Marcel Siem - Der lange Weg zurück

Marcel Siem

Der lange Weg zurück

19.07.2021 | Von Johannes Oberlin, Foto(s): Getty Images, Instagram

Eine Schwungumstellung, inspiriert durch Dustin Johnson, kostete Marcel Siem beinah Schulter und Karriere. Mit einem Sieg auf der Challenge Tour vor gut einer Woche und seinem 'besten Golf' bei der Open (Rang 15) letztes Wochenende, ist der 41-jährige Ratinger zurück - und womöglich bald schon wieder fest auf der European Tour!

Vor noch gut 2 Monaten waren es die großen Golfwochen von Alex Cejka, nun folgte eine weitere Wiederauferstehung eines großen deutschen Sportnamens, Marcel Siem! Wer die letzten Leidensjahre des Deutschen mitverfolgt hatte, konnte kaum glauben, was er die letzten Tage sah.

Marcel Siem bei der großen Open. Startete mit zwei 67er-Runden, kletterte kurzzeitig auf Rang 2 des Leaderboards, vor Spielern wie Jordan Spieth. Emotional getragen von 32.000 Zuschauern im Royal St. Georges Golf Club in Sandwich. Unglaubliche Momente.



"Das ist das beste Golf, das ich je bei einem so wichtigen Turnier gespielt habe."


Es war das erste Major für den 1.89m großen Athleten seit 2015 und wie er später bestätigen sollte "das beste Golf, das ich je bei einem so wichtigen Turnier gespielt habe." Und das kam nicht von ungefähr. Eine Woche vor der Open hatte der Rheinländer auf der Challenge Tour die Le Vaudreuil Golf Challenge gewonnen.



Ein wichtiger Erfolg, um langfristig wieder in Europas erster Liga mitzumischen. Kurzfristig bescherte ihm sein jüngster Triumph ein Startplatz bei der Open, den er jedoch nicht sofort akzeptierte.

"Ich war dritter im Challenge Tour Ranking vor der Open (die ersten 15 bekommen am Ende der Saison die volle Spielberechtigung für die European Tour, d. Red.), aber ich war mir nicht sicher, ob ich schon wieder bereit bin für die ganz große Golfbühne. Erst einmal wollte ich vor allen Dingen meine Tourkarte auf der European Tour zurück haben. Dann hörte ich aber, dass 10% des Open-Preisgeldes mit in die Geldrangliste der Challenge Tour fließen, und dann war es für mich klar, bei der Open anzutreten. Das ist das beste Golfevent der Welt."

Wie das Ergebnis zeigt (Rang 15, €121.144,32 Preisgeld), war Siem's Rückkehr zur Open die einzige richtige Entscheidung. Und sicherlich ein Meilenstein seiner Karriere, gerade wenn man bedenkt, wie die letzten Jahre für den einstigen European Tour Champ verliefen.

"Ich hatte meinen Schwung verloren und war verletzt. Ich war mir nicht sicher, ob ich weitermachen soll."


Nachdem er 2014 nach seinem letzten von insgesamt vier European Tour-Siegen bis auf Rang 51 der Weltrangliste hochgeklettert war, wollte Marcel Siem mehr. Zu viel, wie sich später herausstellen sollte.

Ziel war es in die Top 50 zu kommen, um für alle Majors und die großen Turniere startberechtigt zu sein. Dafür wechselte er Trainer und Schwung. Letzteres sei im Nachhinein die schlimmste Entscheidung seiner Karriere gewesen. "Ich wollte ein wenig wie Dustin Johnson schwingen. Das hat mir alles kaputt gemacht. Ich habe mich dadurch an der Schulter verletzt und leide noch heute darunter", berichtete Siem vom vergeblichen Versuch DJ nachzuahmen.

Die Konsequenz war eine beispiellose Talfahrt ins Niemandsland der Golfweltrangliste. Noch letztes Jahr befand er sich abseits der 1.000 besten Spieler. Siem verpasste zwischen 2014 und 2018 etliche Cuts auf der European Tour, verlor am Ende seine Tourkarte und musste zurück auf die Challenge Tour. "Die letzten Jahre waren hart. Die Sponsoren waren weg. Es kam kein Preisgeld mehr rein, aber die Kosten blieben. Ich durfte nicht mehr bei den großen Turnieren mitspielen und war mir nicht sicher, ob ich weitermachen soll. Ich musste meinen Lebensstil einschränken, hatte meinen Schwung verloren und war verletzt."

Der lange Weg zurück


Dank Demut und harter Arbeit lernte Siem seine Rolle auf der Challenge Tour neu zu akzeptieren, spielte Turniere wie ein Besessener - die Open markierte sein 13. Event in Folge. Viele davon waren keine glamourösen Auftritte. Ohne Caddie und selber das Bag tragend, verpasste der einstige deutsche Golfstar Cuts bei zweitrangigen Veranstaltungen.

Dann kam die Wende. Genauer gesagt Anfang des Monats bei der Kaskáda Golf Challenge in Tschechien. Siem wurde 5. und gewann im Anschluss die Le Vaudreuil Golf Challenge in Frankreich. "Am Ende musste ich akzeptieren, wo ich bin. Das ist der einzige Weg nach vorne und der Grund, warum ich hier gewonnen habe", so Siem kurz vor seinem unvergesslichen Open-Start.

Es war sein erster Sieg im professionellen Golfgeschäft seit seinem BMW Masters-Triumph im November 2014. Wenn alles weiter so gut geht, werden wir Marcel nächstes Jahr schon wieder auf der European Tour erleben und dann vielleicht auch wieder bei der Open 2022.