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Die angenehmsten Orte der Welt

Frankreich: Golf du Touquet

Von Rudi Schaarschmidt

Links-Golf gilt überwiegend als britische Angelegenheit. Aber auch in Frankreich gibt es eine Handvoll dieser ursprünglichen Perlen. Die mit Abstand glitzerndste und traditionsreichste davon haben wir besucht.

Wenn man es einmal genauer betrachtet, sind Golfplatzarchitekten eigentlich arme Schweine. Vielleicht nicht monetär gesehen, dafür aber ideologisch. Sie sind mehr oder weniger Nerds, die ihr Leben einem unterschätzten und von vielen nicht wahrgenommenen Spezialgebiet widmen. Denn bestimmt 95 Prozent derjenigen, für die sie letztlich ihre ganze Kreativität und Arbeitskraft aufbringen - die Golfspieler -, haben überhaupt kein Empfinden für die Qualität ihrer Arbeit oder scheren sich einfach nicht darum. Der gemeine Golfer, und das gilt für Single-Handicapper gleichermaßen wie für tumbe Anfänger, motzt über Spike- und Pitchmarken, langsame oder schnelle Grüns, über nicht gerechte Bunker, Maulwurfshügel und fieses Rough. Wie viele Gedanken aber dahinterstecken, warum das Grün, auf dem sie gerade putten, genau an dieser Stelle gebaut wurde und nicht vielleicht 30 Meter weiter links - es ist ihnen schlicht schnuppe. Wie viel Mühe hinter dem Bau einer Spielbahn stecken kann, wie viele Probleme und Hindernisse es dabei zu bewältigen geben kann - wen juckt's?

Die angenehmsten Orte der Welt: La Fôret: Der Name ist Programm
La Fôret: Der Name ist Programm

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DER POPULARITÄT TAT DIES KEINEN ABBRUCH UND SO WURDEN 1976 UND 1997 ERNEUT DIE FRENCH OPEN IN LE TOUQUET AUSGETRAGEN. LETZTER SIEGER WURDE EIN GEWISSER SEVERIANO BALLESTEROS.
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Patrice Boissonnas ist einer der bekannteren Golfplatzarchitekten in Frankreich und hauptsächlich damit beschäftigt, bestehende Anlagen aufzuhübschen, oder um im Fachjargon zu bleiben: zu redesignen. Sein aktuelles Projekt ist besonders spannend und es erfasst ihn, selbst ein guter Golfer, mit sichtlicher Freude, sein Schaffen einer tatsächlich interessierten Journalistenmeute darlegen zu können. An der französischen Opalküste, jenem Küstenstreifen, der sich am Ärmelkanal von Dünkirchen über Calais bis hinunter nach Saint-Valery-sur-Somme zieht, gibt es einige außergewöhnliche Golfplätze. Unter anderem Golf du Touquet, eine 45-Loch-Anlage, die zu den ältesten des Landes gehört. Das mondäne Küstenstädtchen war schon damals ein beliebter Urlaubsort für die Hautevolee und Aristokratie auf beiden Seiten des Kanals. Obwohl gut zwei Stunden von der Hauptstadt entfernt heißt die 5.000-Seelen-Gemeinde heute noch Le Touquet-Paris-Plage und gilt quasi als schickes Strandbad der Pariser. Auch Staatspräsident Emmanuel Macron besitzt hier ein nettes Häuschen. Auf diesem herrlichen Fleckchen Erde vereinen sich altes und neues Geld. Dementsprechend überwältigend sind sowohl die etwas betagteren Herrenhäuser als auch modernen Prachtvillen.

Die angenehmsten Orte der Welt: Hardrough: putten oder Handgelenke brechen
Hardrough: putten oder Handgelenke brechen
Horace Hutchinson zeichnete für den 1904 eröffneten Kurs "La Fôret" verantwortlich, auf dem 1914 und 1921 die Open de France ausgetragen wurden. Schon 1910 erweiterte man die Anlage um neun Löcher ("Le Manoir"). Und in den goldenen 20ern begannen Harry Colt (verantwortlich für Schmuckstücke wie Sunningdale, Muirfield, Portrush oder Wentworth) und sein Partner Charles Alison mit der Planung und dem Bau einer weiteren 18-Loch-Golfanlage. Lagen die bisherigen Löcher hinter der Küstenstraße und wiesen eher Parkland-Charakter auf, wurde nun von der Straße in Richtung Meer gebaut, also ein echter Links-Platz. "La Mer" wurde 1931 eröffnet und war bald (1935 und 1939) Austragungsort der Offenen Französischen Meisterschaften. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile der Golfanlage sowie das Clubhaus zerstört. Erst 1963 waren alle 45 Löcher wiederhergestellt, wobei auf "La Mer" fünf Löcher verloren gegangen waren und durch neue ersetzt wurden. Der Popularität tat dies keinen Abbruch und so wurden 1976 und 1977 erneut die French Open in Le Touquet ausgetragen. Letzter Sieger wurde ein gewisser Severiano Ballesteros.

Die angenehmsten Orte der Welt: Golf d'Hardelot: kein schäbiger Nachbar
Golf d'Hardelot: kein schäbiger Nachbar
Dass aber das Colt-Original nicht gänzlich wiederhergestellt wurde, nagte jahrelang in den Köpfen der französischen Golf-Enthusiasten. Hier kommt Patrice Boissonnas ins Spiel: Der 43-Jährige arbeitet an der originalgetreuen Instandsetzung und beschreibt die Jagd nach den Spuren der Vergangenheit als wahre Schatzsuche. Mit welcher Begeisterung und Leidenschaft er von seiner Arbeit spricht, wie viel Aufregung und Spannung er dabei empfindet und mit wie viel Akribie und Mühe versucht wurde, das alte Layout wiederherzustellen, würde auch die größten, über Pitchmarken motzenden Golfstiesel zur Erleuchtung führen. Neben der persönlichen Begehung des Geländes wurde mittels Luftaufnahmen aus den 30er-Jahren das Original-Routing rekonstruiert. Bäume wurden entfernt, um das einstige Landschaftsbild wieder herzustellen. Die alten Grüns wurden auf modernen Standard gebracht und die Bunker renoviert. Natürlich wurden bei der Gestaltung der Bahnen auch einige eigene Ideen umgesetzt.

 
WOHNEN

WOHNEN

MANOIR HOTEL
Was einst der stattliche Familiensitz eines der Gründer von Golf du Touquet war, ist heute ein elegantes Hotel, das den Charme einer vergangenen Epoche versprüht. Vom Frühstücksraum blickt man über die schöne Terrasse hinweg direkt auf ein Golf-Eldorado. Mitten in herrlichem Mischwald gelegen bietet das Haus im Stile eines alten englischen Landsitzes 41 Zimmer in verschiedenen Kategorien sowie kleine Bungalows. Ein Restaurant, eine gemütliche rustikale Bar, ein Swimmingpool, ein Tennisplatz und 45 Golfbahnen nur eine Drive-Länge entfernt runden das Angebot für einen perfekten Golftrip ab.
www.manoirhotel.com

Herausgekommen ist ein Links-Kurs mit all seinen typischen Elementen wie zum Beispiel dem sandigen Boden, der auch in den feuchten Wintermonaten ein vernünftiges Spiel ermöglicht, oder den vielen Fairway- und Grünbunkern mit ihren hohen Kanten. Der Bunkersand ist derselbe, den man auch am Strand und in den Dünen findet, und ist so weich und fein, dass er des Öfteren unspielbare Steckschüsse generiert. Seine Spieleigenschaften haben nichts mit dem grobkörnigen Bunkersand zu tun, den man hierzulande gewöhnt ist. Und bis man sich daran gewöhnt hat, kann der Score schon ruiniert sein (vier Schläge in einem Bunker habe ich das letzte Mal vor Erlangung der Platzreife gemacht). Schön sind auch die über Holztrassen zu erklimmenden erhöhten Abschläge in den Dünen, deren typische Vegetation den Platz beherrscht. Vor dem letzten Drive sollte man unbedingt den Aussichtspunkt der Düne erklimmen und den genialen Rundumblick genießen. Und dann wäre da noch der Wind, der kräftig über die Küste pfeift und schon die Schlägerwahl zur ersten echten Prüfung macht: 130 Meter können sowohl ein Sand-Wedge als auch ein Eisen 5 bedeuten. Die kräftig ondulierten Grüns sind groß, oft erhöht und fallen zumeist zum Fairway hin ab. Manch gut geglaubte Annäherung rollt dem Absender einen schmerzhaft langen Weg wieder entgegen. Langer Rede, kurzer Sinn: eine echte Herausforderung.

Ein Hingucker ist auch die moderne Clubhausanlage, gebaut im Stile mehrerer Pavillons. Zudem sind die GPS-Golfcarts ein echtes Plus. Die detaillierten Grafiken und Längenangaben auf ihren Monitoren machen jeden Entfernungsmesser überflüssig. Und nur 20 Kilometer nördlich liegt ein weiteres Golf-Resort der Güteklasse A. In Golf d'Hardelot warten zwei weitere richtig tolle, völlig unterschiedliche Plätze: "Les Pins" und "Les Dunes". Bei nur 350 Mitgliedern für 36 Löcher lässt sich dort meist eine entspannte Runde genießen. Es gibt zahlreiche Ranglisten für die besten Golfplätze Kontinentaleuropas. Aber egal, welche man sich vornimmt, sowohl Le Touquet "La Mer" als auch Golf d'Hardelot "Les Pins" tauchen darin auf. Letzterer hat ebenfalls bereits Boissonnas' restaurierende Künste genossen. Vielleicht sollte man dem Mann mal ein komplett neues Golfprojekt anvertrauen - das könnte sich lohnen.

Golfplätze in der Region

GOLF DU TOUQUET 'LA MER'

GOLF DU TOUQUET 'LA MER'

18 Löcher, Par 72, 4.854 - 6.430 Meter

Adresse:
Avenue du Golf
62520 Le Touquet, Frankreich
Tel. +33 321.062800
www.opengolfclub.com/letouquet

Tages-Greenfee:
15. April bis 15. Oktober: 95 Euro
16. Oktober bis 12. November: 80 Euro
13. November bis 14. April: 55 Euro

Redesigner Patrice Boissonnas ist in seiner Beurteilung sehr streng. Für ihn gibt es in Frankreich keinen echten Links-Kurs, wohl aber einige Plätze mit "überwiegendem Links-Charakter". Neben Le Touquet zählt er noch Wimereux, Granville, Dinard und Chiberta auf. Für Boissonnas steht aber außer Frage, dass Le Touquet in dieser Kategorie die unumstrittene Nummer eins ist. Dem kann man sich nur anschließen.

Killerloch:
Die neunte und die elfte Bahn sind die beiden längsten Par-4-Bahnen, die auch laut Scorekarte die schwierigsten sind. Neben der Länge, die bei entsprechendem Wind mit zwei Schlägen kaum zu bewältigen ist, sorgen die Grünbunker und die kräftig ondulierten Grüns für eine echte Challenge.
www.opengolfclub.com/letouquet

GOLF DU TOUQUET 'LA FÔRET'

18 Löcher, Par 71, 4.670 - 5.774 Meter

Tages-Greenfee:
15. April bis 15. Oktober: 80 Euro
16. Oktober bis 12. November: 70 Euro
13. November bis 14. April: 55 Euro

Der ältere der beiden Kurse ist deutlich einfacher, nicht nur weil er kürzer und flacher ist. Es gibt weniger Bunker und die Grüns sind zwar nicht einfach, aber längst nicht so anspruchsvoll wie auf dem jüngeren Links-Bruder. Die Front Nine auf dem flachen Gelände sind weitläufiger und offener gestaltet als die etwas engeren Back Nine. Kleiner Kritikpunkt: Drei der vier Par-3-Löcher sind praktisch identisch lang.

Killerloch:
Die Handicap-Einteilung der einzelnen Spielbahnen kann kaum anhand von Turnierergebnissen erfolgt sein und erschließt sich einige Male nicht wirklich. Das Dogleg der 9 hat Handicap 18, ist aber kniffliger zu spielen als manch härter geratete gerade Bahn. Das Par 4 der 13 (415 Meter, Hcp 7) ist deutlich schwieriger als das an der 16 (354 Meter, Hcp 1).

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