Recht bald wurde er als junger Arzt im Angesicht des Krieges der US-Army zugewiesen, wo er in nur 18 Monaten 12.093 Zähne füllte, zog oder Kanäle legte. 1945 gewann er dennoch ganz nebenbei die North and South Open in Pine hurst/N.C. - und das als Vollzeitzahnarzt und Amateur gegen Ben Hogan und Gene Sarazen in der Finalpaarung. "Als ich 1946 die Armee verließ, wollte ich einfach nur ein wenig Golf spielen. Ich konnte keine Zähne mehr sehen!" Und er landete doch in der Praxis seines Vaters. Der konnte sich lange nicht mit den Ambitionen seines Sohnes anfreunden und sah dessen Platz neben sich mit weißem Kittel am Zahnarztstuhl. Er bat sogar seinen langjährigen Freund Bobby Jones darum, dem Sohn die Flausen einer Golfkarriere aus dem Kopf zu schlagen. Ja, der Bobby Jones, die Golflegende, die über den Schwung des Zahnarztes sagte: "Ich würde die Welt dafür geben, solch einen Schwung zu haben." Das ist umso bemerkenswerter, da Cary nie auch nur eine Golfstunde in seinem Leben hatte. Ein Jahr hielt Middlecoff es zwischen Bohrern, Wattetupfern, den Patienten und seinem Vater aus, bevor er im Alter von 26 Jahren 1947 auf die PGA Tour ging. Und wie heißt es so schön: Er schaute nie zurück.


»Ich war immer der Ansicht, dass jemand, der in entscheidenden Momenten nicht nervös ist, entweder ein Idiot ist oder nie nah genug am Sieg war.«
Neben der unbestrittenen sportlichen Klasse war er unter seinen Zeitgenossen für sein ausgesprochen langsames Spiel berüchtigt. In Spielerkreisen kursierte der Witz, dass Cary "Doc" Middlecoff die Praxis verlassen habe, da kein Patient so lange den Mund aufhalten könne. Und tatsächlich illustriert eine unterhaltsame Posse bei den US Open 1957, bei denen er als Titelverteidiger antrat, dass es seine Golfkollegen bei allem Spaß sehr ernst mit ihren Beschwerden meinten. Middlecoff konnte mit zwei aufeinanderfolgenden 68er-Runden acht Schläge Rückstand wettmachen und rettete sich in ein Playoff gegen Dick May er. Dieser brachte zum Stechen einen Campingstuhl mit auf die Anlage. Es war eine klare Anspielung auf die schneckenhafte Routi ne seines Gegners. Der Grund für die Langsamkeit: Cary Middlecoff war kleinlich, beinahe pedantisch, was seine Ansprechhaltung anging. Ob ihn dieses Psychospielchen aus der Konzentration brachte, das sei in der Beurteilung jedem selbst überlassen. Er schoss in jedem Fall eine fürchterliche 78 und verlor mit sieben. Das Thema Slow Play nahm auch der Kolumnist des "Atlanta Journal" Furman Bisher auf. Dieser schrieb einmal: "Es ist wahr, Cary Middlecoff spielt so langsam, fummelt und friemelt am Bag herum, kann sich nicht auf einen Schläger festlegen, es ist beinahe das Erste, was einem bei seinem Namen in den Sinn kommt - sein langsames Spiel. Das ist ungerecht, wirklich sehr ungerecht."
Es ist eine vergnügliche Randnotiz genauso wie eine Volte der Golfgeschichte, dass der golfende Zahnarzt auch an einem weiteren denkwürdigen Playoff beteiligt war. Jahre früher duellierte er sich 1949 bereits mit Lloyd Mangrum im längsten Sud den Death der TourGeschichte, nur um nach elf gespielten Extralöchern bei der Motor City Open zu Co-Siegern erklärt zu werden.
Trotz seiner Power und der penetranten Langsamkeit, die seine Gegner regelmäßig entnervte, war Emmet - den Namen mochte er nie und verbat ihn sich regelrecht - ein ausgesprochen eleganter Spieler. Seine stattlichen 1,87 Meter schwangen den Schläger raumgreifend und beinahe träge entspannt. Akzentuiert wurde sein Schwung durch eine ausgedehnte Pause vor dem Abschwung. Und die Länge vom Abschlag ging dabei nur selten zu Lasten der Präzision. "Ohne gerade Drives erreichst du nichts", so sein Mantra. Als Bonus kam dazu, dass Middlecoff ein ausgesprochen guter Putter war. Seine ganze Erscheinung, seine Herangehensweise an das Golfspiel war das, was heute als ausgemachte Coolness gelten würde. Umso erstaunlicher, da er als absolutes Nervenbündel galt. Eine vermeintliche Schwäche, die er nie leugnete: "Ich war immer der Ansicht, dass jemand, der in entscheidenden Momenten nicht nervös ist, entweder ein Idiot ist oder nie nah genug am Sieg war."
Und dass er nicht nur nah dran war, sondern oft seine Hände um den Siegerpokal legen konnte, davon zeugen neben den Einzeltriumphen auch seine siegreichen Teilnahmen am Ryder Cup in den Jahren 1953, 1955 und 1959. Ein chronisches Rückenleiden zwang ihn dann jedoch bereits in den frühen 60er-Jahren, gerade 40-jährig seine aktive Karriere zu beenden. Ein vermutlicher Grund lag darin, dass eines seiner Bei ne verkürzt war. Das Tour-Leben habe er trotz des frühen Karriereendes dennoch nie vermisst, vor allem das Reisen nicht: "Meist waren wir mit dem Auto unterwegs. 50.000 Meilen im Jahr, oft in der Nacht und am Montag - Urlaub war das nicht." Offensichtlich konnte auch die stete Begleitung seiner Frau Edith ihm die Reisestrapazen nicht versüßen. Mit seiner Jugendliebe war er bereits seit 1947 verheiratet. Sie war sein Rückhalt. So sagte er einmal: "Ich denke immer, was das Schlimmste sein könnte, vor einem wichtigen Schlag: ein Luftloch, ein Shank, ,out of bounds' - aber wenn es dann passiert, habe ich am Ende dennoch immer noch etwas Geld auf der Bank, meine Frau liebt mich nach wie vor und mein Hund wird mich nicht beißen, wenn ich nach Hause komme." Sie war bei ihm, als er 1998 in einem Altenheim verstarb.
Cary Emmet Middlecoff war einer der Größten seiner Zunft: Sein Name steht für immer in den Golfannalen, ebenso wie er auch noch lange auf einer kleinen Plakette an der Tür einer verwaisten Arztpraxis stand - sein Vater hatte sie einfach nicht abgenommen.