist wirklich schrecklich. Mit etwas zeitlichem Abstand hat man einen anderen Blick darauf, aber jeder, der einmal in dieser Situation war, bemerkt, dass es jedes Jahr anderen Kollegen passiert, dass sie am Ende der Saison einen bestimmten Rang erreichen müssen. Für mich war das ein echt harter Tag und zeitgleich wurde auch ein Turnier in Hongkong gespielt. Beide Events waren die letzten der Saison und ich konnte im TV verfolgen, wie andere Spieler in Hongkong in derselben Situation steckten. Mein Vater war mit mir nach Südafrika geflogen, was geholfen hat. Dennoch war die ganze Woche nicht schön. Jeder Schlag, jede Entscheidung auf dem Platz und jeder Putt, der nicht fallen wollte, fühlten sich so viel schlimmer als sonst an.

GP: Das klingt, als ob man mental daran zerbrechen könnte.
TF: Ich war extrem nervös, habe aber zum Glück gut gespielt. Ich glaube, ich habe 16 oder 17 Grüns an diesem Tag getroffen und eine 69 gespielt. Der Stress während der Runde hielt sich daher in Grenzen. Trotzdem hoffe ich, dass sich so etwas nicht wiederholen wird.

GP: Kann man den Gemütszustand vor einer Runde, bei der es um die Tourkarte geht, vergleichen mit den Momenten, bevor du in Abu Dhabi zusammen mit Dustin Johnson aufgeteet hast und es um den Sieg ging?
TF: Eine Situation wie in Abu Dhabi sorgt ebenfalls für Anspannung, man kann sie aber auch genießen. Ich sehe das so: Ein Sieg ändert den Verlauf meiner Saison, aber nicht den Verlauf meiner gesamten Karriere. Klappt es an diesem Tag nicht, dann ist es kein Beinbruch, denn man hat ja eine gute Woche gespielt. In Abu Dhabi habe ich großartig gespielt, und obwohl ich zu Beginn der Runde ein wenig zurückgefallen bin und die anderen beiden in der Gruppe enorm gut gespielt haben, habe ich doch gespürt, dass ich ruhiger war als sie und es einfach mein Tag war.

GP: Nach der kleinen Formkrise im vergangenen Jahr kam der Sieg in Abu Dhabi doch recht plötzlich. Doch damit nicht genug: Es folgten noch zwei zweite Plätze in Shenzhen und bei der WGC Mexico-Championship. Was hast du über den Winter angestellt?
TF: Die "kleine Formkrise", wie du es nennst, zog sich von Juli 2015 bis Juli 2016 und war mehr als das. Ich hatte ein wirklich schlechtes Jahr und war praktisch hoffnungslos verloren.

GP: Gab es dafür einen konkreten Grund?
TF: Ich habe an meinem Schwung rumgebastelt und das hat nicht funktioniert. Ich habe mir die besten Spieler der Welt angesehen und auf eigene Faust Änderungen vorgenommen. Ich war damals unter den Top 50 der Welt und hatte zum ersten Mal die Startberechtigung für die großen Turniere wie zum Beispiel die WGC-Events. Kommt man als Neuling zu solchen Turnieren, möchte man die Trainingsrunden natürlich mit den Top-Stars spielen. Ich wollte sehen, was Spieler wie Henrik Stenson oder Graeme McDowell anders machen als ich. Mir ist aufgefallen, dass sie mit viel mehr Selbstvertrauen aufgetreten sind als ich und ihr Golfspiel viel besser unter Kontrolle hatten. Ich konnte beobachten, dass ihr Spiel deutlich erwachsener ist und sie ihren Schwung besser verstehen. Eine Sache, die ich mittlerweile gelernt habe.

GP: Du klingst wie ein alter Hase, dabei bist du erst 26...
TF: Ich habe beschlossen, dass ich einen Weltklasse-Coach benötige, wenn ich wirklich in die Weltspitze vorstoßen möchte. Also habe ich Pete Cowen und Mike Walker besucht und begonnen, mit ihnen zu arbeiten. Ich habe dann richtig losgelegt, doch die Strukturen und ihre Trainingsmethoden konnte ich nicht ganz erfassen. Keine Ahnung, woran es gelegen hat.

 

Steckbrief

Name: Thomas Paul Fleetwood
Wohnort: Southport, England
Profi seit: 2010
Lieblingsverein: FC Everton
Erfolge:
• 2011 Kazakhstan Open (Challenge Tour)
• 2013 Johnny Walker Championship at Gleneagles
• 2017 Abu Dhabi HSBC Golf Championship
• 2017 HNA Open de France

GP: Haben sie versucht, deine natürliche Flugkurve zu verändern?
TF: Ich habe die Bälle schon immer mit einem leichten Draw geschlagen, der manchmal leider etwas zu stark ausfällt. Je neutraler mein Ballflug ist, umso besser. Natürlich wollte ich den Ball auch mit einem Fade spielen können, wenn die Situation es erfordert, und dazu bin ich nun in der Lage. Ich habe nur viele der technischen Aspekte unseres Trainings nicht wirklich verstanden, und als ich dann echte Schwungprobleme bekam, war es an der Zeit, einen Wechsel zu vollziehen.

GP: Ging es dabei um die Chemie zwischen euch?
TF: Ja, denn ich mochte es sehr, mit Pete zu arbeiten. Ich denke, er ist ein brillanter Coach, und ich respektiere ihn sehr. Im Rückblick verstehe ich auch viel besser, was er damals erreichen wollte. Er ist sehr darauf bedacht, die Schlagfläche stark an den Ball kommen zu lassen und mit dem gesamten Körper zu arbeiten. Ich hatte jedoch immer schon Angst davor, zu viel Draw in meine Schläge zu bekommen, und darum alles nach rechts verzogen, da ich mich einfach nicht auf diesen Schwung einlassen konnte. Ich bin also zurück zu Alan Thompson gegangen, meinem alten Coach aus Jugendtagen, und da er mich und meinen Schwung schon ewig kennt, hat er sofort gesehen, was nicht gestimmt hat. Es war meine Naivität, nicht zu verstehen, dass auch ich Tendenzen in meinem Schwung habe, die man nicht bekämpfen sollte. Das Erfolgsrezept war also eine Kombination aus der Rückkehr zu Alan und der Entscheidung, einen meiner besten Freunde als Caddie zu engagieren. Auch wir kennen uns schon sehr lange und er war bereits zu Amateurzeiten hin und wieder mein Caddie. Das Ganze spielte sich im Juli 2016 ab; es war also ein großes Risiko, das er da einging.

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