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GolfPunk vs. Tiger – Teil 2

Kommt Tiger zum Spielen raus?

Von Tim Southwell, Fotos: Derek Ridgers

ERSTER ABSCHLAG, NAVY GOLF COURSE, 13:45 UHR


"Das Loch ist 370 Yards lang", verrät Tiger am ersten Tee. "Keine Probleme weit und breit."
"Das sagt sich so einfach...", entgegne ich nun sichtlich nervös.

"It's your honor, your honor!" Tiger ist bei den "Caddyshack"-Zitaten angekommen, doch den nächsten Satz aus seinem Mund hätte ich nicht erwartet. "Guter Schlag!" Ich habe tatsächlich das Fairway getroffen.

Darüber hinaus kann ich mich zugegebenermaßen nicht an allzu viele Ereignisse der folgenden zweieinhalb Stunden erinnern. Ich weiß noch, dass Tiger nicht mehr oft die Möglichkeit bekam, "guter Schlag" zu sagen und wie beeindruckend spielerisch er mit einem Endergebnis von vier unter Par über die neun Löcher tänzelte. Vier unter Par - und das, obwohl er es für nötig hielt, uns mit Hollywood-Hooks eine Show zu bieten und lachhaft hohe Fades zu schlagen, die trotz ihrer vollkommenen Sinnlosigkeit immer nahe der Löcher landeten. Ich bediente die Fahnen, während er Birdie-Putts versenkte, und er rechte die Bunker, nachdem ich Sandburgen gebaut hatte.

Auf dem sechsten Abschlag hielt er inne und deutete auf eine dürre Ulme irgendwo in der Ferne.
"Dieser Baum heißt 'Tiger Tree'", erklärte er. "Mein Papa meinte, ich wäre bereit für Turniergolf, wenn ich es schaffe ,meinen Drive über diesen Baum zu schlagen."

Und schon startete ein perfekter Fade, der später sein Markenzeichen werden sollte, in Richtung sechstes Fairway, der die Ulme ohne Mühe aus der Luft grüßte.

Ich hatte bis dahin schon einige Golfprofis beim Training beobachtet und konnte nie ausmachen, welcher dieser butterweichen Schwünge nun besser oder schöner sein sollte. Doch als ich Tiger an diesem Tag beobachtete, wurde mir schnell klar, dass ich mich in Gegenwart von etwas ernsthaft Außerordentlichem befand.

Unserer Runde folgte ein Puttwettbewerb über 18 Löcher und ich warnte Tiger, dass er es nun mit dem Sussex Junior Schools Champion der Mid-Handicap-Kategorie des Jahres 1982 zu tun bekommen würde.

"Das klingt nach einem coolen Titel", entgegnete er höflich, aber unbeeindruckt. "Ich habe gerade die US Junior Championship zum dritten Mal in Folge gewonnen."

Ein Loch konnte ich dank eines Zufallstreffers aus acht Metern für mich entscheiden und zwei teilten wir, da Tiger demonstrieren musste, dass er es auch mit links versteht, mit dem Putter umzugehen. Mein Bier und Tigers Coke im Clubhaus gingen also auf mich, und als die Gläser geleert waren, machten wir uns auf zu Tigers Lieblings-Mexikaner "El Zarape".

Den Rest des Abends sprach Tiger leidenschaftlich über seine Pläne, eine Stiftung zugunsten unterprivilegierter Jugendlicher gründen zu wollen. Meine Gedanken schweiften derweil zu meinem 17-jährigen Ich ab, das sich hauptsächlich für Pints im Pub interessierte und jedem, der bereit war zuzuhören, irgendwelchen naseweisen Dünnpfiff erzählen wollte. Doch dieser Jugendliche sprach im gleichen zarten Alter bereits von Zielen, die weit jenseits aller möglichen Erfolge auf dem Golfplatz lagen.

"Ich interessiere mich nicht wirklich für Geld und all die Dinge", erklärte er mit einem Mund voller Nachos. "Ich möchte einfach nur der beste Golfer werden. Und ich meine nicht der beste afroamerikanische Golfer, sondern der beste überhaupt!"
"Glaubst du, du könntest Nick Faldo schlagen?" Nick war damals die Nummer eins der Welt.
"Natürlich, ich kann jeden schlagen."

Zu diesem Zeitpunkt waren sowohl Derek als auch ich bei der vierten Margarita angelangt und am nächsten Morgen wartete ein Fallschirmsprung auf uns. Heute mag es wahnsinnig klingen, doch an dieser Stelle erklärten wir Tiger Woods, dass wir nun aufbrechen müssten, und ich erinnere mich noch genau, dass beim Gedanken, dass dieser Abend nun enden würde, eine Spur von Enttäuschung und Schwermut über seine Gesichtszüge huschte.

"Es hat heute eine Menge Spaß gemacht mit euch Jungs", sagte er, als wir auf dem Parkplatz Hände schüttelten. "Falls ihr mal wieder in der Stadt sein und eine Runde Golf spielen wollt, meldet euch!"

Im April 1994 erschien die erste Ausgabe von "Loaded" und mein Artikel über Tiger Woods schloss mit den Worten: "Ladies und Gentlemen, wir präsentieren: den zukünftigen größten Golfer aller Zeiten!" Vier Monate später gewann Tiger den ersten seiner drei US-Amateur-Championship-Titel.

GolfPunk vs. Tiger: GolfPunk vs. Tiger:

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Im April 1994 erschien die erste Ausgabe von ,Loaded' und mein Artikel über Tiger Woods schloss mit den Worten: ,Ladies und Gentlemen, wir präsentieren: den zukünftigen größten Golfer aller Zeiten!' Vier Monate später gewann Tiger den ersten seiner drei US-Amateur-Championship-Titel.
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NEUN JAHRE UND ELF MONATE SPÄTER


Da sitze ich also in meinem Mietwagen unweit seiner Haustür in Orlando mit einem Exemplar des GolfPunk-Dummys auf dem Schoß und fühle mich wie ein Spion ohne gültige Papiere in der Schlange des Checkpoint Charlie. Amerikaner sind schließlich bekannt dafür, an Orten wie diesen auf Menschen wie mich zu schießen, und aus der Hütte der Sicherheitsleute weht ein eisiger Wind der Kompromisslosigkeit herüber.

"Hallo!", trage ich in meinem poshesten britischen Akzent vor. "Ist Tiger zu Hause?"

Die Worte hängen schwer in der Luft, während die beiden Sicherheitsexperten zu decodieren versuchen, was ich da gerade gesagt habe.

"Entschuldige bitte?"
"Ist Tiger zu Hause?", wiederhole ich mich.
"Er bat mich... mich bei ihm zu melden... vor etwa zehn Jahren. Könnten Sie ihn vielleicht anfunken? Sagen Sie ihm, Tom Southwell vom ,Loaded'-Magazin, der nach Kalifornien kam, um ihn zu treffen und Fallschirm zu springen, möchte kurz Hallo sagen."
"Kurz Hallo sagen?"
"Ja, Hallo. Es wird nicht länger als zehn Minuten dauern, denn wir haben bei unserem Treffen vor zehn Jahren tatsächlich vergessen, ein gemeinsames Foto zu schießen."

Selbst der verzweifeltste Groupie hätte diese Situation besser gemeistert als ich, trotzdem scheint eine der Wachen Mitleid zu haben. Laut seiner Visitenkarte hört er auf den Namen Ronaldo und ist Experte in 'Urban Tactics. Security Sweeps. Surveillance Affairs. Weapons Instructor. International Affairs.' Ronaldo zeigt sich verständnisvoll, nachdem ich ihm erklärt habe, dass ich hierfür eigens aus London angereist bin.

Kommt Tiger zum Spielen raus?: Abgelehnt: Stefan Raabs erstes PlattencoverKommt Tiger zum Spielen raus?: Abgelehnt: Stefan Raabs erstes Plattencover
Abgelehnt: Stefan Raabs erstes Plattencover
"Es tut mir wirklich leid, Tiger ist nicht zu Hause. Gestern war er hier und ich bin mir ziemlich sicher, dass er vor kommendem Dienstag nicht zurückkommt."

Mir bleibt also nichts anderes übrig, als den Vorläufer unseres ersten GolfPunk-Magazins und einen herzerwärmenden Brief vertrauensvoll an Ronaldo auszuhändigen mit der Bitte, alles dem Herrn des Hauses zu übergeben. Dann wird der sprichwörtliche Ball in Tigers Garten liegen.

Eine Woche später rufe ich Ronaldos Mobilnummer an, um mich nach der erfolgreichen Übergabe meiner Drucksachen zu erkundigen. Wie sich herausstellt, schlägt Tiger an diesem Tag Bälle von der Helikopterplattform des Burj Al Arab in Dubai. Er hat also Besseres zu tun.

22. MÄRZ 2004, 11:48 UHR - BICESTER, ENGLAND


Sechs Wochen später stand ich neben einer riesigen Heidelberg-Druckmaschine. Tiger hatte sich nicht gemeldet, nichtsdestotrotz spuckte dieses Ungetüm nun die erste Ausgabe GolfPunk aus. Auf dem Cover? Tiger natürlich! Es war ein Moment, den ich nie vergessen werde, ein vollkommenes Erfolgsgefühl. Würden wir jemals einen ähnlich großen Einfluss auf die Golfwelt haben können wie Tiger Woods? Selbstverständlich nicht. Aber wir sollten jede Menge Spaß dabei haben, es zumindest zu versuchen.

Noch heute fühle ich eine immense Dankbarkeit, dass ich die unglaubliche Chance hatte, den echten Tiger Woods kennenlernen zu dürfen. Vor all dem Ruhm, vor der kommerziellen Zwangsjacke, vor all den Major-Siegen und Rekorden, vor dem Chaos, vor dem Gemetzel und vor den Comebacks.

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