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Quick-Interview

Melissa Reid

Von Tim Southwell, Fotos: Getty Images

Seit ihrer Rookie-Saison auf der LET im Jahr 2008 glich Melissa Reids Karriere einer Achterbahnfahrt. Sechs Profisiege und drei emotionale Solheim-Cup-Teilnahmen brachten ihr den Spitznamen "Löwin" ein. Doch das Leben auf der Tour hatte auch tragische Seiten. 2012 starb ihre Mutter Joy bei einem Autounfall während der Ladies German Open und Melissa zog sich teilweise aus der Öffentlichkeit zurück. Letztes Jahr unternahm die Engländerin einen weiteren mutigen Schritt und 2019 zeigt auch die Formkurve endlich wieder steil nach oben.

GolfPunk: Du hattest bisher ein eher durchwachsenes Jahr 2019 und - bam! - plötzlich ein dritter Platz bei der PGA Championship. Wie geht denn so was?
Melissa Reid: Mir war klar, dass es dieses Jahr etwas dauern würde, bis ich in die Gänge komme, denn ich habe im Winter wirklich alles auf links gedreht: neuer Schwung-Coach, neuer Fitnesstrainer, neuer Caddie, neues Management und ich bin nach Jupiter in Florida gezogen. Dass es dann während einer so wichtigen Woche bei einem Major klick gemacht hat, ist toll. Am Ende des vergangenen Jahres kam ich aus einer Langzeitbeziehung und dachte mir: "Das ist jetzt die Chance für Veränderung!" Ich bin in den letzten Jahren meist zu Hause geblieben, um Zeit mit meinem Vater zu verbringen, da wir 2012 meine Mutter verloren haben. Irgendwann ist mir jedoch aufgefallen, dass er ein viel intakteres Sozialleben hat als ich und keinen Babysitter benötigt. Wir sind eine große Familie und ich war es leid, mein Potenzial nicht zu entfalten. Ich wollte mich wieder voll auf die LPGA Tour konzentrieren und bin deshalb in die USA gezogen. Das macht das Reisen einfacher, das Wetter ist besser und ich kann in Jupiter Trainingsrunden mit Rory spielen. Ich habe dieses Jahr wirklich wie eine Besessene gearbeitet und in der Woche vor der PGA Championship konnte ich zum ersten Mal die Früchte dieser Arbeit erkennen. Wir schafften den Cut gerade so und ich meinte zu Brett, meinem Caddie: "Lass uns das Wochenende 10 unter Par spielen!" Mein Schwung fühlte sich toll an und ich habe tatsächlich 10 unter geschafft.

GP: Wie sieht es mit dem Solheim Cup aus? Du brauchst wohl einen Captain's Pick in diesem Jahr...
MR: Ich gehöre zu den Spielerinnen, die nicht wirklich mit einem Pick rechnen können, wenn ich mich nicht direkt qualifiziere. Hoffentlich bereiten meine aktuellen Resultate "Beanie" [Catriona Matthew; Anm. d. Red.] ein wenig Kopfzerbrechen, aber ich kenne ihre Gedankengänge natürlich nicht.

GP: Ein Solheim Cup ohne die "Löwin"? Kaum vorstellbar!
MR: [lacht] Genau! Ich gehöre definitiv zu den Spielerinnen, die im Moment die richtige Form zeigen. Ich versuche allerdings, nicht allzu sehr daran zu denken, auch wenn ich jede Woche in Interviews danach gefragt werde.

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ICH WOLLTE MICH WIEDER VOLL AUF DIE LPGA TOUR KONZENTRIEREN UND BIN DESHALB IN DIE USA GEZOGEN. DAS MACHT DAS REISEN EINFACHER, DAS WETTER IST BESSER UND ICH KANN IN JUPITER TRAININGSRUNDEN MIT RORY SPIELEN.
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GP: 2015 meintest du, dein Leben wäre ein einziges Chaos gewesen. Du hattest dich treiben lassen und viel gefeiert...
MR: Damals wurde auch stark übertrieben. Ich hatte einfach das Interesse an Golf verloren. Ich bin nicht jeden Abend um die Häuser gezogen, aber ich hatte mit dem Verlust meiner Mutter ein traumatisches Erlebnis zu verarbeiten und wollte meine Freunde um mich haben. Wenn ich gefragt wurde, ob ich mit auf einen Drink käme, habe ich daher nicht Nein gesagt. Mit meinem Golfspiel ging es abwärts, da ich nicht mehr sechs Stunden am Tag trainierte, sondern vielleicht noch sechs Stunden pro Woche. Im Rückblick würde ich heute einige Dinge anders machen, aber so habe ich mich damals eben gefühlt. Ich bin froh, dass ich es geschafft haben, den Kopf aus dem Sand zu ziehen.

GP: Du hast dich im vergangenen Jahr auf der LGBTQ-Webseite Athlete Ally als lesbisch geoutet. Nicht viele aktive Sportler haben den Mut dazu. Wie kam es zu dieser Entscheidung und wie waren die Reaktionen?
MR: Mit einer Freundin aus West Palms habe ich ein halbes Jahr über diesen Schritt gesprochen und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es nun an der Zeit sei. Aus meinem Umfeld wusste ich aus erster Hand, wie eine solche Entscheidung das Leben einiger Freunde vollkommen verändert hat. Ich habe miterlebt, wie Familien und Freunde äußerst negativ reagierten. Ich habe aber auch viel Positives erlebt und wollte mit meinem Text für alle sprechen, denen nach ihrem Outing Schlechtes widerfahren ist. Ich wollte den Eltern, deren Kinder sich als lesbisch oder schwul outen, erklären, wie sich so etwas anfühlt und es kamen tatsächlich Rückmeldungen, die mir dafür gedankt haben. Das ist eine riesige Sache für mich, denn solche Dinge können Familien zerstören. Die Reaktion der Tour war toll. Viele Spielerinnen kamen zu mir und meinten: "Großartig gemacht, wir sind stolz auf dich!" Aber ganz ehrlich, ich bin es leid, dass ich meine Partnerin nicht immer mit zu offiziellen Dinnern nehmen kann oder dass ich sie nicht als meine Partnerin vorstellen darf.

GP: Warum nicht?
MR: Man muss verstehen, dass es in einigen Ländern, in denen wir spielen, schlicht illegal wäre. Das ist auch der Grund, warum viele Spielerinnen von einem Coming-out absehen. Aus Sponsorensicht ist Golf ein sehr männlich dominierter Sport. Für Männer ist ein Outing daher bestimmt noch eine riskantere Sache, weil man sich der Reaktionen nicht sicher sein kann. Bei mir fielen diese glücklicherweise positiv aus und ich habe mit Aggreko einen neuen Bag-Sponsor. Nach meinem Outing kamen tatsächlich neue Sponsoren auf mich zu und genau das sind die Marken, die ich repräsentieren möchte.

GP: Engagiert sich die Golfindustrie deiner Meinung nach stark genug auf der LPGA Tour und LET?
MR: Nein, leider nicht. Wir haben mit Mike Whan einen fantastischen Commissioner auf der LPGA, der uns Spielerinnen wirklich versteht. Auf Seiten der großen Marken, die uns mit Schlägern und Bällen versorgen, sieht es jedoch anders aus. Versteh mich nicht falsch, mit Firmen wie Callaway, PXG, Ping und Miura sind durchaus Marken jede Woche auf der LPGA Tour präsent, aber dennoch gibt es immer noch große Marken, die sich nicht im Frauengolf engagieren. Es wird so viel Geld in die PGA Tour gesteckt, da wäre es schon schön, wenn wir wenigstens mit Material versorgt würden. Es geht noch nicht einmal um Geld. Ich habe in diesem Winter Absagen von drei großen Herstellern erhalten und alles, worum ich gebeten hatte, waren drei einzelne Golfschläger. Große Marken haben meiner Meinung nach auch eine große Verantwortung. Natürlich sollen in den Pro-Shops große Werbebanner mit Rory, Ricky, Tiger und Jon Rahm hängen. Aber Mädchen spielen auch Golf und daher finde ich, dass auch Lexi und Jessica Korda an gleicher Stelle das Frauengolf repräsentieren sollten. Inbee Park hat neun Major-Titel gewonnen. Bei der US Open im vergangenen Jahr ging ihr Holz 3, mit dem sie seit drei Jahren gespielt hatte, kaputt und sie bat den Hersteller um einen Ersatzschläger dieses Modells. Die Antwort lautete: "Klar, wir können den Schläger heute noch rausschicken. Das macht 200 Dollar." Kaum vorstellbar. Sie war damals die Nummer eins der Welt.

GP: Was ist das Beste am Golfspiel?
MR: Mir gefällt die Herausforderung - und auch die Tatsache, dass Golf einem das Herz brechen und wenige Augenblicke später für totale Euphorie sorgen kann. Ich lebe für Sport und es gibt kein vergleichbares Gefühl zu den Momenten, in denen man wirklich gut spielt. Dieses Gefühl kann süchtig machen.

 
Steckbrief

Steckbrief

Alter: 31 Jahre
Profi seit: 2007
Wohnort: Jupiter, Florida
Lieblingsverein: Derby County
Erfolge:
• 2010 Turkish Airlines Open (LET)
• 2011 Deloitte Ladies Open (LET)
• 2011 Open de España Femenino (LET)
• 2012 Raiffeisenbank Prague Golf Masters (LET)
• 2015 Turkish Airlines Ladies Open (LET)
• 2017 Oates Victorian Open (LET)

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