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Tommy Fleetwood – Teil 2

Morgens halb zehn in Amerika

Von Tim Southwell, Fotos: Mike Meyer

GolfPunk: Deine bislang höchste Weltranglistenplatzierung war Rang neun. Was, denkst du, ist da noch möglich?
Tommy Fleetwood: Nummer eins muss das Ziel sein. Das ist der Traum und war es immer schon. Je höher man in der Rangliste steigt, desto schwieriger wird es allerdings, noch Sprünge nach vorne zu machen. Im Moment bin ich sehr zufrieden und sehe viele Verbesserungen in meinem Spiel, aber man weiß natürlich nicht, wer als Nächstes in der Weltspitze aufschlagen wird. Es würde mich zum Beispiel nicht wundern, wenn Rory plötzlich anfangen würde, für die kommenden zehn Jahre das beste Golf seiner Karriere zu spielen. Aber hoffentlich kann ich mich weiterhin so entwickeln wie bisher. Dann ist Nummer eins in der Welt ein realistisches Ziel. Vor ein paar Jahren sah es zwar noch nicht danach aus, doch wenn man dann plötzlich etwas besser spielt, Cuts schafft und bessere Ergebnisse einfährt, wächst auch das Selbstvertrauen ganz schnell. Die psychologische Seite des Spiels war nie mein Problem, jedoch zehrt es natürlich an den Nerven und am Selbstbewusstsein, wenn die Form nicht stimmt. Es ist ein bekanntes Muster: Zuerst verabschiedet sich die Form und danach das Selbstvertrauen. Um dieses Selbstvertrauen zurückzugewinnen, muss man zunächst sein Spiel wiederfinden. Als ich 2016 eine echte Formkrise hatte, war längst nicht klar, dass ich mich daraus auch würde befreien können. Um ehrlich zu sein, habe ich mich damals schon nach anderen Jobs in der Golfszene umgeschaut. Ich war mir aber trotzdem sicher, dass ich es bis ganz nach oben schaffen kann, wenn ich nur endlich anfangen könnte, besser zu spielen. Es mag albern klingen, aber mehr steckt nicht dahinter. All die Jungs auf der Tour spielen extrem gut Golf, Selbstvertrauen erlangt man aber nur, wenn man sich ständig verbessert, und dann ist es nur noch eine Frage, das Gelernte im Turnier auch umzusetzen.

GP: Was treibt dich an, hart für den Erfolg zu arbeiten?
TF: Mein Antrieb ist der absolute Wunsch, so gut wie nur möglich zu sein. Daran hat sich seit meinen ersten Golfrunden nichts geändert. Es gibt keinen größeren Motivator als die eigene Familie und die Kids, denn sie sind auch für mich da, wenn es auf dem Golfplatz nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle. Ich bin ein sehr selbstloser Charakter und habe deshalb Probleme damit, Dinge nur für mich allein zu tun. Eine Familie zu haben - und ich habe mit der Familiengründung bereits in jungem Alter begonnen - gibt mir einen Grund, für den es sich lohnt zu arbeiten. Selbst wenn ich nie wieder einen Golfball schlagen könnte, wäre ich absolut glücklich mit meiner Situation und den Menschen um mich herum.

Tommy Fleetwood:

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WAS MOLIWOOD ANGEHT: ICH WÜRDE DIESE GESCHICHTE IN DEN KOMMENDEN JAHREN GERNE FORTSETZEN. WIR HABEN EIN KLEINES KAPITEL ZUR GESCHICHTE DES GOLFSPORTS BEIGETRAGEN UND ES IST GROSSARTIG, ES JETZT AUCH ERLEBEN ZU KÖNNEN.
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GP: Du hast uns bei der Tour durch euer Haus die Gipsabdrücke von Franklins Händen und Füßen gezeigt...
TF: Ja, ich lege sie immer auf meinen Nachttisch oder habe sie im Wohnzimmer um mich. Sie sind stets irgendwo in der Nähe, um mich zu erinnern, wofür ich morgens aufstehe, und motivieren mich auch an Tagen, an denen man lieber liegen bleiben oder einfach nur an den Strand schlendern würde. Die meisten Menschen denken, rund um den Globus zu fliegen und für dicke Preisgelder zu spielen wäre ein glamouröses und einfaches Leben. Das ist aber nicht unbedingt der Fall, besonders für die Jungs, die zwischen Europa und Amerika hin und her pendeln. Man spielt für seinen Lebensunterhalt, ist nur selten zu Hause, und wenn man den Cut verpasst, geht man nicht nur leer aus, sondern ist auch von zu Hause und der Familie getrennt. Nicht falsch verstehen: Das Leben eines Tour-Pros ist großartig, solange man gut spielt - das beste Leben überhaupt. Für uns, die wir erfolgreich auf der PGA Tour spielen, ist alles eine Wolke. Es ist ohne Übertreibung das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Man kann die Familie mit auf Reisen nehmen, man ist nie mehr als eine Handvoll Stunden vom eigenen Bett entfernt und die Preisgelder sind immens. Für die Jungs auf den hinteren Rängen der European Tour oder der Challenge Tour sieht die Welt jedoch anders aus. Dort gibt es Hunderte umherreisender Golfprofis, die irgendwie ums Auskommen kämpfen.

GP: Der Ryder Cup! Paris! Moliwood! Das war der Stoff, aus dem Legenden gemacht sind...
TF: Der Ryder Cup war brillant. Die Bezeichnung Moliwood für unser Duo finde ich großartig. Es ist mir zwar nicht gelungen, fünf von fünf möglichen Punkten zu gewinnen, wie Frankie es geschafft hat, aber Teil eines Teams zu sein, das alle vier seiner Matches gewinnen konnte, ist absolut sagenhaft. Während der Woche in Paris lebt man in einer Blase und bekommt nicht viel mit, was um einen herum mit all den Fans passiert und welche Wellen unsere Leistung zu Hause geschlagen hat. Nur zu gerne hätte ich den Ryder Cup als außenstehender Zuschauer beobachtet, um die Reaktionen der Fans auf dem Platz aufsaugen zu können. Was Moliwood angeht: Ich würde diese Geschichte in den kommenden Jahren gerne fortsetzen. Wir haben ein kleines Kapitel zur Geschichte des Golfsports beigetragen und es ist großartig, es jetzt auch erleben zu können.

Morgens halb zehn in Amerika
GP: Stimmt es, dass Francesco und du eure beiden Söhne ganz unabsichtlich nacheinander benannt habt?
TF: Ja. [lacht] Bisher hat noch keiner darüber geschrieben, ihr habt also einen echten Scoop. Frankie Fleetwood und Tommy Molinari! Es ist purer Zufall und komplett verrückt. Clares und mein Sohn Franklin trägt zufällig Francescos Namen und sein Sohn Tommaso heißt ganz zufällig wie ich. Clare und mir ist das vor einigen Wochen plötzlich aufgefallen. Ich habe Frankie sofort eine Nachricht geschrieben, wie unglaublich das Ganze doch sei, und er schrieb schlicht zurück: "Ja, ich weiß. Das war mir schon lange bewusst..." Seine Frau Valentina hatte bis dahin auch keine Ahnung von dem Zufall und war völlig geplättet. Frankie hat nur mit den Schultern gezuckt und gegrinst - ihn bringt eben nichts so schnell aus der Ruhe.

GP: Wir müssen über deine Haare sprechen. Sie sind schließlich mittlerweile beinahe so berühmt wie du selbst, oder?
TF: Wahrscheinlich noch berühmter! Ja, meine Haare werden öfter erkannt und angesprochen als ich selbst. Mir gefällt das gut, denn das ist eine völlig neue Erfahrung für mich. Ich wäre auch irgendwann bereit für eine Kurzhaarfrisur, aber für den Moment bleiben die Haare lang, sie haben schließlich einen Lauf. [lacht] Es gefällt mir, hin und wieder einen anderen Look auszuprobieren, und wer weiß, vielleicht rasiere ich mir die Haare irgendwann einmal komplett ab. Meine momentane Frisur hat, glaube ich, auch einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Publikums, das mich bei der Arbeit auf dem Platz begleitet. Ich höre während Turnieren immer wieder Kommentare zu meinen Haaren und kann auch beobachten, dass einige Kids unter den Zuschauern ihre Haare wachsen lassen. Das ist schon erstaunlich, ich hatte schließlich niemals vor, mir so lange Haare wachsen zu lassen. Das ist einfach passiert. Wäre ich kein Profigolfer und würde in Manchester über die Straße laufen, würde niemand von meinen Haaren Notiz nehmen. In dem Umfeld, in dem ich mich zurzeit bewege, fällt solch eine Frisur jedoch durchaus auf und besonders Kids scheinen darauf abzufahren. Es ist auch interessant, dass ich nie mit meinem Nachnamen Fleetwood angesprochen werde, sondern stets mit Tommy. Das gefällt mir gut, denn wie ich finde, zeigt es, wie ungezwungen der Umgang ist und dass die Fans mich für alles andere als unnahbar halten. Meine Haare sind Teil der Marke Tommy Fleetwood und deshalb wird der Rasierer sicherlich nicht so schnell ausgepackt. [lacht]

GP: Wie wichtig ist es dir, jüngere Fans für den Golfsport zu begeistern?
TF: Extrem wichtig und ich bin davon überzeugt, dass er bereits jünger und cooler wird. Es wäre ärgerlich, diese Chance, dem Golfsport einen Wachstumsschub zu verpassen, verstreichen zu lassen. Ich habe nichts gegen Traditionen, aber ich hatte in der Vergangenheit schon öfter Gespräche über Kleidervorschriften auf dem Golfplatz und darüber, wie man das Spiel für Kinder und Jugendliche zugänglicher gestalten könnte. Golf wird es mit Sicherheit immer geben, aber ich sehe durchaus eine Verantwortung bei uns, auch Kids und Jugendliche, ganz egal aus welcher Gesellschaftsschicht sie stammen, für den Sport zu begeistern.

GP: Blicken wir in die Zukunft und auf den Ryder Cup 2020: Kannst du dir vorstellen, einen Team-Song aufzunehmen, wie es die englische Nationalmannschaft 2018 gemacht hat?
TF: [lacht] Warum nicht? Aber vielleicht sollte ich zunächst einmal einen weiteren Ryder Cup spielen, bevor ich zu so einer Galionsfigur werden kann wie John Barnes im Fußball.

GP: Deine Verantwortung im Profigolfsport wird allerdings auch so schon immer größer. Du fungierst dieses Jahr als Gastgeber beim British Masters in Hillside, Southport, wo du aufgewachsen bist. Was bedeutet dir diese Gastgeberrolle?
TF: Es wird garantiert großartig, das British Masters in meiner Heimatstadt Southport zu veranstalten. Die Stadt ist absolut golfverrückt und trotzdem finden dort kaum Profiturniere statt, abgesehen von der Open Championship, die etwa alle zehn Jahre in Royal Birkdale ausgetragen wird. Golf spielt in Southport eine große Rolle und ich hatte das Glück, schon in jungem Alter mit dem Sport in Berührung zu kommen. Meine Eltern freuen sich ebenfalls schon sehr auf das British Masters. Sie leben seit ihrer Geburt in Southport und nun schicken sie mir plötzlich Bilder von Bussen, die durch die Stadt fahren und mit meinem Gesicht als Werbung für das Masters bedruckt sind. Ich gehe hier in Amerika meinem Alltag nach und plötzlich erscheint ein solches Bild von meinen Eltern auf meinem Smartphone... Da wird einem schlagartig klar, was für eine große Sache dieses Turnier für meine Heimat ist. Mit 18 Jahren wurde ich Mitglied in Hillside. Aufgewachsen bin ich in Formby Hall. Ich bin mir sicher, dass Hillside ein großartiger Austragungsort für das British Masters sein wird! Das Turnier findet in der Woche vor der PGA Championship statt, sodass der Termin leider mit der Major-Vorbereitung einiger Topspieler kollidiert. Trotzdem bin ich sicher, dass wir ein Spitzen-Starterfeld mit vielen European-Tour- Siegern und Ryder-Cup-Spielern nach Southport bekommen werden.

GP: Was hat es mit deiner Verehrung von Lee Trevino auf sich?
TF: Lee Trevino ist mein absoluter Golfheld. Die Art, wie er den Golfschläger geschwungen hat, könnte ich stundenlang bestaunen. Einige Elemente meines Schwungs habe ich mir bei Lee abgeschaut. Mir gefiel auch immer, wie selbstständig er war. Er hat als Profi stets alles in Eigenregie gemacht und das Spiel auf sich allein gestellt erlernt. Seit ich Golf spiele, wollte ich ihn einmal treffen, und letztes Jahr bei einem Turnier in Kanada sind wir uns über den Weg gelaufen. Er ist tatsächlich zu mir rübergekommen und wir haben uns unterhalten. Das war toll! Man sagt ja, man soll niemals seine Helden treffen, aber Lee Trevino ist auf jeden Fall eine Ausnahme zu dieser Regel. Er hat sich sehr lange Zeit für mich genommen und ist unglaublich witzig.

GP: Bist du bei dem Gespräch mit ihm überhaupt zu Wort gekommen?
TF: Ja, obwohl es wirklich nicht einfach ist. [lacht] Aber ich habe mich natürlich mehr aufs Zuhören beschränkt, schließlich möchte ich so viele Geschichten wie möglich von ihm hören.

GP: Nummer eins in der Weltrangliste ist also das Ziel. Was braucht es, um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen?
TF: Um es bis ganz nach oben zu schaffen, muss ich meine Annäherungsschläge aus 135 Metern verbessern und beim Putten aus drei Metern konstanter werden. Wenn ich diese beiden Probleme gelöst bekomme, dann werden auch die Siege nicht lange auf sich warten lassen. Auf der European Tour habe ich bereits wichtige Turniere gewinnen können, auf der PGA Tour und im Rest der Welt fehlen mir diese aber noch. Aber wie gesagt, das Selbstvertrauen ist ein wichtiger Teil auf dem Weg dorthin und dann sind auch Siege in Amerika und bei Major-Turnieren möglich.

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