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Oli Fisher – Teil 2

Mr. 59

Von Tim Southwell, Fotos: Darren Arthur

Wo lag also das Problem?
Ich erinnerte mich plötzlich an die wirklich harte Schlussrunde, die ich auf exakt diesem Golfplatz im Jahr 2016 erlebt hatte. Es war damals das letzte Turnier meiner Saison und ich musste unbedingt ein paar Pfund verdienen, um meine Tourkarte und somit die Spielberechtigung zu halten. Mir gelang damals eine 65, ich wurde am Ende geteilter Zehnter und konnte mich um 20 Plätze im Race to Dubai verbessern. Ich spielte damals mit Brett Rumford und Graeme Storm, die beide ebenfalls um ihre Tourkarte kämpften. Das war ein mental äußerst auslaugender Tag damals, den ich mit zwei Birdies beenden konnte. Die zweiten neun auf dem Victoria-Golfplatz halten jedoch einige Fallen parat und auch mehrere Möglichkeiten, Bälle ins Wasser zu schlagen und somit Doppel-Bogeys zu spielen, ohne großartige Fehler zu machen. Ich wusste also, dass noch eine Menge schiefgehen konnte. Es war aber wichtig zu wissen, dass ich hier bereits eine gute Runde unter großem Druck gespielt hatte und mir sagen konnte: "Hey, das hast du schon einmal geschafft." Es kamen immer mehr Zuschauer zu unserer Gruppe und es hat mir geholfen, dass Gary Murphy und die Kameras nun hier waren. Ich kenne ihn gut, da ich einige Male mit ihm gespielt habe. Als ich 2007 auf die Tour kam, spielte er ebenfalls noch auf der European Tour, und dass er nun ebenfalls hier war, könnte mir das sprichwörtliche Glück der Iren bringen, dachte ich. Keine Ahnung, was passiert wäre, wenn statt Gary ein Australier aufgetaucht wäre... [lacht]

Was war der größte Stolperstein während der letzten Löcher, der die 59 noch hätte verhindern können?
Ich hatte einen wirklich schlechten Abschlag auf der 16, einem Par 3, doch zum Glück konnte ich einen langen Putt zum Par versenken. Das hat die Runde auf der richtigen Spur gehalten. Ich war nicht wirklich nervös, als ich über diesem Putt stand, denn selbst wenn ich ihn verpasst hätte, wäre eine 59 mit zwei abschließenden Birdies immer noch möglich gewesen. Als ich dann auf den 18. Abschlag kam, reichte sogar ein Par und mir kam die alte Golfweisheit "Wenn du ein Par benötigst, versuche, ein Birdie zu spielen!" in den Sinn. Also attackierte ich mit meinem Wedge die Fahne direkt, pullte den Schlag aber leider. Als ich über dem etwa zehn Meter langen Birdie-Putt stand, fühlte es sich nicht wirklich speziell an. Es wäre natürlich eine Lüge, wenn ich behauten würde, dass ich nicht gezittert hätte, aber ich wollte den Putt einfach nur direkt ans Loch spielen. Weil ich ein bisschen zu wenig Break gespielt hatte, traf der Ball die linke Lochkante, lippte aus und blieb 30 Zentimeter hinter dem Loch liegen. Einen solch kurzen Tap-in zur 59 zu haben ist deutlich entspannter, als einen Wadenbeißer aus eineinhalb Metern spielen zu müssen, das kannst du mir glauben. [lacht]

Oli Fisher: Einfache Frage des Fotografen: Wer hat hier einen fahren lassen?Oli Fisher: Einfache Frage des Fotografen: Wer hat hier einen fahren lassen?
Einfache Frage des Fotografen: Wer hat hier einen fahren lassen?

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ICH MUSSTE IHN ALSO EIN WENIG ANSTACHELN, UM EINE REAKTION VON IHM ZU BEKOMMEN, ETWAS IN DER ART WIE: 'WER SPRICHT DEN ELEFANTEN IM RAUM NUN ENDLICH AN? WER NIMMT ALS ERSTER DIE ZAHL 59 IN DEN MUND, DU ODER ICH?'
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Gibt es etwas, was du während oder nach dieser Runde über dich und dein Spiel gelernt hast?
Die Erkenntnisse dieser Runde sind mehr allgemeiner Natur. Nach dem man über Jahre Jungs wie Tiger oder Rory dabei beobachtet hat, wie sie sich am Samstag mit einer 64 in Position für die Schlussrunde bringen, zeigt mir diese Runde, dass jeder das schaffen kann, solange er mit einem Plan an solch eine Runde geht und diesem Plan auch folgt. Es war bei Weitem nicht so, dass ich jeden Drive mitten aufs Fairway gedroschen oder jedes Eisen tot an die Fahne geschlagen hätte. Ich konnte einige lange Putts lochen, habe leichte Fahnenpositionen ausgenutzt und schlichtweg nichts Dämliches veranstaltet. Zurückblickend ist das Befriedigendste dieser Runde die Art und Weise, wie ich nach Loch 16 mit der Situation umgegangen bin. Ich habe zu meinem Caddie Guy gesagt: "Alles klar, lass uns das hier jetzt einfach genießen und während der letzten beiden Löcher bloß nicht auf Autopilot schalten." Das ist nicht wirklich typisch für mich, denn eigentlich bin ich auf dem Golfplatz recht introvertiert.

Wie hat sich dein Caddie in dieser Situation verhalten? Er hat schließlich auch nicht alle Tage die Chance auf eine 59...
Guy hat seine Arbeit gemacht, als wäre nichts Besonderes gewesen. Ich musste ihn also ein wenig anstacheln, um eine Reaktion von ihm zu bekommen, etwas in der Art wie: "Wer spricht den Elefanten im Raum nun endlich an? Wer nimmt als Erster die Zahl 59 in den Mund, du oder ich?" Es war wichtig, das anzusprechen. Wir hätten uns schließlich auch darauf einigen können, auf Sicherheit zu spielen und unter Umständen so "nur" eine 60 zu spielen. Doch das haben wir zum Glück nicht diskutiert. [grinst]

Was war das für ein Gefühl, als der finale Putt ins Loch fiel?
Als der letzte Putt fiel und die 59 auf der Scorekarte stand, sprangen plötzlich ein paar meiner Kumpels aufs Grün. Simon Khan, Robert Rock und Sam Walker waren da. Matt Wallace verpasste mir eine Champagnerdusche. Rückblickend war es ein unglaublicher Tag! Zwölf Jahre spiele ich nun schon auf der Tour und konnte einmal gewinnen; ich hatte meine guten und schlechten Phasen, doch diese Runde werde ich natürlich nie vergessen. Ich weiß noch, wie mir Pete Cowen 2012 einmal sagte: "Golf wird dir immer etwas geben können, solange du nur hart arbeitest und mit einer positiven Einstellung an den Sport herantrittst." Das trifft absolut zu, es ist aber alles andere als einfach. Besonders als Tourspieler kann dieses Spiel durchaus brutal sein. Spitzensport ist niemals einfach, viele Faktoren entscheiden über Erfolg oder Misserfolg. Selbst Superstars wie Rory müssen ständig an ihrem Spiel arbeiten und dürfen dabei nie die Geduld verlieren.

Denkst du rückblickend manchmal, dass du deine Tourkarte zu früh bekommen hast?
Nein, das denke ich nicht. Ich habe seither eine Menge gelernt und ständig versucht, nicht nur ein besserer Golfer, sondern auch ein besserer Mensch zu werden. Ich habe lange Zeit gebraucht, um zu kapieren, dass es nichts bringt, einen schlechten Tag auf dem Golfplatz mit nach Hause zu nehmen und ewig darüber zu grübeln.

Was sind für die nächsten Jahre deine Ziele auf der Tour?
Ich muss mich in der Weltrangliste verbessern und meine Position in kleinen Schritten festigen, egal ob es in den Top 200, 150 oder 100 der Welt sein wird. Was die Turnierrunden angeht, muss auch mein Plan, mit dem ich an jede einzelne Runde herangehe, besser werden. Das ist nicht einfach, da ich in letzter Zeit nicht wirklich gut gespielt habe, und wenn man sich nicht auf sein langes Spiel verlassen kann, wird es schwierig, einer bestimmten Strategie zu folgen, weil die Bälle nur selten dort liegen, wo sie eigentlich liegen sollten. Es kann vorkommen, dass man am Donnerstag zur Mittagszeit zwei Stunden vor der Teetime auf den Platz kommt und einige der Jungs sind bereits mit einer 64 im Clubhaus und liegen bei -8. Dann spielt man plötzlich ein Bogey am Auftaktloch und liegt bereits neun Schläge zurück. In solchen Situationen denkt man unweigerlich: "Wie soll ich mit denen mithalten? Sie spielen gut, ich spiele schlecht." Erfolg liegt für mich in den kleinen Schritten, sich stets an den Plan zu halten und nicht zu viel Kontrolle nach draußen an Coaches und Berater abzugeben, ihnen aber zu ermöglichen, mich auf Fehler hinzuweisen, die ich mache. Wenn mir das konstant gelingt, dann werde ich in den nächsten zehn Jahren auch dorthin kommen, wo ich sein möchte.

Was war in deiner bisherigen Karriere der beste Schlag?
Das ist schwer zu sagen, aber ich habe schon einige gute Schläge gespielt, als es darum ging, meine Tourkarte zu halten. Vergangenes Jahr bei der Dunhill Links Championship in St. Andrews war die 9 auf dem Old Course am Sonntag das letzte Loch meiner Runde. Ich stand auf der Teebox mit einem Zwischenergebnis von -5 und wusste genau, wenn ich hier und heute ein gutes Ergebnis schaffe, ist dies gleichbedeutend mit einem saftigen Scheck und dem Halten der Tourkarte. Ich lag damals nicht gut in der Geldrangliste und musste daher etwas unternehmen. Wir mussten lange warten auf diesem neunten Abschlag, da die Gruppe vor uns noch nicht einmal auf dem Grün war. Es war ziemlich kalt und ich hatte etwas mehr als 300 Meter bis zur Fahne. Ich bin nicht besonders gut darin, Draws mit dem Driver zu schlagen, allerdings verlangte diese Situation in jedem Fall einen Draw, denn der Wind kam von links. Ich musste den Drive daher in Richtung der Bunker starten lassen und mit etwa fünf Metern Draw zurück in Richtung Grün manövrieren. Trotz der ewigen Warterei schlug ich einen perfekten Drive etwa viereinhalb Meter an die Fahne und versenkte den Putt zum Eagle zur 65 und zu einem Turnierergebnis von -7. Ich konnte meine Tourkarte behalten, und wenn ich daran zurückdenke, wie viel Zeit ich hatte, über diesen einen Schlag nachzudenken, um dann solch eine Bombe an die Fahne zu schlagen... Dieser Drive war wirklich wichtig.

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