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Golfpunks dieser Welt

Mary Kathryn 'Mickey' Wright

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Wenn Ben Hogan sich sicher war, Mickey Wrights Schwung wäre der schönste der Golfgeschichte, dann muss an diesem extraordinären Kompliment was dran sein, oder?

Und dann ist sie plötzlich weg. Verschwunden aus der Öffentlichkeit. Mit nur 34 Jahren beendet die beste Golferin ihrer Generation und gemeinhin als die Größte aller Zeiten geltende ihre Karriere. Mickey Wright macht sich damit zum Mythos. 1969 ist sie die alles überstrahlende Figur im Damenzirkus der LPGA Tour. Patty Berg gewinnt mehr Majors (15), Kathy Whitworth die meisten Events (88). Die Beste jedoch ist Wright. 14 Jahre lang dominiert sie die Tour. 82 Siege, 13 Majors. Ihr fehlt nicht viel und auch ihr Trophäenschrank hätte unterstrichen, was sowieso für jeden Zeitgenossen klar ist. Mickey Wrights Spiel ist schlicht einzigartig und diese Last wird am Ende zu groß. Whitworth erinnert sich später, dass Sponsoren drohten, Turniere abzusagen, wenn Mickey nicht anträte. Also spielt sie, auch ihren Kolleginnen auf der Tour zuliebe. Sie ist ein Vorbild; so formuliert Betsy Rawls, dass Mickey der Beweis sei, dass auch Frauen großartige Golfer sein können. Zwischen 1962 und 1964 spielt sie aus heutiger Sicht absolut unglaubliche 90 Turniere. Und das ist nur die eine Seite ihrer Verpflichtungen. Als Präsidentin der Tour ist es ihre Pflicht, für ihren Sport die Werbetrommel zu rühren: Interviews, Pressekonferenzen und Sponsorentermine. Mickey hier, Mickey da; dass sie es schafft, in dieser Phase gut ein Drittel der Turniere auch zu gewinnen, ist eine Meisterleistung. Gerade weil, wie sie selbst einmal sagt, nicht gut darin sei, vor Leuten zu stehen. Doch das Ende zeichnete sich ab: "Irgendwann kam es so weit, dass ich es nicht mehr ertragen konnte." Heute würde man wohl von Burn-out sprechen. Sie zieht sich nach Port St. Lucie in Florida zurück, sucht das ruhige Leben.

Was hätte sie auch noch beweisen sollen? Als einzige Golferin hält sie zeitgleich alle vier Majors, spielt die niedrigste Runde (62), ihr gelingt das größte Comeback (10 Schläge), sie spielt die meisten Birdies (9), dazu niedrigster Schlagdurchschnitt über eine ganze Saison (5x) und die meisten Siege in einem Jahr (13), Aufnahme in die World Golf Hall of Fame und so weiter, die Liste ließe sich um ein Vielfaches verlängern. Herbert Warren Wind beschreibt sie als "großes (1,75 m), gut aussehendes Mädchen, das den Ball mit der gleichen entschlossenen Handbewegung schlug, die die besten männlichen Spieler nutzen. Ihre Schlagbewegungen verschmolzen nahtlos mit dem Rest ihres Schwungs, der dem von Hogan insofern ähnelte, als dass sein zusammenhängendes Timing den Aufwand verschleierte, der darin steckte".

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ES GAB NIE EINE ZEIT IN MEINEM LEBEN, IN DER ICH NICHT AN MEINEM SCHWUNG GEARBEITET HÄTTE.
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Nicht zufällig ist zu ihren aktiven Zeiten die liebste Freizeitbeschäftigung ein gelegentlicher Ausflug nach Fort Worth, um Ben Hogan trainieren zu sehen. Auf die einmal gestellte Frage, ob dies okay sei, seine trockene Replik: "Solange du nicht ein Wort sagst." Schweigend wird Mickey Wright so dauerhafter Zaungast. Zwei Schweiger unter sich. Und: "Game recognizes game", wie es im Englischen heißt, und so ist es dann ebenjener Ben Hogan, der mehr als einmal postuliert, dass Mickey den wohl schönsten Schwung aller Golfer habe, egal ob Mann oder Frau. Mit der Betonung auf "Schwung". Nicht drehen, Winkel halten, massive körperliche Anspannung mit den einhergehenden Belastungen für Gelenke und Rücken. Gegenüber ESPN betont sie einmal, dass sie einfach den Schläger geschwungen habe, linke Hacke im Rückschwung vom Boden hebend inklusive. Eine leichte und flüssige Bewegung und nicht auf dem Boden verankert, als seien die Füße in Beton gegossen. Dazu, wie es die Trainer-Ikone Harvey Penick in seinem kleinen roten Buch notiert, habe sie sehr lebendige Hände gehabt, freilich die besten. Woher kommt dieser Schwung? Viele Golfer auf unseren Wiesen betrachten den Ball als das Objekt, dabei ist der ja nur im Weg. Das berühmte "Ich muss einfach mehr durchschwingen" oder den "Schläger laufen lassen" sind Floskeln, die jedes Wochenende auf den Clubterrassen der Republik widerhallen. Kaum einer tut es, doch Mickey schwingt einfach und führt das auf ihre erste Golfstunde unter Johnny Bellante im La Jolla Country Club zurück: "Er brach einen Eukalyptuszweig ab und gab ihn mir mit den Worten, ich solle den Zweig singen lassen. Welch ein herrliches Geräusch, wenn der Ast durch die Luft rauschte! Geschwindigkeit. Smooth - aber mit Vortrieb. Es war eine fantastische erste Einheit und lehrte mich, durch den Ball zu schwingen und nicht auf ihn." Da ist sie gerade zwölf Jahre alt und spielt seit ihrem vierten Lebensjahr Golf. Wenige Wochen später knackt sie erstmals die 100er-Marke. Für die am 14. Februar 1935 in San Diego, Kalifornien, geborene Mary Kathryn ist es ein Initiationsmoment auf dem Weg zu ihrer einzigartigen Karriere. Doch was nützt der beste Schwung, wenn, wie es Jack Nicklaus einmal formuliert hat, der entscheidende Teil des Golfers nicht funktioniert? Nämlich die gut 30 Zentimeter zwischen den Ohren.

"Es gibt einen Unterschied zwischen gut spielen und den Ball gut treffen. Letzteres macht nur 30 Prozent aus. Der Rest ist, sich auf die verschiedenen Situationen auf dem Platz einstellen zu können." Es ist eines ihrer seltenen Bonmots. Oder wie sie es einmal beschreibt: "Ich habe das Gefühl, als hätte ich meinen ganz eigenen Master-Abschluss in Psychologie durch Studium und Erfahrung, Versuch und Irrtum auf Golfplätzen in den Vereinigten Staaten erworben. Denn Psychologie gehört zu gutem Golf ebenso dazu wie ein effizienter Schwung."

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Ihr Wettkampfgeist komplementiert ihren Schwung perfekt. Später einmal spricht sie über die "größten Gewinner" im Golfsport, nennt Hogan, Nicklaus, Jones und freilich Tiger. Alle hätten sie einen fantastischen Schwung gehabt, allerdings sei ihr innerer Antrieb unerreicht. Auf die Frage, ob sie sich in diese Liste einreihen würde, antwortet sie knapp: "Ja, das würde ich!" Kein Wunder, so scheu sie außerhalb des Platzes die Ruhe sucht, so sehr will sie gewinnen und beschreibt dies als das beste Gefühl, das es für sie gebe. Und das zweitbeste? Ein hohes 2er-Eisen in ein gut beschütztes Grün.

2017 gibt Mickey in ihrem Refugium Port St. Lucie im Alter von 82 Jahren "GolfDigest" ein seltenes und ausführliches Interview. Es ist mehr ein Gespräch und erlaubt erstaunliche Einblicke, lüftet ein wenig den Vorhang hinter dem Mythos und ist eine Pflichtlektüre für Golf-Aficionados! So spiele sie immer noch Golf für sich, tüftele am Schwung. Von ihrer Veranda aus schlage sie nach ihrem Rücktritt von einer Matte Bälle auf das Fairway der 14 des Golfplatzes, auf dem sie lebe. Fünf oder sechs Stück seien es zu diesem Zeitpunkt noch, gerade genug, "um Golfer zu bleiben", wie sie sagt. Matte, Bälle, Schläger und die Versuchung seien einfach zu groß. Und: Sie werkele an ihrem Schwung. "Es gab nie eine Zeit in meinem Leben, in der ich nicht an meinem Schwung gearbeitet hätte." Auch hier ist sie Vorbild, stehen die fundamentalen Dinge wie Set-up und Ballposition im Fokus. Sie berichtet, wie sie einst Babe Zaharias traf. Oder dass sie und ihre Mitstreiterinnen auf der Tour große Elvis-Fans gewesen seien und sie mit 21 Jahren auf einem Konzert ebenso gekreischt habe wie Tausende andere junge Frauen auch. Sie räumt mit der Mär auf, die Reisen zu den Turnieren wären nur Strapazen gewesen. "Wir fuhren alle große Cadillacs, sehr bequem, und im Radio lief Elvis." Und dann beschreibt sie ihren größten Moment als Golferin. Kein Titelgewinn, kein Major, nicht die Kameradschaft auf der Tour, es sei ein einzelner Schlag mit ihrem 2er-Eisen an der 16 bei den Sea Island Open 1957 gewesen. "Acht Grad und eine steife Brise, ich hatte eine knappe Führung. Lange Eisen waren immer meine Stärke. Und dieser Schlag, einen Meter an die Fahne, gab mir Gänsehaut. Es war surreal. Ich habe den Rest meiner Karriere versucht, dieses Gefühl zu duplizieren." Für sie sei Patty Berg die beste Golferin gewesen und sie bedauere, dass ihr Skills-Set in der Geschichte ein wenig in Vergessenheit geraten sei. Sie empfinde die "erzwungene Sexiness" einiger Proetten als grenzwertig, verfolge aber auch im hohen Alter die Tour und sei vom Schwung der Kordas beeindruckt. Und dann, falls sie in den Himmel käme, dann mit ihrem 2er-Eisen. Sea Island, alles wie damals und "endlich finde ich das Gefühl dieses Schlags wieder!"

Mary Kathryn "Mickey" Wright stirbt drei Jahre nach dem Interview am 17. Februar 2020. Unsterblich jedoch ist der schönste Schwung der Golfgeschichte.

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