Schneller Vorlauf: Acht Jahre später hat Francesco Molinari beides zur Realität werden lassen. Gegen einen wiedererstarkten Tiger Woods feierte er nach einem denkwürdigen Finalsonntag in Carnoustie 2018 seinen ersten Major-Erfolg und sein Auftritt beim Ryder Cup zwei Monate später im Le Golf National war geschichtsträchtig. Francesco gewann jedes einzelne seiner Matches. Und er spielte in allen. Seine 5-0-0 Bilanz vor den Toren von Paris bildete den Grundstein für den phänomenalen Sieg Europas gegen eine zumindest auf dem Papier übermächtige amerikanische Mannschaft. Franceso Molinaris und Tommy Fleetwoods Golf-Bromance und ihre perfekte Siegesquote von 100 Prozent waren der Leim, der das europäische Team zu einer unzertrennbaren Einheit zusammenkittete. Es war augenscheinlich, wie auch die beiden selbst ihre Rolle genossen und mit Freuden für eine Vielzahl von Foto-Ops posierten. Sie gingen sogar miteinander am Sonntagabend ins Bett - zufrieden grinsend. Mit dem Cup in ihrer Mitte und die Leistung des jeweils anderen in den höchsten Tönen lobend. Das virale Video war das mediale Highlight einer unvergesslichen Woche in Frankreich.
Francescos kometenhafter Aufstieg in der Weltrangliste von Platz 86 im Jahr 2016 auf Platz sieben - seine bislang beste Platzierung war Rang fünf - hat ihn zu einem echten Anwärter auf den Sieg bei jedem Major- Turnier verwandelt. Sein geerdeter und oft unspektakulärer Stil ist nicht zu vergleichen mit den flamboyanten Auftritten der Megastars Brooks Koepka oder Dustin Johnson. Seine Konkurrenten wissen jedoch nur zu gut, dass, wenn Francesco Molinari auf die Pirsch geht, er nicht weniger gefährlich ist als der Tiger.
»WENN MEIN VATER MICH DABEI BEOBACHTETE, WIE ICH DEN SCHLÄGER SCHMISS, GAB ES FÜR MINDESTENS EINE WOCHE LANG GOLFVERBOT. DAS WAR SEINE STRAFE DAFÜR, DASS ICH MICH AUF DEM GOLFPLATZ NICHT ANSTÄNDIG BENAHM. ICH BIN HEUTE WIRKLICH FROH DARÜBER, DASS ICH DIESE LEKTION BEREITS ALS KIND GELERNT HABE.«
Nach der Runde demonstrierte Francesco, dass es nur wenige Spieler in den höchsten Höhen der Weltrangliste gibt, die auch nach einem derartig brutalen Schlag in die Kniekehlen stets die richtigen Worte finden: "Ich habe diese Woche wirklich hart gekämpft da draußen", resümierte er lächelnd. "Und ich bin davon überzeugt, dass ich mit meinen beiden Doppel-Bogeys auch einige neue Fans dazugewonnen habe."
Einen Monat zuvor hatten wir uns mit Francesco Molinari in Bay Hill zum Fotoshooting getroffen, das das Cover dieser Ausgabe schmückt. Es war am Mittwoch, kurz nachdem Francesco seine Pro-Am- Runde beendet hatte, und - man mag es kaum glauben, aber Eddie Pepperell, Tommy Fleetwood und Thomas Pieters sind die lebenden Beispiele für dieses Phänomen - der Mann vor unserer Kamera schickte sich an, am kommenden Sonntag Pokal und Preisgeldscheck in Empfang zu nehmen. Es gibt im Profisport also offensichtlich nicht nur den "Madden-Fluch", der für beinahe jeden Athleten, der es auf die Verpackung des weltweit populären Videospiels schafft, eine karriereverändernde Verletzungspause nach sich zieht, sondern auch den "Golf-Punk-Segen" für jeden, der sich glücklich genug schätzen darf, im Vorfeld eines großen Turniers für ein GolfPunk-Cover in Szene gesetzt zu werden.
Francescos Lauf im Sommer 2018 wirkt im Rückspiegel betrachtet wie von einem anderen Stern. Die Ergebnisse dieser unglaublichen sechs Wochen: 1. BMW Championship, 2. Italian Open, 25. US Open, 1. Quicken Loans National, 2. John Deere Classic, 1. Open Championship. Klare Sache: Im Sommer 2018 war Francesco der beste Golfer der Welt und in Carnoustie fand die Krönungszeremonie statt, wo er als erster Italiener überhaupt ein Major gewinnen konnte.
Die Bedingungen während dieser denkwürdigen Woche in Carnoustie waren windig und knochentrocken. Der Jahrhundertsommer, der zu dieser Zeit ganz Europa in eine Wüste verwandelte, sorgte für steinharte Fairways und somit auch für unzählige Drives, die nahe an die 400-Meter-Marke rollten. Rückblickend gerät es beinahe in Vergessenheit, dass sich Francesco Molinari erst während Runde drei ernsthaft ins Turniergeschehen einmischte. Während der ersten beiden Tage stellte er mit Ergebnissen von 70 und 72 nicht wirklich eine Gefahr für die Führenden dar, doch das änderte sich am Moving Day mit einer spektakulären 65. Sein Spielpartner Tiger Woods führt am Finaltag nach zehn Löchern kurzfristig, doch genau wie der beste Golfer aller Zeiten erlaubten sich auch die anderen Titelanwärter wie Jordan Spieth oder Xander Schauffele zu viele Fehler, während Francesco Molinari stoisch seiner Arbeit nachging und mit einer blitzsauberen 69 die Claret Jug mit zwei Schlägen Vorsprung gewann. Kein einziges Bogey besudelte seine Scorekarte an diesem Sonntag. Beeindruckend!
Steckbrief
Name: Francesco MolinariAlter: 36 Jahre
Geburtsort: Turin (IT)
Profi seit: 2004
Lieblingsteam: Inter Mailand
Erfolge:
2006 Italia Open (European Tour)
2010 HSBC Champions (World Golf Championships)
2012 Open de Espaρa (European Tour)
2016 Italian Open (European Tour)
2018 BMW PGA Championship (European Tour)
2018 Quicken Loans National (PGA Tour)
2018 Open Championship (Major)
2019 Arnold Palmer Invitational (PGA Tour)