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Schwinger Club Vol. 9

Filip Jicha

Von Johannes Oberlin, Fotos: Patrick Runte

So schüchtert man Gegner noch vor dem ersten Abschlag ein: zwei Meter Körpergröße und Arme wie ein Kran. Filip Jicha ist Welthandballer und brutaler Longhitter. Im GC Uhlenhorst zeigt er uns, was er kann!

Wenn Welthandballer Filip Jicha vor dem Clubhauseingang im GC Uhlenhorst steht, wirkt der Riese noch größer, als er tatsächlich ist. Den Türrahmen überragt der gebürtige Tscheche mit seinen gut zwei Metern Körpergröße locker. Sein leger gegelter Seitenscheitel kratzt beinahe die Regenrinne des Gebäudes.

Im Leben des Bundesliga-Stars vom THW Kiel ist alles übergroß. Sein weißer BMW X6, die von Sponsor adidas/TaylorMade gefitteten Schäfte, der JumboPuttergriff und, am auffälligsten, seine massiven Hände. Ein Dutzend Golfbälle passen da locker rein. Der Handball, sein Arbeitsgerät, wirkt wie eine Grapefruit, wenn Jicha ihn mit seinen langen Fingern hält.

Entsprechend mächtig ist der Handshake, als wir den 31-Jährigen im GC Uhlenhorst begrüßen. Minuten vorher stand Jicha noch für die Kollegen von "Sportbild" vor der Kamera. Grund: das anstehende Handball-Champions-League-Finale in Köln. Aber dazu später.

Großer Bahnhof und ein nicht alltäglicher Medienandrang also im ansonsten sehr beschaulichen schleswig-holsteinischen Uhlenhorst, dem Club der Schleiereulen, wie er sich nennt. Journalisten, Fotografen, Autogrammjäger, Hacker und zwischen all dem Getummel Club-Geschäftsführer Wilhelm Eckhard Sindt, der nicht davon abgebracht werden kann, überall ein wenig mitzumischen.

Filip Jicha lässt das alles ziemlich kalt. Schließlich ist er hier an seinem Lieblings-Rückzugsort. "In der Halle bist du eingeengt, es ist voll von Fans, ein Hexenkessel. Hier bist du draußen, die Sonne scheint, du bist frei. Das reizt mich am Golf!" Der Mann mit dem auffälligen tschechischen Akzent spricht ruhig, aber in klaren und bedachten Worten. Jeder Satz ist wohl überlegt und stützt sich auf einen weit reichenden Erfahrungsschatz, den sich der 31-Jährige in 14 Jahren Profikarriere in aller Welt behutsam aufgebaut hat.

Für unseren Termin hat sich der Führungsspieler des THW in klassische Golf-Klamotten geworfen. Lässt man seine Körpergröße einmal außer Acht, wirkt er so tatsächlich mehr wie ein Tour-Pro denn als Goalgetter im wohl toughsten deutschen Mannschaftssport. Und mit diesem Eindruck liegt man gar nicht so verkehrt. Denn neben dem Profisport ist Golf Filip Jichas zweite große Leidenschaft: "Der perfekte Ausgleich zum Handball", wie er sagt.

Schwinger Club Vol. 9: Schwinger Club Vol. 9:

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ICH WARTE IMMER NOCH AUF DEN GRÖSSTEN SPORTLICHEN MOMENT IN MEINER KARRIERE.
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Angefangen mit dem Golfspielen habe er damals beim TBV Lemgo, Jichas erstem Verein in der Bundesliga, verrät er, während er für das Aufmacherfoto die gigantische Spannweite seiner Arme demonstriert. Ein paar Spieler seines alten Vereins nahmen ihn damals mit auf den Platz. Seitdem ist Golf ein fester Bestandteil seiner Freizeitgestaltung.

Und dafür schafft sich der Rückraumspieler vom THW Kiel regelmäßig Freiräume. Nach 90 harten Saisonspielen geht er jedes Jahr mit alten Freunden aus dem Profisport eine Woche golfen in seine Heimat nach Prag. "Wir spielen jeden Tag Golf, eine Woche lang Zählspiel. Am Ende gibt es dann einen Gesamtsieger", schmunzelt Jicha, wohl wissend, dass er die letzten beiden Jahre die Gesamtwertung dieses Buddy-Trips gewonnen hat. Im Anschluss geht es dann direkt in die USA. Hier schaut sich der Handball-Hüne mit der Trikotnummer 39 die AT&T National in Bethesda (Maryland) an. Sein besonderes Augenmerk gilt dann Spielern wie Woods oder Garcia. "Obwohl die beiden jüngst Zoff hatten, ich mag sie beide", sagt Jicha. Danach fliegt er zurück nach Kiel zu seiner Frau und den zwei Kindern. Über die Weihnachtszeit reist er noch zwei, drei Tage nach Mallorca, natürlich zum Golfen. Und wenn er selbst gerade nicht spielt, verfolgt er regelmäßig die Profitouren im Golf Channel. Noch mehr Gründe für den Eintritt in unseren "Schwinger Club" braucht es nun wirklich nicht. Wir heißen Filip Jicha herzlich willkommen und machen uns auf in Richtung Driving Range.

Der Tscheche marschiert direkt ans Tee. Den Driver hält er schlagbereit wie der Fechter seine Waffe kurz nach dem "En garde". Unsere Erwartungen sind hoch, immerhin gewann er letztes Jahr bei einem Turnier den Longest Drive, wie er uns erzählt. Mit 290 Metern! Es ist so weit, Jicha drückt ab. Und nach ein, zwei Schlägen aus der Richtung kommen sie dann endlich, die langen Bretter, von denen es ein paar tatsächlich beinahe bis ans Ende der Range schaffen. Wie erwartet demonstriert der 31-Jährige einen mächtigen und vor allem sportlichen Schwung. Sehr ruhig und sauber mit viel Power und Speed am Ball. Eben so, wie man sich das bei einem Mann seiner Größe vorstellt.

Jicha trainiere gerne, sagt er. "Wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich täglich mindestens 500 Bälle schlagen." Ein Cart auf der Runde käme für den Longhitter nicht in Frage. Golf ist schließlich Sport und deshalb wird selbstverständlich gelaufen.

Das Ziel ist entsprechend sportlich definiert: "Ich möchte einmal eine Par-Runde spielen. Scratchgolfer zu sein, das wär's." Momentan liegt Jicha bei Handicap 15. Wenn seine Profikarriere beendet ist, wird diese Zahl schnell schrumpfen, da ist er sich sicher. Der in Pilsen geborene Tscheche ist Perfektionist. Im Golf wie im Handball ist er ständig auf der Suche nach der bestmöglichen Leistung. "Ich warte immer noch auf den größten sportlichen Moment meiner Karriere. Es gab noch nicht das perfekte Spiel aus meiner Sicht."

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Um das im Golfsport zu erreichen, versucht er, neu erlernte Dinge direkt auf dem Platz umzusetzen. Vor allem aber weiß der Profi, wie man seine Emotionen kontrolliert. Und das in einem Sport wie Handball, der zum größten Teil von Emotionen lebt. Wie passt das zusammen? "Beim Handball muss man Emotionen zeigen. Das ist sehr wichtig", antwortet Jicha selbstsicher. "Innerlich bin ich aber sehr ruhig und fokussiert. Ich weiß genau, was ich zu tun habe. So spiele ich am besten und am klarsten. Der Kopf muss funktionieren, in der Halle wie auf dem Platz. Golfspielen ist ein super Training dafür."

Und wenn's mal schlecht läuft - ob auf der Übungsrunde in Uhlenhorst oder im Zählspiel mit seinen Jungs -, weiß er genau, wie er damit umgehen muss. "Ich schaffe es dank meiner sportlichen Professionalität, auf dem Golfplatz nicht komplett unterzugehen. Man wird nicht sieben schlechte Löcher hintereinander von mir sehen."

Das können wir bestätigen. Auch ohne mit dem Riesen auf dem Platz gewesen zu sein, sehen wir nach der anfänglichen Aufwärmphase kaum noch schlechte Schläge über die Driving Range des GC Uhlenhorst fliegen, sondern wir sehen einmal mehr, was Profisportler, egal aus welcher Disziplin, uns Wochenend-Hackern voraus haben: Sie wissen, wo dieses Spiel gespielt wird. Nämlich zwischen den Ohren.

Im Champions-League-Finale knapp zwei Wochen nach unserem Termin lief es für den Torjäger weniger gut. Sein Team verlor in Köln beim so genannten Final Four ausgerechnet gegen den Nordrivalen HSV Hamburg, der am Ende zum ersten Mal den wichtigsten europäischen Clubwettbewerb gewann.

Noch bleiben dem Rückraumspieler ein paar Jahre Zeit, nach 2010 und 2012 erneut die Champions League zu gewinnen. Sein Vertrag beim Rekordmeister Kiel läuft noch bis 2016 mit der Option auf Verlängerung bis 2017. Danach möchte Familie Jicha zurück in die Heimat nach Prag. Dort steht für den Familienvater erst einmal Frührente auf dem Programm. "Nach dem Ende meiner Profikarriere werde ich die Kinder zur Schule bringen und danach golfen gehen. Meine Frau wird dann arbeiten gehen, das ist der Plan. Schön für mich", lächelt Jicha breit. Ob's tatsächlich so kommt, bleibt abzuwarten. Immerhin fühlen sich Filip, seine Frau Hana und die beiden Kinder sehr wohl in Kiel. "Wir führen hier ein super Leben. Das liegt natürlich auch an meinem sehr dankbaren Beruf. Die Leute mögen mich hier."

Zu Recht, Filip Jicha kann man nur mögen. Nach drei geduldigen Stunden für Shooting und Interview entlassen wir Filip Jicha endlich auf die Runde. Neun Löcher will er an seinem freien Tag noch spielen. Zu Fuß, versteht sich!

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