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Ludvig Åberg

Mein erstes Mal

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images, Adidas

Masters Zweitplatzierter und Schwedens neuer Superstar ist noch keine zwölf Monate Profi und hat trotzdem schon Dinge im Golf erreicht, für die andere eine ganze Karriere brauchen. In einer Sache ist Ludvig allerdings noch genauso grün hinter den Ohren wie das Jackett, das es dort zu gewinnen gibt.

Kaum zu glauben, aber wahr: Wenn Ludvig Åberg im April 2024 beim Masters aufteet (Anmerkung der Redaktion: Bei Fertigstellung des Artikels war das US Masters noch nicht gestartet, unser Titelheld platzierte sich auf dem sensationellen zweiten Platz!) verliert der 24-Jährige tatsächlich seine Major-Jungfräulichkeit und schreibt damit gleichzeitig Golfgeschichte, denn nie zuvor reiste ein Profi-Golfer als Debütant zu einem Major und hatte dabei bereits Siege auf der PGA Tour und der DP World Tour in der Tasche. Von einem erfolgreichen ersten Ryder Cup mit zwei gewonnenen Matches mal ganz zu schweigen.

Noch bevor Luke Donald sich traute, einen Rookie, der erst wenige Monate zuvor ins Profilager gewechselt war, in sein Aufgebot zu bestellen, war sich kein Geringerer als Rory McIlroy vollkommen sicher, dass er zusammen mit dem Schweden in einem Team spielen würde: "Für viele Fans in Europa noch unter dem Radar, weil er bisher das meiste Golf in den Vereinigten Staaten gespielt hat, aber glaubt mir: Ludvig ist etwas ganz Besonderes. Er ist ein unglaublicher Ballstriker." Was kurz darauf geschah, ist bestens dokumentiert: Der eben noch Hochgelobte gewann auf beiden Seiten des Atlantiks und trug zwischen diesen zwei Triumphen noch ganz nebenbei maßgeblich zum europäischen Kantersieg in Rom bei, indem er zusammen mit Victor Hovland zwei gestandene Major-Sieger sowie die aktuelle Nummer eins der Welt mit 9&7 abfertigte - dem höchsten Match-Gewinn in der Geschichte des Ryder Cup.

Ludvig Åberg: Ludvig Åberg:

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SPORT WAR FÜR MICH IMMER EINE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT. DAS HABE ICH IN MIR. DER WETTBEWERB MACHT MIR SPASS.
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Für alle diejenigen, deren Radarantennen falsch kalibriert waren, hier eine kurze Zusammenfassung, was bisher geschah: Ludvig Åberg erblickte 1999 im südschwedischen Eslöv als Sohn eines golfbesessenen Vaters das Licht der Welt. Seine Mutter Mia erinnert Ludvigs Kindheit so: "Sein Vater Johan spielte Golf, so oft er nur konnte, und deshalb nahm er Ludvig bereits im Alter von vier oder fünf Jahren mit auf den Golfplatz."

Großes Interesse an Golf hatte Ludvig im Vorschulalter allerdings nicht und Quengeleien, wann es denn endlich nach Hause gehe, beendete der Vater ganz pragmatisch mit Erpressung, denn für jede Stunde, die er länger auf dem Golfplatz bleiben konnte, gab es eine Portion Eis für den Junior. In den Worten des golfsüchtigen Vaters: "Ludvig hat gezwungenermaßen viel Zeit mit mir im Golfclub verbracht und sich einfach die Zeit rund ums Clubhaus vertrieben. Man könnte sagen, dass er auf dem Golfplatz aufgewachsen ist." Im Alter von acht Jahren begann Ludvig mit ernsthaftem Golftraining im Club und entwickelte sich schnell prächtig. Ausgestattet mit einem natürlichen Golfschwung, für den erwachsene Golfamateure ihre Mutter in Zahlung geben würden, machte Ludvig den Pros im Eslövs Golfklubb wenig Arbeit. Doch Golf ist nicht der einzige Sport in Ludvig Åbergs Leben, der jugendliche Modellathlet zeigte auch auf dem Fußballplatz enormes Potenzial. Als er mit 15 dann jedoch auf ein Sportgymnasium in Helsingborg wechselte, wurden alle anderen Interessen über Bord geworfen und es gab nur noch eine Sache: Golf. Die langen schwedischen Sommertage verbrachte er mit Gleichgesinnten auf dem Golfplatz oder der Driving Range und während der nicht enden wollenden skandinavischen Winter fand das Training in einer zur Indoor Driving Range umfunktionierten Turnhalle statt. "Es war nicht gerade Hightech, aber wir hatten die Möglichkeit zu trainieren, wann und wie lange wir wollten. Unzählige Bälle in ein Netz zu schlagen hat auch seine Vorteile: Wenn man den Ballflug nicht verfolgen kann, achtet man ausschließlich auf den eigenen Körper und die Bewegungen." Nach einem Jahr im Sportgymnasium wurde Ludvig Teil der schwedischen Nationalmannschaft und weitere zwölf Monate später war er bereits der beste Amateur-Golfer seines Heimatlands.

Ich trage einen großen Namen


Bisher hat es kein Ludwig in derartige Höhen der Golfweltrangliste geschafft wie Ludvig Åberg. Dabei hätten einige berühmte Namensvetter durchaus die Anlagen für eine große Golfkarriere gehabt ...

LUDWIG XIV. (1638 -1715)
Hätte der französische Sonnenkönig auch einen vorbildlichen Profi-Golfer abgegeben? Die Frage kann nicht ernst gemeint sein, schließlich sind die Parallelen zu den Multimillionären aller Touren kaum zu übersehen. Gigantisches Anwesen als Hauptwohnsitz? Check! Hang zur absoluten Alleinherrschaft mit der Tendenz zum häufigen Wechsel der Bediensteten? Check! Ausgeprägtes Faible für Arbeitskleidung, die auch einem Pfau gut stehen würde? Louis XIV war tatsächlich Tour-Pro!

LUDWIG V. BEETHOVEN (1770-1827)
Zuerst Klaviervirtuose und später Schöpfer unsterblicher Sinfonien: Der wahrscheinlich bedeutendste Komponist der Wiener Klassik wäre sicherlich auch auf dem Golfplatz eine wahre Naturgewalt gewesen. Gespür für Harmonie und Taktgefühl besaß L.v.B. schließlich wie kein Zweiter und auch an beinahe manischem Arbeitseifer mangelte es nicht. Ganz zu schweigen von der im Turnier hilfreichen Fähigkeit, jede Form von Trash-Talk vollständig auszublenden.

LUDWIG MIES V. D. ROHE (1886-1969)
Als ausgewiesener Ästhet und Vorreiter des Minimalismus wäre van der Rohes Golfschwung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein modernes Gesamtkunstwerk gewesen und das Motto des Stararchitekten "Weniger ist mehr" hätte sich 50 Jahre nach dessen Ableben auch ein junger Ludvig Åberg zum Leitgedanken seines schnörkellosen Golfschwungs machen können. Lediglich den LIV-Vertrag hätte Ludwig Mies van der Rohe garantiert nicht ausgeschlagen.


Ludvig Åberg: Für Hypochonder: Faustkampf light
Für Hypochonder: Faustkampf light
Das viele Techniktraining im Winter ist der Grund für Ludvigs Bilderbuchschwung, an dem es selbst in Zeitlupe absolut nichts zu kritisieren gibt. "Wir Schweden haben oft eine sehr gute Schwungtechnik, doch manchmal versteigen wir uns in dieser Hinsicht auch. Technik ist nicht alles. Was zählt, ist, den Ball ins Loch zu bekommen, und Amerikaner sind darin sehr gut. Dort kommt es nicht darauf an, wie ein Schwung aussieht, solange er Ergebnisse liefert. Das habe ich am College gelernt." Ab 2019 an der Texas Tech University mit einem der stärksten Golfprogramme der USA eingeschrieben stach Ludvig auch in diesem äußerst wettbewerbsorientierten Umfeld sofort heraus. "Ich fragte ihn manchmal: 'Hey, kannst du auch mal was falsch machen, damit wir sicher sein können, dass du ein Mensch und kein Roboter bist?!'", charakterisiert Texas Tech Golf Headcoach George Sands seinen ehemaligen Musterschüler. "Er war der Traum eines jeden Coaches."

Als die College-Golf-Saison 2020 pandemiebedingt stark verkürzt wurde, nutzte das Ausnahmetalent diese Zwangspause, um in seiner Heimat auf der Swedish Golf Tour anzutreten. Sich im sonnigen Texas auf die faule Haut zu legen kam nicht infrage, denn: "Sport war für mich immer eine Selbstverständlichkeit. Das habe ich in mir. Der Wettbewerb macht mir Spaß. Ich liebe es einfach, an Wettkämpfen teilzunehmen", wie Ludvig schon während seiner Zeit am College klarstellte. Als Amateur unter Profis gewann er auf der schwedischen Mini Tour bei der Katrineholm Open 2020 umgehend seinen ersten Sieg bei einem Profiturnier und ließ zwei Wochen darauf gleich den zweiten folgen.

Zurück in den Vereinigten Staaten begann Ludvig nach der Pandemie, am College Turniersiege zu sammeln wie andere Studenten höchste Fehlstunden, wurde Zweiter bei der European Amateur 2021 und spielte dank einer Sponsoreneinladung sein erstes PGA-Tour-Turnier, bei dem er auf Anhieb den Cut schaffte. Anfang 2022, immer noch am College, schlug der Schwede einen mit zweieinhalb Millionen Dollar dotierten Vertrag mit LIV Golf aus und fand sich im September desselben Jahres zum ersten Mal an der Spitze der Amateur-Golf-Weltrangliste wieder. Nicht enden wollende Erfolge mit der schwedischen Nationalmannschaft und den Texas Tech Red Raiders katapultierten Åberg auch an die Spitze des PGA-Tour-University-Rankings für die Saison 2022/23, eine Leistung, die seit letztem Jahr zum ersten Mal auch eine volle Tourkarte für die PGA Tour zur Folge hatte. Mit der Spielberechtigung für das kommende Jahr in der Tasche stand im Juni 2023 einem Wechsel ins Profilager nichts mehr im Weg. "Mit 16 sprach Ludvig zum ersten Mal davon, dass er irgendwann auf der PGA Tour spielen wird", erinnerte sich seine Mutter Mia, als ihr Sohn der berufstätigen Bevölkerung beitrat. "Ihn dabei zu beobachten, wie er von einem kleinen Jungen zu dem wurde, was er heute ist, war einfach fantastisch."

Ludvig Åberg: Greenkeeper gefeuert: Ludvig mit v, nicht mit w!Ludvig Åberg: Greenkeeper gefeuert: Ludvig mit v, nicht mit w!
Greenkeeper gefeuert: Ludvig mit v, nicht mit w!
Spätestens mit Ludvigs Sieg beim Omega European Masters 2023 nahm auch die breite Golföffentlichkeit diesseits des Atlantiks vom Schweden mit dem perfekten Schwung Notiz und fragte sich: Wie spricht man diesen Nachnamen mit dem ungewohnten Å aus? Die Kommentatoren bei Golfübertragungen konnten nicht als Orientierung dienen, schließlich hörte man von dieser Seite neben einem amerikanisch ausgesprochenen "Äibörg", dem anglo-frankophilen Mischmasch "Äibér" und dem deutschen "Aberg" sogar Klangungetüme wie "Öbörh" oder "Uber". Richtig ist eher "Oberg" mit einem offenen o, etwa wie in "boah ey", "hej då" oder eben "skål". Nach Jahren in Texas ist der Inhaber dieses Namens mit seiner amerikanischen Aussprache jedoch vollkommen einverstanden. Aber wen interessiert schon ein schwierig auszusprechender Nachname, wenn der Vorname bereits zur Marke geworden ist? Ludvig ist im Golf längst unverrückbar mit einer Person verbunden - genauso wie Victor, Rory oder - man mag es kaum aussprechen - Tiger.

Mit seinem zweiten Platz beim Pebble Beach Pro-Am und einem weiteren Top-Ten-Ergebnis in Torrey Pines die Woche zuvor hat Ludvig längst bewiesen, dass 2023 und seine Siege in der Schweiz sowie beim RSM Classic weder eine Anomalie noch Anfängerglück waren. Dort stellte Ludvig ganz nebenbei mal eben den Rekord für das beste Gesamtergebnis seit Bestehen der PGA Tour mit 29 unter Par ein. Grundlage dieses Erfolgs ist ein beinahe makelloser Golfschwung, der nicht nur seidenweich anmutet und scheinbar frei von jeder Anstrengung extrem hohe Schlägerkopfgeschwindigkeiten produziert, sondern vor allem in seiner sichtbaren Simplizität kaum Raum für Fehler lässt. Selbst Tourkollegen scheinen beim Anblick von Ludvigs Golfschwung latente Neidgefühle zu entwickeln. "Wenn er den Golfschläger schwingt, hat es nicht den Anschein, als könnte dabei wirklich etwas schiefgehen", fasst Rory McIlroy den Schwung seines Kollegen zusammen. "Jeder spricht völlig zu Recht davon, was für großartige Drives Ludvig schlägt. Mich beeindrucken aber hauptsächlich sein Wedge-Spiel und seine Fähigkeit, die Flugkurven seiner Schläge mit den kürzeren Schlägern nach Belieben zu variieren. Dazu kommen noch sein großartiges Mindset und die gelassene Ausstrahlung; er besitzt schlicht den gesamten Werkzeugkasten eines Weltklassespielers."

Ernie Els ist wohl der erste Vergleich, den die meisten Golfer beim Blick auf Ludvig Åbergs Schwung ziehen. Glaubt man den Angaben im PGA Tour Media Guide, sind der vierfache Major-Sieger aus Südafrika und der schwedische Aufsteiger auf den Zentimeter genau gleich groß: 1,91 Meter. Beide nutzen die Vorteile optimal aus, die ihnen diese Größe gegenüber weniger hochgewachsenen Kontrahenten bietet, wie die besseren Hebel und längere Arm- und Handbewegungen, die mehr Raum zum Beschleunigen des Schlägerkopfs bereitstellen. Ludvigs Driver-Schaft erreicht am höchsten Punkt seines Rückschwungs noch nicht mal annähernd eine Position parallel zum Boden, was die Illusion einer mühelosen und unangestrengten Bewegung erzeugt. In Wirklichkeit jedoch erzeugt seine Körpergröße in Verbindung mit den langen Armen einen extrem kraftvollen Schwung, der zu bemerkenswerten 185 mph Ballgeschwindigkeit im Schnitt mit dem Driver führt. Verglichen mit dem Durchschnitt auf der PGA Tour von knapp unter 180 Meilen pro Stunde Ballspeed ist es nicht verwunderlich, dass während der Saison 2022/23 nur fünf Spieler auf der PGA Tour ihre Driver weiter das Fairway hinunterprügelten. Alle relevanten Faktoren wie Länge, Genauigkeit und die gegenüber dem Feld gutgemachten Schläge einbezogen war der Schwede letztes Jahr der Beste vom Tee. Superstars wie Jon Rahm oder Rory knackten in dieser Statistik nicht einmal die Top 20.

 
Steckbrief

Steckbrief

NAME
Ludvig Noa Åberg

JAHRGANG
1999

WOHNORT
Tallahassee, Florida

PROFI SEIT
2023

LIEBLINGSVEREIN
Liverpool FC

ERFOLGE (AUSZUG)
2019
Sun Bowl All-America Classic (Amateur)
2020
Katrineholm Open (Swedish Golf Tour, Amateur)
Barsebäck Resort Masters (Swedish Golf Tour, Amateur)
2022
Big 12 Men's Championship (Amateur)
2023
RSM Classic (PGA)
Omega European Masters (DP World Tour)

Mit einem soliden Abschneiden beim Arnold Palmer Invitational kletterte Ludvig am 11. März 2024 zum ersten Mal in die Top Ten der Golf-Weltrangliste, die zugegebenermaßen nicht mehr dieselbe Aussagekraft hat wie vor der Teilung des Golfsports, doch trotzdem ganz klar zeigt, dass der Schwede längst zur absoluten Elite seines Berufsstands zählt und sich auf jedem Golfplatz dieser Welt mit jedem erdenklichen Gegner messen kann.

Die Tatsache, dass Ludvig Åberg jede Stufe seiner bisherigen Golfkarriere nicht nur methodisch plante, sondern in kürzester Zeit auch meisterte, kann keinen Zweifel daran lassen, dass ihm dasselbe auch bei den Majors gelingen wird. Ob das Masters, die PGA Championship oder eine Open der Schauplatz für den ganz großen Auftritt des Schweden werden, wird die Zukunft zeigen.

Lampenfieber ist vor einem ersten Auftritt beim Masters jedenfalls nicht zu erwarten, denn dies wird nicht das erste Mal sein, dass der Schwede in Augusta, Georgia, von der Washington Road durch das schmiedeeiserne Tor auf die Magnolie Lane abbiegt. "Ich bin schon einmal dort gewesen", verriet er kürzlich. "Wir haben in meinem ersten Studienjahr an der Texas Tech einen Wochenendausflug mit ein paar Geldgebern der Universität gemacht. Wir verbrachten einen Tag in Augusta, spielten den Golfplatz und den Par-3-Platz und hatten einfach die beste Zeit." Garantiert ist dazu noch eine Steigerung möglich.

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