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Schwinger Club Vol. 31

Senad Grosic

Von Fritz Lüders, Fotos: Joel Capillaire, Red Bull Content Pool

Er erfand den Bike Flip, feierte in der Playboy Mansion, lud einen Prinz zu sich ein und bekam Schwung-Tipps von Bernd Wiesberger. Damit hat Senad Grosic die Aufnahmebedingungen für unseren Schwinger Club mehr als erfüllt.

Das kann heute katastrophal werden, ich habe ewig kein Golf gespielt", sagt Senad Grosic und fügt an, dass er mit "ewig" sieben Tage meint. Kein Lachen, kein Grinsen, er meint es todernst. Schließlich spielt der 39-jährige Österreicher normalerweise fünfmal die Woche. "Ich trainiere viel auf der Driving Range." Als wir Senad im Heritage Golf Club auf Mauritius treffen, ist sofort klar, dass er vom Golfvirus infiziert ist und jede freie Minute auf dem Platz verbringt. Dabei verdient er sein Geld eigentlich mit einer ganz anderen Sportart.

Wien, 1992. Der 13-jährige Senad Grosic zieht mit seiner Familie von Kroatien nach Österreich. Dort fängt er mit BMX an und befindet sich häufiger auf zwei Rädern als auf der Schulbank. Seine Mutter schlägt ihm einen Deal vor: gute Schulleistungen für ein eigenes BMX. Bereit, seinen Teil der Abmachung einzuhalten, radelt der Teenager mit seinem nagelneuen Bike zum Unterricht. Auf halbem Weg zur Schule findet er aber eine frisch errichtete Miniramp. Folglich investiert der junge Senad doch wieder mehr Zeit in die Sportler- anstatt in die Schulkarriere. Seine Eltern treibt er in die Verzweiflung, als er ihnen weismacht, dass die Fahrrad-Tricks seine berufliche Zukunft sein sollen. Schließlich steckt BMX damals noch in den Kinderschuhen und kommt für Erwachsene aus einer genauso fremden Welt wie heutige Snapchat-Influencer.

Schwinger Club Vol. 31: Wenig progressive Rollenverteilung: Frau posiert, Mann prüft Reifendruck
Wenig progressive Rollenverteilung: Frau posiert, Mann prüft Reifendruck

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BEIM GOLF BIN ICH DEN EINEN MOMENT VOLLER FREUDE, ABER NUR FÜNF MINUTEN SPÄTER HASSE ICH MEIN LEBEN UND WILL DEN SCHLÄGER ZERSTÖREN
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"In Montpellier bei den Stopps der FISE World Series schauten mir fast eine halbe Million Menschen zu", sagt der BMX-Profi heute. "Wenn bei solchen Events die Musik losgeht und alle Leute dir eine Minute lang ihre Aufmerksamkeit schenken, dann ist das extrem krass." Nicht nur deshalb haben sich seine Überzeugungsarbeit bei den Eltern und zahlreiche Knochenbrüche gelohnt. Zu seinen Erfolgen zählen internationale Titel und zahlreiche Podiumsplätze beim Red Bull Dirt Ride, bei den X Games, den Bike Days und den Offline Games. Zum Held der globalen Szene wird er, als er den Bike Flip erfindet. Das ganze Rad neben dem Körper einmal um den Sattel zu drehen, das geschaffte vor ihm niemand - und kaum jemand nach ihm. Spricht man Senad darauf an, leuchten noch immer seine Augen: "Das Internet gab es damals noch nicht. Als ich den Bike Flip das erste Mal in Amerika stand, verbreiteten sich zuerst nur Gerüchte in der Szene. Alle fragten sich: 'Hat der das echt geschafft?' Doch es gab kein Video, keinen Beweis. In England machte ich ihn dann erneut bei einem Contest vor Kameras und Zuschauern." Mit dem Bike Flip setzt sich der Österreicher sein eigenes Denkmal. Doch muss er dieses mit vielen Schmerzen bezahlen. "Bis ich ihn einmal stand, bin ich mindestens tausendmal gestürzt, und das ist wohl noch untertrieben! Ich schlug mir den Lenker in den Mund, in den Magen - ehrlich, ich habe den Trick gehasst."

Trotzdem sind es nicht die Blessuren und Knochenbrüche, die ihn zum Golf bringen. "Ein Freund von mir hat mich vor vier Jahren mit auf die Driving Range genommen. Vorher ging ich davon aus, Golf sei total schnöselig. Das denkt man wohl immer, wenn man es nicht selber probiert." Senad trifft an seinem ersten Tag zwei Bälle, die richtig fliegen. "Da dachte ich nur: ,Wow, ist das geil!' Danach wollte ich es unbedingt wieder machen und habe mir sofort eigene Schläger besorgt." Als Autodidakt schaut er Trainingsvideos auf YouTube. "Ich brauchte ausschließlich Zeitlupen, sonst verstand ich nichts", erzählt er lachend und verrät, dass er heute immer noch viele Tutorials schaut, allerdings mit dem Unterschied, dass er jetzt weiß, was Begriffe wie "offene Schlagfläche", "Hook" oder "Slice" bedeuten.

Inzwischen spielt Senad ein niedriges 20er-Handicap. Das liegt auch an den European-Tour-Spielern Bernd Wiesberger und Matthias Schwab, denen er immer wieder selbst gefilmte Videos von seinem Schwung schickt. "Die schauen sich das an und denken wahrscheinlich: Ogottogott!", lacht er. "Doch netterweise geben sie mir ein paar Tipps." Zufrieden ist er mit dem Golf, das er jetzt spielt, noch nicht. "Ich trainiere mit dem Rad einen Trick und dann kann ich ihn. Beim Golfen ist es anders. Ich schlage einen guten Ball und freue mich, aber nur fünf Minuten später hasse ich mein Leben und will den Schläger zerstören." Er grinst. Als Sportler suche er stets nach dem Punkt, ab dem es einfach läuft, ab dem man die Übung beherrscht. "Ich strebe nach Perfektion", sagt er, doch kann er diese im Golf nie erreichen.

Das hält ihn jedoch nicht davon ab, mit Golf immer weiterzumachen. Im Gegenteil, eher ist es Senads Antrieb. "Als Sportler wird man immer bewertet. Wie das Auftreten ist, wie die Ergebnisse sind. Golf ist für mich endlich mal ein Hobby, in dem ich nicht extrem gut sein muss. Aber ganz ehrlich: Einfach einen fetten Drive zu schlagen, das ist das geilste Gefühl und Antrieb genug."

Schwinger Club Vol. 31: Wenn Mutti zwei Outifts rauslegt: links Golfer, rechts BMXer
Wenn Mutti zwei Outifts rauslegt: links Golfer, rechts BMXer
Senad Grosic, der als 39-Jähriger inzwischen zur alten Garde der Szene gehört, sieht sich selbst als Botschafter und Motivator für die Kids. Er veranstaltet Senad's School 2Rock, einen BMX-Workshop für den Nachwuchs. Sein Credo: "Wenn ich einen einzigen Menschen dazu bewege, dass er sich ein Rad kauft, dann ist meine Mission schon erledigt." In Funsport-Kreisen rekrutiert er inzwischen auch Golfer. Dort, wo die Vorurteile gegenüber Golf wohl am größten sind, stößt er immer stärker auf Interesse an dem Sport mit Schläger und Ball. "Tatsächlich finden die meisten Golf cool! Es ist nicht mehr ungewöhnlich, dass man als Extremsportler golfen geht. Eigentlich wollen alle es zumindest einmal ausprobieren." In den Skate- und BMX-Parks rund um Wien gibt es sogar ein paar Abschlagmatten. "Da kann man einfach das Fahrrad ablegen und mit irgendwelchen Schuhen und im T-Shirt ein paar Bälle spielen. Das kommt sehr gut an."

Mit seinem Job als BMX-Pro bereist Senad Grosic die gesamte Welt und ist per Du mit Stars und Sternchen. Als Hugh Hefner noch lebte und die berühmten Partys in der Playboy Mansion veranstaltete, wurde der Österreicher im Zuge der X Games eingeladen. Heute erinnert er sich: "Die sagten uns, dass eine Pool-Area tabu für uns wäre. Ich glaube, da lag damals Leonardo DiCaprio mit ein paar Mädels drin."

Befreundet ist er auch mit einem königlichen Familienmitglied aus dem Nahen Osten. "Der ist kein richtiger Golfer, sondern mehr ein Kitesurfer und Autorennfahrer, aber wenn man solche Sportarten macht, reist man viel und lernt andere Leute und Kulturen kennen", erklärt Senad. Dem Nachwuchs der Königsfamilie begegnete er zum ersten Mal bei einem Porsche-GT-Rennen. Sein unkonkreter Auftrag damals: Spring einmal über die Rennstrecke. Ungewiss, wer die Person wäre, die mit mehreren Hundert km/h unter ihm durchfahren sollte, wartete der BMX-Pro an der Rampe. In der Ferne sah er dann eine ganze Armee an Polizisten und dunklen Limousinen vorfahren. "Als ich auf dem letzten Auto kleine Fahnen sah, wusste ich, dass das kein normaler Rennfahrer war, der dort mitmachte." Der Adelige war begeistert von Senads Show und lud ihn daraufhin in seinen Palast ein. "Wir fuhren von dem Eingangstor bis zum Haupthaus fast eine Dreiviertelstunde." Etwas kürzere Wege gibt es für ihn und den Königsnachfolger, als dieser undercover nach Österreich reist. "Er rief mich damals an und fragte mich, ob er bei mir übernachten dürfte. Ich erklärte ihm, dass ich nur eine kleine Wohnung mit einer Schlafcouch hätte. Doch das fand er gut!" Mit seiner Frau richtet er das königliche Schlafgemach so nobel her, wie es nur geht. Bis heute pflegen Senad und er einen engen Kontakt.

Senad Grosic hat sich beim BMX fast alle Knochen gebrochen. "Nur diesen Finger nicht", sagt er und zeigt auf seinen Ringfinger. Als Vater eines kleinen Jungen muss er jetzt verantwortungsvoller agieren, dabei wirkt der sympathische Wiener selber noch nicht ganz erwachsen. "Manchmal verbietet meine Frau unserem Kind etwas und ich verstehe das Verbot dann selber nicht", lacht er. "Mein Sohn schaut mich dann an und fragt: 'Papa, wieso darf ich das nicht?' Ich muss dann meistens mit den Schultern zucken." Neben dem Job als Familienvater, den vielen Reisen und Events hält der 39-Jährige weiter daran fest, so häufig, wie es geht, auf die Driving Range zu fahren. Im Diamond Country Club in Atzenbrugg geht er auch häufig auf die Runde. "Ich habe ein paar Kumpels, mit denen ich zocke, um Bier zum Beispiel. Aber wir haben extrem viel Spaß und nehmen es nicht so ernst wie gewisse andere Leute", sagt er, grinst und outet sich als Verfechter des modernen Golf. "Ich messe auf Spaßrunden nicht jedes Mal zwei Schlägerlängen, wenn ich einen Ball droppe. Ich und meine Kumpels spielen nach zwei anderen Regeln: viel Spaß haben und den Ball mit möglichst wenig Schlägen im Loch unterbringen." Dann zieht er die Kappe vom Driver ab, teet den Ball auf und drischt ihn jubelnd das neunte Fairway hinunter. Herzlich willkommen im Schwinger Club, Senad Grosic!

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