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Arabisches Zahlen

PGA & LIV Tour

Von Rüdiger Meyer

Noch vor Wochen waren sich LIV Golf und PGA Tour so spinnefeind wie Katz und Maus, wie Taylor Swift und Kanye West, wie Lennisters und Starks. Doch plötzlich tun sich die beiden Golf-Großmächte zusammen. Ein Protokoll der Ereignisse.

Wenn man das Spiel um Throne spielt, gewinnt man oder man stirbt." Cersei Lennisters Motto in "Game of Thrones" war auch die Maxime von Jay Monahan, als er sich im vergangenen Jahr für den Kampf gegen LIV Golf wappnete. Im Oktober 2022 verneinte der Chef der PGA Tour gegenüber ESPN, dass die beiden Touren zusammenkommen oder koexistieren könnten. Doch nur sieben Monate später legt sich Monahan mit der LIV ins Bett wie Cersei mit ihrem Cousin. Und ganz wie Cersei bei ihrem Bußgang musste sich auch Monahan bei einem Spielertreffen einen Chor von "Schande!"-Rufen anhören. Wie konnte es innerhalb so kurzer Zeit dazu kommen, dass die Antwort auf Monahans rhetorisch gemeinte Frage "Habt ihr euch jemals entschuldigen müssen, ein Mitglied der PGA Tour zu sein?" ein lautes Ja wurde?

Ein Rückblick auf das wildeste Jahr, das der Golfsport je erlebt hat: Als am 11. Juni 2022 im Londoner Centurion Club die LIV Golf Invitational Series debütierte, waren die Sympathien bei Fans und Medien klar verteilt: hier die PGA-Tour-Spieler um Rory McIlroy, die Golf aus Liebe zum Sport spielen und Titel über Geld stellen, dort die raffgierigen Profisportler um Phil Mickelson, die sich für eine unanständige Summe Geld zu Steigbügelhaltern eines Unrechtsregimes machten. Desjenigen Staats, der nach Angaben von Amnesty International nicht nur weltweit die meisten Hinrichtungen anordnet, sondern dessen Spitze auch in den Befehl verwickelt sein soll den Journalisten Jamal Khashoggi ermordet zu haben. Entsprechend schwer fiel es der von Greg Norman geleiteten Herausforderer-Tour, Sponsoren zu generieren, zahlende Zuschauer anzulocken und TV-Partner zu finden.

Alles sprach dafür, dass die neue Tour so schnell wieder von der Bildfläche verschwinden würde, wie sie gekommen war. Im Zuge eines Gerichtsverfahrens im Februar gab LIV die eigenen Einnahmen mit "quasi null" an, und als LIV vor Gericht Niederlage um Niederlage kassierte (die Klage einiger Spieler bröckelte, die Sanktionen der DP World Tour waren rechtens und im Februar durfte die PGA Tour ihre Klage gegen die LIV auf den Public Investment Fund erweitern), schien den Sportswashern das Pulver auszugehen. Doch in Wirklichkeit war es die PGA Tour, die dumm aus der Wäsche schaute.

JIMMY DUNNE

Vorstandsvorsitzender der Investmentbank Piper Sandler, Mitglied von Augusta National, Präsident des ebenso exklusiven Seminole Golf Club und seit Ende 2022 Aufsichtsratsmitglied der PGA Tour.

JAY MONAHAN

Bereits im Alter von 32 Jahren war Monahan Turnierleiter der von ihm angestoßenen Deutsche Bank Championship. Er kam 2008 zur PGA Tour und beerbte dort 2017 Tim Finchem als Commissioner.

YASIR AL-RUMAYYAN

Seit September 2015 Leiter des 650 Milliarden US-Dollar schweren Public Investment Fund. Dazu Vorstandsvorsitzender des Erdölunternehmens Aramco und Vorsitzender von Newcastle United.


Arabisches Zahlen:

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ICH BIN NICHT NAIV. WENN DAS HIER EIN WETTRÜSTEN IST UND DIE EINZIGE WAFFE DOLLAR-SCHEINE SIND, KANN DIE PGA TOUR NICHT MITHALTEN.
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Zwischen all seinem moralisch erhabenen Blödsinn hatte Jay Monahan im Juni 2022 bereits den Ausgang des Ganzen prophezeit: "Ich bin nicht naiv. Wenn das hier ein Wettrüsten ist und die einzige Waffe Dollar-Scheine sind, kann die PGA Tour nicht mithalten", verkündete er den versammelten Golfjournalisten. Und tatsächlich massierten sich in den kommenden zwölf Monaten die Ausgaben. Um weitere Spieler vom Abwandern abzuhalten, erhöhte die PGA Tour nicht nur ihre Bonusauszahlungen über das "Player Impact Program" von 40 auf 100 Millionen Dollar, das zusätzliche Preisgeld für die neuen Designated Events wurde ebenfalls zu großen Teilen aus Reserven der PGA Tour finanziert. Hinzu kamen horrende Anwaltskosten. Die Klage-Orgien mit dem PIF und die Verteidigung gegen eine Kartellrechtsuntersuchung des US-Justizministeriums sollen 50 Millionen Dollar gekostet haben - Tendenz steigend. Für den mit 650 Milliarden Dollar ausgestatteten Public Investment Fund nur Kleingeld, für die PGA Tour allerdings existenzbedrohend.

Auftritt James J. Dunne III. Der ehemalige Investmentbanker wurde zur Schlüsselfigur und zur modernen Entsprechung des 70er-Jahre-Sprichworts "Nur Nixon konnte nach China gehen". Ausgerechnet der Mann, der nur durch eine Runde Golf am 11. September 2001 vor dem Tod bewahrt wurde, während ein Drittel seiner Angestellten im World Trade Center starben, nahm den Erstkontakt mit Yasir Al-Rumayyan auf. Am 18. April bat Dunne laut "New York Times" per WhatsApp um ein Treffen. Danach ging alles ganz schnell. Eine Woche später trafen sich die beiden mit dem PGA-Tour-Aufsichtsratsvorsitzenden Edward D. Herlihy in London, Mitte Mai kam es in Venedig schließlich zum Schlüsseltreffen mit Jay Monahan.

Schnell war für beide Seiten klar, dass eine Einigung eine Win-win-Situation sei: Die PGA Tour wäre über Nacht alle finanziellen Probleme los, der PIF hätte endlich seinen langersehnten Platz in der Steuerzentrale des Golfsports. Die letzten Details wurden an Bord der PGA Tour Force 1 auf dem Flug von New York nach San Francisco festgezurrt, am 30. Mai 2023 setzten schließlich Monahan, Al-Rumayyan sowie der DP-World-Tour-Chef Keith Pelley ihre Signaturen unter den Rahmenvertrag. Dass sie danach sieben Tage lang das Abkommen geheim hielten, machte die Verkündigung der Einigung am 06. Juni noch erbärmlicher.

Anstatt die Zeit zu nutzen, um zu üben, wie man den unbegreifbaren Deal der Öffentlichkeit begreifbar machen kann, präsentierten sich alle Beteiligten wie Viertklässler bei ihrem ersten Referat. Keith Pelley veröffentlichte ein fünfminütiges Video, in dem das Einzige, was leerer wirkte als seine Seele, der Raum war, in dem ihm ein Stichwortgeber vorbereitete Fragen stellte. Jay Monahan benutzte bei CNBC die exakt gleichen "Grow the Game"-Worthülsen, für die er die abgewanderten Spieler noch verspottet hatte. Und Jimmy Dunne erteilte im Golf Channel dem umstrittenen PIF Absolution, indem er verkündete: "Wenn man irgendjemandem nachweisen könne, dass er [an 9/11] beteiligt gewesen sei, würde ich ihn eigenhändig umbringen." Wie widerlich diese Aussage war, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sein CEO Jay Monahan noch wenige Monate zuvor das Andenken der 9/11-Opfer wie eine Monstranz vor sich hergetragen hatte, um LIV Golf zu diskreditieren.

Doch nicht nur die Opferfamilien, die Medien und viele Golf-Fans zeigten sich empört, auch Monahans Vorgesetzte - die Spieler der PGA-Tour - waren außer sich. "Heuchler" war noch eines der harmloseren Worte, die sich Monahan anhören musste, als er den Spielern den neuen Status quo erklärte. Einer von ihnen, Johnson Wagner, verriet im Anschluss, dass 90 Prozent der anwesenden Spieler der Einigung negativ gegenüberstanden und eine Rücktrittsforderung mit Standing Ovations bedacht wurde. Die Profi-Golfer als letzte moralische Instanz des Golfs? Weit gefehlt. Viele Spieler fühlten sich einfach übergangen, weil sie erst aus den Medien oder via Twitter von der Einigung erfahren hatten. Andere hatten monetäre Motivationen, weil sie einerseits für ihre Loyalität belohnt werden wollten und andererseits fürchteten, die flügge gewordenen LIV-Stars wie Phil Mickelson oder Bryson DeChambeau dürften nun wieder in den heimischen Stall zurückkehren, als sei nichts gewesen. Und Spieler wie Rory McIlroy, die von Monahan und Co. vor den Karren gespannt worden waren, fühlten sich zu Recht ausgenutzt. "Es ist schwer für mich, hier oben zu sitzen und mich nicht wie ein Opferlamm zu fühlen", verkündete der vierfache Major-Sieger desillusioniert der Presse.

Entsprechend ist der von Monahan und Al-Rumayyan so selbstbewusst verkündete Deal noch längst nicht in trockenen Tüchern. Die Zustimmung des Grundsatzausschusses, in dem neben fünf Externen (darunter Ed Herlihy und Jimmy Dunne) auch die PGA-Tour-Profis Patrick Cantlay, Charley Hoffman, Peter Malnati, Webb Simpson und Rory McIlroy sitzen, dürfte dabei das geringste Problem sein. Die größte Gefahr droht von Justiz und Politik. Aufgrund des neuen Einflusses Saudi-Arabiens auf die PGA Tour wird es im Juli eine Anhörung vor dem US-Senat geben, die möglicherweise zu einer Untersuchung durch das sogenannte Committee on Foreign Investment in the United States führen könnte. Unvermeidbar ist aber bereits eine Untersuchung durch das US-Justizministerium.

Da der Rahmenvertrag komplett ohne Einbindung von Kartellanwälten geschah und Monahan naiv in die Welt hinausposaunte, man habe "einen Mitstreiter vom Spielfeld entfernt", wird sich die bereits gestartete Prüfung einer Monopolstellung nur noch verstärken. Weil zusätzlich noch die DP World Tour ins Boot geholt wurde, gibt es auch durch die britische Competition and Markets Authority (CMA) und die Europäische Kommission eine Untersuchung. Wenn nur einer von ihnen Veto einlegt, platzt der ganze Deal. Was in diesem Fall mit der Zukunft des Golfsports passieren würde, steht völlig in den Sternen. Gut möglich, dass die PGA Tour am Ende tatsächlich das gleiche Schicksal erleidet wie Cersei Lennister.

 

FAKTEN, BITTE!

Dies sind die Eckpunkte der sechs Seiten langen Absichtserklärung zwischen der PGA Tour und dem Public Investment Fund Saudi-Arabiens:

  1. Die kommerziellen Arme von PGA Tour und DP World Tour (TV-Rechte, Besitztümer wie die TPC-Golfplätze) und der Golf-Teil des Public Investment Fund (u.a. LIV Golf) werden zu einer neuen, später zu benennenden Einheit zusammengeschlossen.

  2. Sämtliche Rechtsstreitigkeiten unter den Parteien werden beigelegt.

  3. Nach einer Bewertung der eingebrachten finanziellen Werte werden die Anteile an der neuen Firma vergeben, die von Jay Monahan als CEO geleitet wird, während Yasir Al-Rumayyan zum Aufsichtsratsvorsitzenden wird, im Aufsichtsrat aber die einzige Stimme des PIF ist, während die PGA Tour drei Stimmen hat.

  4. Der PIF ist zu Beginn alleiniger Investor in der neuen Firma. Sollten andere Parteien Interesse an einem Investment haben, hat der PIF das alleinige Recht, diese abzulehnen.

  5. Die zu LIV Golf abgewanderten Spieler erhalten die Chance, zur PGA Tour zurückzukehren, Details und mögliche Strafen werden später festgelegt. Neue Spieler dürfen nicht abgeworben werden.

  6. PGA Tour, DP World Tour und LIV Golf laufen vorerst 2024 normal weiter. Allerdings wird wohl Monahan auch Chef von LIV Golf.

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