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Katar

Sand im Schuh

Von Tim Southwell

Hand aufs Herz: Katar hat es beinahe geschafft, uns die Vorfreude auf eine Fußball-WM abspenstig zu machen. Kann das Land am Persischen Golf mit grünen Wiesen für kleinere Bälle mehr Sympathiepunkte einheimsen? Wir sind in die Wüste gefahren, um es herauszufinden.

Ich stehe auf dem ersten Abschlag von Katars ältestem Golfclub. Und mit "Abschlag" meine ich einen mit Matte bezogenen massiven Betonblock. Vor mir liegt ein 360 Meter langes Fairway, also besser gesagt eine mit Sand und Steinen bedeckte Asphaltfläche. Positiv denken: Immerhin kann ich mir nach diesem Drive einer guten Balllage fernab von jedem Rough sicher sein. Als ich endlich am "Grün" ankomme, wird klar, warum diese platt gewalzten Sandflächen hier "Browns" genannt werden. Das ist also Wüstengolf Katar-Style!

Der knapp 6.500 Meter lange 18-Loch-Platz des Dukhan Golf Club samt ansehnlichen Übungseinrichtungen und dem heimeligen Clubhaus liegt inmitten des Dukhan Township und wurde in den 1940er-Jahren aus Sand und Öl gebaut. Und Öl meint in diesem Falle nicht, dass dieses Spielfeld mit Ölgeld finanziert wurde. Das zwar auch, doch das schwarze Gold ist hier tatsächlich Arbeitsmaterial.

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Wenn Golf in dieser Wüste überleben kann, dann wird es ganz sicher ewig leben!
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Angelegt wurde diese für europäische Augen skurrile Anlage, um Ex-Pats, die auf den Ölfeldern arbeiten, ein wenig Zeitvertreib nach der Schicht zu bieten, schließlich ist es bis zum Stadtrand der glitzernden Hauptstadt Doha gut eine Stunde mit dem Auto. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs brach hier der Ölboom aus und zog Spezialisten für Erdölförderung aus der gesamten Welt an den Persischen Golf. Mit diesen hauptsächlich aus Amerika und dem Vereinigten Königreich stammenden Ausländern hielt auch der Golfsport Einzug in Katar und den anliegenden Staaten am Persischen Golf. In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich Golf in Katar von einer abseitigen Freizeitbeschäftigung einer kleinen Gruppe Gastarbeiter zu einem populären Sport, der mehr und mehr auch zum Tourismusfaktor wird, und deshalb bin ich hier.

Während ich meinen Blick über die sandige Einöde mit ihrem nicht zu ignorierenden Ölgeruch schweifen lasse, wird mir wieder einmal klar, wie vielseitig, anpassungsfähig und scheinbar unverwüstlich mein Lieblingssport doch ist. Wenn Golf in dieser Wüste überleben kann, dann wird es ganz sicher ewig leben!

Der erste Drive des Tages startet in den milchigen Vormittagshimmel - und steigt höher und höher. Auf den Ballflug wirkt die sengende Hitze sich ganz klar positiv aus. Nach der Landung auf dem Betonfairway springt mein Abschlag erwartungsgemäß hoch und weit, verliert dann aber traurigerweise schnell an Fahrt. Der bretthart anmutende Untergrund erweist sich bei den ersten Schritten das Fairway hinunter doch nachgiebiger als erwartet, was hauptsächlich am Ölfilm liegt, der hier alle Materie zusammenhält.

Katar: Sandkastenspiele: Beduinen-Tim in seinem natürlichen Lebensraum (r.)Katar: Sandkastenspiele: Beduinen-Tim in seinem natürlichen Lebensraum (r.)
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Vor dem ersten Putt habe ich nicht den Hauch einer Ahnung, was von dieser verdichteten Sandoberfläche im Hinblick auf Rollgeschwindigkeit und Spurtreue zu halten ist, und kann es kaum glauben, als mein Ball in Richtung Loch rollt. 100 Prozent treu und mit gutem Speed würde ich mir einen derartig verlässlichen Putt-Untergrund auch in meinem Heimatclub wünschen.

Scores spielen hier und heute keine Rolle, denn niemand muss mitzählen, um auszumachen, dass die Sandwiches und Cokes nach der Runde auf meine Kappe gehen. Ja: Cokes! Katar ist ein trockenes Land. Alkohol? Fehlanzeige! Was das Überleben des Golfsports in dieser Ecke der Erde noch eine Spur unglaublicher macht.

137 Mitglieder nennen den Dukhan Golf Club ihre Heimat. Als es in grauer Vorzeit keine Alternative in Katar gab, waren die Startzeiten von September bis Mai ausgebucht. Im Sommer, wenn die Temperaturen bis zu 50 Grad erreichen, ist an Golf nicht zu denken. Heutzutage ist der Platz abgesehen von den Wochenenden meist verwaist, denn im Jahre 2020 gibt es andere Möglichkeiten, in Katar Golf zu spielen - zwei auf echtem Gras und ein weiterer Sandkasten namens Mesaieed GC. 1951 ebenfalls aus der beißend riechenden Sand-Öl-Mischung erbaut, wurde die Neunloch-Anlage bereits 1959 auf 18 Löcher erweitert, um die Middle East Oil Industry Golf Association Trophy Championships austragen zu können. Man kann sich vorstellen, welch illustre Runde sich damals zum fröhlichen Bälleschlagen traf.

Im Gegensatz zum Dukhan GC kann Mesaieed sogar mit einigen Wasserhindernissen aufwarten und trägt stolz den (inoffiziellen) Titel des längsten jemals geschlagenen Drives. Am 13. Januar 1978 stand ein gewisser Mr. A. Brooks während der Wimpey Trophy am Tee des 443 Meter langen 13. Lochs (Par 5) und sah sich erst stattliche 520 Meter später mit seinem von 56 km/h Rückenwind getragenen Spielgerät vereint. Boom!

Nach dem Putten ist jeder Golfer im Mesaieed GC dafür verantwortlich, mit speziell entworfenen breiten Besen die Browns wieder in einen optimalen Zustand zu versetzen, denn Golfschuhe hinterlassen auf dem verdichteten Boden sichtbare Spuren. Dieses Fegen ist Teil des Rituals Wüstengolf, bei dem es zwar keine Pitchmarken gibt, die ausgebessert werden müssten, dafür aber jede Menge Fußspuren.

Katar:

DAS GRAS KAM NACH DEM GOLF


Eingeladen wurde ich zu dieser Reise von der Qatar Foundation, deren Ambitionen etwas höher angesiedelt sind als schnödes Wüstengolf. Die von der Stiftung geleitete Education City erstreckt sich über zwölf Quadratkilometer voller Bildungs- und Forschungseinrichtungen und mit dem beeindruckenden Al Shaqab Equestrian Centre. Lange bevor die Entdeckung schier unermesslicher Öl- und Gasvorkommen Katar in eines der reichsten Länder der Welt verwandelte, war der kleine Golfstaat vor allem für seine Pferdezucht bekannt. Kein Wunder, schließlich spielen Pferde im der Historie des Landes eine tragende Rolle. 1893 besiegten Beduinen auf ihren Pferden in einer blutigen Schlacht die Ottomanen und leiteten somit die Unabhängigkeit Katars ein. Pferde werden hier deshalb nach allen Regeln der Kunst verhätschelt und nichts wird unversucht gelassen, die besten und teuersten Renn- und Sprungpferde heranzuziehen - eigens designte Jacuzzis inklusive.

Inmitten der riesigen Education City liegt die Austragungsstätte der alljährlichen Qatar Masters. Der von José María Olazábal designte Education City Golf Club ist mit seinen stattlichen 7.111 Metern Länge Teil eines riesigen Golfkomplexes, der auch über einen Sechsloch-Academy-Platz, einen Par-3-Platz samt Flutlichtanlage und die angeblich größte und modernste TrackMan Driving Range der Welt verfügt. Als neues Kronjuwel der Golflandschaft Katars wurde der ECGC nach USGA-Anforderungen erbaut und zeigt vor allem bei Wind seine Zähne, wie sich bereits bei der eigentlich entspannten Pro-Am-Runde zeigt. "Wenn der Wind weiter so weht, werden wir mit Sicherheit einige Runden in den 80ern sehen ", grinst Nicolas Colsaerts, als wir uns auf dem Parkplatz über den Weg laufen. 2020 sollte Aiolos allerdings Einsehen mit den Tour-Pros haben, denn Jorge Campillo gewann das Turnier nach einem Play-off mit 13 unter Par.

Der beeindruckende und bis zur Perfektion gepflegte Championship Course des ECGC schlängelt sich durch Katars Wüste und bietet flankiert von endlosen Sandflächen mörderisches Rough und verteufelt ondulierte Grüns. "An zahlreichen Löchern der Front Nine und der Back Nine haben wir ein ,Flussbett-Thema' aufgegriffen und mit großzügigen Wasserhindernissen für Abwechslung gesorgt", philosophierte der Platzdesigner und zweifache Masters Champion bei der Eröffnung dieser Riesenanlage.

Die Trainingsmöglichkeiten in Education City sind der feuchte Traum eines jeden Golffanatikers. Wie bei jedem Projekt in Katar spielte auch hier Geld keine Rolle, was nicht nur die Track Man Range, sondern auch die acht Meter hohen, mit mehr Technik als ein Holodeck der "USS Enterprise" ausgestatteten Indoor-Schwungstudios und das auf hydraulischen Stelzen lagernde Putting-Lab, das jeden erdenklichen Break eines Grüns simulieren kann, erklärt. Landestypisch gibt es auch eine "Ladys-only-Area".

Golfplätze in der Region

EDUCATION CITY GOLF CLUB

EDUCATION CITY GOLF CLUB

18 Löcher, Par 72, 7.111 Meter

Adresse
Education City
Doha, Katar
Tel. +974 7773.7973
www.ecgolf.com

Greenfee
ca. 95-190 Euro (je nach Saison)

Herzstück des 2018 eröffneten, ultramodernen 33-Loch-Golfkomplexes ist der von José María Olazábal entworfene Championship Course, der sich die gesamte Golfsaison über in perfektem Zustand präsentiert. Riesige Bunker mit schneeweißem Granitsand bilden einen deutlichen Kontrast zum gelblichen Wüstensand, der abseits der üppigen Rough-Flächen auf verzogene Bälle lauert. Der Par-3-Platz des ECGC sollte nicht übersehen werden, bietet er doch einige der besten Grüns der gesamten Anlage.

Killerloch
Neben dem dramatischen Schlussloch entlang eines gigantischen Sees ist Bahn Nummer 12, ein Par 3, das gute 150 Meter carry über Wasser erfordert, das Highlight des Platzes. Der Schlag ins Grün ist jedoch erst die halbe Miete, denn wer hier das falsche Plateau trifft, hat den Bogey-Train bestiegen.
www.ecgolf.com

DUKHAN GOLF CLUB

DUKHAN GOLF CLUB

18 Löcher, Par 72, 6.446 Meter

Adresse
Al-Rayya St.
Dukhan Township, Katar
Tel. +974 471.6163

Greenfee
ca. 40 Euro

Der älteste Golfclub Katars ist mit nichts zu vergleichen, was man als Europäer in heimischen Gefilden bisher erlebt durfte. Schatten sowie Gras sind auf dem gesamten Golfplatz nicht zu finden, weshalb man sich bei der Wahl der Startzeit in jedem Fall an den Rat der Locals halten sollte, denn in mörderischer Wüstenhitze kann eine Runde hier schnell zum Überlebenstraining werden.

Killerloch
Es gilt, eine lange staubige Treppe zu erklimmen, bevor man von der 18. Teebox einen Drive in das weit unten liegende Tal, an dessen Ende das Clubhaus mit Erfrischungen wartet, prügeln kann. Allein schon deshalb ist dieses 370 Meter lange Par 3 ein echtes Highlight.

DOHA GOLF CLUB

DOHA GOLF CLUB

18 Löcher, Par 72, 6.800 Meter

Adresse
West Bay
Doha, Katar
Tel. +974 4496.0715
www.dohagolfclub.com

Greenfee
ca. 90-240 Euro (je nach Saison)

Der 1997 von Peter Harradine designte Championship Course des Doha Golf Club ist immer noch einer der besten Plätze am Persischen Golf. Die Fairways fallen an einigen Stellen überraschend eng aus, aber Bälle hier auch abseits der Spielbahn wiederzufinden ist selten ein Problem. Doch das Beste am Doha Golf Club ist ohne Zweifel, dass in der "Oasis Bar" im Clubhaus Alkohol ausgeschenkt wird, was in allen anderen Clubhäusern des Landes undenkbar wäre.

Killerloch
Nachdem der Abschlag auf dem 388 Meter langen Loch sechs das Fairway getroffen hat, gibt das leichte Dogleg einen grandiosen Blick auf die Skyline von Doha frei. Besonders im Abendlicht wirken die Wolkenkratzer wie eine Fata Morgana.
www.dohagolfclub.com

DOHA GOLF CLUB

MESAIEED GOLF CLUB

18 Löcher, Par 72, 5.868 Meter

Adresse
Mesaieed City Road
Mesaieed, Katar
Tel. +974 014.4833

Greenfee
ca. 45 Euro

Katars zweiter Wüstenplatz unterscheidet sich durch Wasserhindernisse von seinem älteren Bruder in Dukhan. Diese sind zwar mehr graue Pfützen inmitten eines Sandmeers, doch sie zählen als Hindernisse. Jedem Golfer wird vor der Runde eine kleine grüne Kunstrasenmatte verkauft, von der, sollte der Ball das Fairway treffen, gespielt werden darf. Nach der Runde lädt ein überraschend großer Pool im Clubhaus dazu ein, die Sandkruste wieder loszuwerden.

Killerloch
Auf Loch Nummer 12 (Par 5) erinnert eine kleine blaue Plakette an den geschichtsträchtigen Tag im Januar 1978, als ein gewisser Herr Brooks hier den längsten Drive der Golfgeschichte schlug. Wahrheit oder Beduinenlatein aus "1001 Nacht"? Schwer zu sagen…

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