Am ersten Abschlag - Ende Gelände?

Am ersten Abschlag

Ende Gelände?

24.10.2017 | Von Rüdiger Meyer, Foto(s): Getty Images

Tiger Woods meldet sich fit für die Saison 2018, doch kann das mit der Champions League tatsächlich klappen?

Würde Chaostheoretiker Edward Lorenz heute noch leben, würde er vermutlich den von ihm begründeten Schmetterlingseffekt umformulieren: Kann der Schwung von Tiger Woods in Florida einen Tornado in der Golfszene auslösen? Denn die Reaktionen, die ein von Woods in den sozialen Netzwerken geteiltes Neunsekundenvideo eines Driver-Schlags auslöste, glichen einem Tornado.

"Er hat einen wunderschönen, rhythmischen Schwung", schwärmte Blogger Geoff Shackelford im Golf Channel. "Er erinnert mich an den Schwung seiner Vergangenheit", stimmte Ryder-Cup-Kapitän Jim Furyk zu. Und Tigers ehemaliger Trainer Hank Haney prognostizierte sogar: "Mit diesem Schwung könnte er gewinnen." Doch was genau haben wir in diesem Video gesehen? Einen einzigen Schlag. Was war davor? Was war danach? War es Tigers 100. Schlag an diesem Tag? War es der einzige, den er versucht hat? Hat er danach gegrinst? Schmerzverzerrt das Gesicht zusammengekniffen? Ist er nach diesem Video 18 Löcher gegangen oder von einem Krankenwagen abtransportiert worden? Kurz gesagt: Nur weil Tiger Woods im traditionellen rot-schwarzen Sonntags-Outfit einen Abschlag gemacht hat, ist er noch nicht wieder auf dem Weg, den Major-Rekord von Jack Nicklaus zu brechen. Schließlich ist es nicht einmal einen Monat her, dass Tiger auf die Frage nach einem möglichen Karriereende antwortete: "Ich weiß nicht, was meine Zukunft bereithält."

Und die gleichen Schreiber, die jetzt von einer Renaissance des Tigers schwärmen, zückten damals die Bleistifte, um ihre Nachrufe zu verfassen. Nur weil die Nummer 1.164 (!) der Weltrangliste wieder einen Driver schwingen kann, bedeutet das nicht, dass sein Rücken dem physischen Stress einer Turnierwoche standhält - geschweige denn eines ganzen Turnierkalenders. Doch nicht nur sein Rücken spricht gegen Woods, auch das Alter wird immer mehr zum Hindernis. Am 30. Dezember feiert er seinen 42. Geburtstag. Und während Woods immer älter wurde, ist der Golfsport immer jünger geworden. Mit Spieth, Thomas, Matsuyama, Rahm, McIlroy & Co. haben Twentysomethings die Kontrolle übernommen. In den Top 60 der Weltrangliste findet sich aktuell nur eine Person, die älter als Tiger Woods ist: Phil Mickelson. Obwohl es uns wie gestern vorkommt, dass Tiger einen Major-Titel nach dem anderen einheimste: Es ist schon eine Ewigkeit her. Im kommenden Juni hat Woods' letzter großer Titel, sein einbeiniger Sieg bei den US Open, zehnjähriges Jubiläum.

Das klingt nicht nach viel? Vielleicht illustrieren diese Beispiele, wie lange es her ist: 2008 führte Tiger noch eine Vorzeige-Ehe mit Elin Nordegren. Bernhard Langer wurde Rookie of the Year auf der Champions Tour. Afroamerikaner waren nur in Filmen US-Präsidenten. Netflix verlieh noch DVDs. Und der HSV spielte im UEFA-Pokal. Apropos HSV: Wie aussichtslos die Experten Tiger Woods' Chancen sehen, zeigt ein Blick auf die Wettquoten. Bei den Wettbüros bekommt man für einen Euro Einsatz 70 bis 100 Euro zurück, wenn der HSV diese Saison auf einem Champions-League- Platz landet. Für einen Sieg von Tiger Woods bei einem der vier nächsten Majors gibt es 76 bis 200 Euro. Um das noch einmal deutlich zu sagen: Buchmacher, deren Existenz davon abhängt, Szenarien realistisch zu berechnen, halten es für wahrscheinlicher, dass der Hamburger SV in die Champions League kommt, als dass Tiger Woods ein Major gewinnt. Irgendjemand hier, der seinen Gehaltsscheck setzen möchte?