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Mia Baker

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Von Jan Langenbein, Fotos: Adidas

Weil niemand den Golf-Content bieten konnte, den Mia Baker gerne sehen würde, schritt sie selbst zur Tat - mit durchschlagendem Erfolg.

Unsere erste Begegnung mit Mia Baker hatten wir bei einem Legends-Tour-Event Anfang 2022 auf Mauritius - es könnte schlimmer sein, schon klar! Die Instagram- und YouTube-Kanäle der damals 27 Jahre alten Engländerin, die aus dem Starterfeld voller Golfsenioren in etwas so herausstach wie Taylor Swift bei einem Bingo-Nachmittag, waren gerade im Begriff, richtig durchzustarten, und nicht einmal widrige Platzbedingungen während der Monsunzeit konnten ihrer ansteckend guten Laune etwas anhaben. Wenige Minuten in Mias Gegenwart oder ein kurzer Small Talk genügten, um zu begreifen, dass man es mit einem absoluten Naturtalent in Sachen Kommunikation und Begeisterungsfähigkeit für den Golfsport zu tun hat.

Zwei Jahre später zählt Mia nun völlig zu Recht zum Content-Creator-Goldstandard in der Golfszene. Ihre Mission, den Golfsport für Mädchen und Frauen zugänglicher zu machen, hat ihr nicht nur eine Viertelmillion Instagram-Follower, knapp 70.000 YouTube-Abonnenten und einen erfolgreichen Podcast beschert, die mittlerweile 29-Jährige ist längst auch Markenbotschafterin für Großkonzerne wie Adidas und TaylorMade. Eine bemerkenswerte Leistung, wenn man bedenkt, dass Mia erst mit Mitte 20 zum ersten Mal einen Golfschläger in die Hand nahm.

Beim Interviewtermin mit Mia im März 2024 müssen wir aber zuerst noch einmal auf unser erstes Treffen unter Golfrentnern im Indischen Ozean zu sprechen kommen. Schließlich sorgte sie damals für den Schlag der Woche, als sie vom Moderator des Abends völlig unvorbereitet aus der Schar von Partygästen gezogen wurde, ein Wedge in die Hand gedrückt bekam und vor versammelter Mannschaft auf ein temporäres Grün am Strand pitchen sollte. Das Ergebnis dieses Überfalls: Mia lochte beim ersten Versuch ein. So etwas nennt man wohl Showtalent.

Mia Baker: Grow the game: sprichwörtlichMia Baker: Grow the game: sprichwörtlich
Grow the game: sprichwörtlich

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HÄTTE ICH GEWUSST, WAS DIE UNGESCHRIEBENEN GESETZE DIESES SPORTS SIND, WÄRE ICH WAHRSCHEINLICH SCHNELL EINGESCHÜCHTERT GEWESEN UND HÄTTE VIELE DINGE GAR NICHT ERST VERSUCHT.
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Kannst du dich an den Pitch-in am Strand von Mauritius erinnern?
In Flip-Flops und einem Strandkleid ... [lacht] Das war totaler Zufall und absolutes Glück, glaub mir! Na, klar erinnere ich mich - ich weiß auch noch genau, wie nervös ich war.

Solche Schläge scheinen Routine für dich zu sein, schließlich hat dein Chip-in beim BMW Championship Pro-Am in Wentworth vergangenes Jahr mittlerweile 9,4 Millionen Views auf Instagram. Du wirkst in diesem Umfeld kein bisschen nervös - oder täuscht der Eindruck?
Oh Gott, ich bin wahnsinnig nervös, wenn ich vor Zuschauern Golf spiele! Bei diesem Chip haben meine Hände gezittert. Ich habe aber gelernt, dass sich die Anspannung, vor Zuschauern performen zu müssen, schnell in Adrenalin, also ins Positive, wandelt.

Wann und weshalb bist du zum Golf gekommen?
Ende 2019 bin ich zum ersten Mal mit Golf in Berührung gekommen. Ein Freund schlug mir vor, einfach mal mitzukommen. Ich hatte Interesse, da ich Golf für einen tollen Sport für Socializing halte und man dabei neue Leute kennenlernt. Auf der Driving Range musste ich dann schnell lernen, wie schwierig Golf ist, denn ich war wirklich schlecht. Als ich nach dieser ersten Trainingseinheit Golfschuhe kaufen wollte, stellte sich das allerdings als noch schwieriger als der Golfschwung an sich heraus. In Pro-Shops hörte ich nur: "Wir haben ausschließlich Männerschuhe", und selbst bei einem von Englands größten Golfhändler wurde ich nicht fündig. Nicht mal in ihrem Flagship-Store in London konnte ich Frauengolfschuhe finden. "Das kann im 21. Jahrhundert doch nicht sein. Ich möchte einen neuen Sport beginnen und bekomme keine passende Ausrüstung!", dachte ich damals. Also habe ich einen Brief an das Unternehmen geschrieben und landete schnell beim CEO. Wir unterhielten uns über Frauengolf und ich erklärte ihm, dass auf ihrem Instagram-Account nur Männer zu sehen wären. Damals schien mir die Idee, einen eigenen Insta-Account zu starten, noch abwegig, denn ich arbeitete in einem Tech-Unternehmen und sah mich hinter einem Laptop und nicht vor der Kamera. 2020 bemerkte ich allerdings, dass ich nicht die einzige Frau sein konnte, die gerne ernsthaft Golf spielen würde, und um diesem Publikum einen Kanal zu bieten, habe ich meinen Instagram-Account angelegt. Damit ich mich nicht komplett lächerlich mache, musste ich schnell besser werden, was meine Golf-Skills angeht. Also habe ich Unmengen an Golf-Content konsumiert und angefangen, Online-Trainerstunden zu nehmen, schließlich war das die Zeit von Covid und den Lockdowns. Dieses Training zu Hause im Wohnzimmer habe ich auf Instagram geteilt und damit einen Nerv getroffen, schließlich folgen mir nun viele der Lockdown-Golfer, die zur gleichen Zeit wie ich mit Golf angefangen haben und sich auf derselben Lernkurve wie ich befinden.

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Ging es von den ersten Insta-Posts bis zum in Vollzeit arbeitenden Content Creator wirklich so schnell?
Nicht ganz, es dauerte noch eineinhalb Jahre, bis ich den Mut aufbrachte, meinen Fulltime-Job zu kündigen. Als ich besser wurde und mein Kanal wuchs, bot sich die Gelegenheit, mit Adidas gemeinsam an einer Frauengolfkollektion zu arbeiten. Damit schloss sich ein Kreis, schließlich waren es die fehlenden Schuhe und Golfklamotten, die mich dorthin gebracht haben, wo ich heute bin.

Hättest du dir, als du mit Golf angefangen hast, vorstellen können, dass daraus dein Beruf werden könnte?
[lacht] Auf keinen Fall! Wie hätte ich so was denken können? Ich hatte so gut wie keine Ahnung vom Golfsport. Diese Naivität hat mir aber geholfen, viele Dinge im Golf einfach zu machen. Hätte ich gewusst, was die ungeschriebenen Gesetze dieses Sports sind, wäre ich wahrscheinlich schnell eingeschüchtert gewesen und hätte viele Dinge gar nicht erst versucht.

Insbesondere für junge Frauen kann ein Golfclub ein einschüchterndes Umfeld sein. Was empfiehlst du Golfanfängern, die sich nicht recht trauen?
Wo Männer zu einem lockeren "Ich versuche es einfach mal!" neigen, ist bei Frauen das Selbstvertrauen oft nicht ganz so ausgeprägt. In diesem Fall kann ich empfehlen, es als kleine Gruppe zu versuchen. So hat man nicht nur mehr Spaß auf der Driving Range, zusammen mit Freundinnen vervielfacht sich das Selbstbewusstsein von ganz allein.

Wenn jemand, der dich nicht kennt, fragt, was du beruflich machst, was antwortest du ihm?
Ich sage meist: "Ich arbeite im Golfsport." [lacht] Oder ich bezeichne mich als Golfunternehmerin, die unterschiedliche Projekte innerhalb des Sports umsetzt und mit vielen verschiedenen Menschen zusammenarbeitet. Mein Job ist einfach noch so neu, dass viele Menschen sich nichts darunter vorstellen können, wie man als Content Creator von dieser Arbeit leben kann. Erkläre ich, dass ich mich um die Produktion, das Filmen und das Schneiden meiner Videos selbst kümmere und natürlich auch noch selbst vor der Kamera stehe, dann verstehen die meisten erst, wie komplex und zeitintensiv der Job tatsächlich ist.

Du hast sicher als Ein-Frau-Unternehmen mit einer kleinen Kamera angefangen, oder?
Mein iPhone, ein kleiner Tripod und sonst nichts - das war meine Ausstattung für die ersten 18 Monate meines Kanals.

Diese Zeiten sind aber sicher längst vorbei. Wie groß ist dein Team mittlerweile?
Das Team sind mein Stiefbruder und ich. Ich habe gerne die Kontrolle über meine Produktionen und mir macht die viele Arbeit Spaß. Mein gesamter Instagram-Content kommt direkt von mir. Mein Stiefbruder ist für das Schneiden der YouTube-Videos zuständig, denn das ist ein enorm zeitaufwendiger Job.

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Unterscheidet sich die Arbeit für die unterschiedlichen Plattformen, auf denen du präsent bist, oder ist das Produzieren von Inhalten immer dasselbe?
Die unterschiedlichen Kanäle unterscheiden sich sehr und auch das Publikum ist jeweils ein völlig anderes. YouTube ist eine großartige Möglichkeit, sich selbst und die eigene Persönlichkeit zu präsentieren. Die Abonnenten können sich dort ein gutes Bild von mir machen, das gefällt mir sehr gut. Fünf-Sekunden-Videos auf Instagram machen es deutlich schwerer, sich als echter Mensch zu zeigen, aber ich liebe Instagram-Storys, denn dort kann ich alle an meinem Tagesablauf teilhaben lassen. TikTok wird oft mit Ton angeschaut und ich habe die Erfahrung gemacht, dass Inhalte, in denen ich spreche und Dinge erzähle oder erkläre, erfolgreich sind.

Wie viele Tage im Jahr bist du auf Reisen und wie oft verbringst du Zeit zu Hause?
Ich bin am Montag [11. März; Anm. d. Red.] von einer Reise zurückgekommen und war davor am 18. Januar das letzte Mal zu Hause. [schluckt] Ich würde schätzen, dass ich etwa die Hälfte des Jahres unterwegs bin.

Welcher Teil deines Jobs als Content Creator gibt dir das beste Gefühl?
Wenn ich Nachrichten bekomme, was meinen Zuschauern gut gefallen hat oder dass ich sie inspirieren konnte, Golf zu spielen, das sind die Momente, in denen ich mich wirklich gut fühle, denn ich spüre, dass ich anderen etwas bieten oder eine Freude machen konnte. Bei Kindern ist das am meisten spürbar. Ich habe vor Kurzem ein Kinderbuch geschrieben und am Welttag des Buchs habe ich Messages von Kids bekommen, die sich als Charaktere aus meinem Buch verkleidet haben und Mitschüler eingeladen haben, mit ihnen auf den Golfplatz zu kommen. Das war wirklich cool!

Wie sieht deine Zusammenarbeit mit Adidas aus? Bist du in den Designprozess einzelner Kleidungsstücke eingebunden?
Das war wirklich witzig, denn als ich angefangen habe, mit Adidas zusammenzuarbeiten, haben sie mir ein riesiges Paket voller Golfklamotten und Schuhe geschickt. Ich habe alles anprobiert und ein Spreadsheet angelegt - ich habe schließlich einen Business- Background -, habe jedes einzelne Stück mit Modellnummer, Größe und Farbe eingetragen und mit Kommentaren versehen. In Herzogenaurach müssen sie gedacht haben, es mit einer Psychopathin zu tun zu haben [lacht], so detailliert war mein Feedback. Eine Sache, die ich an der Zusammenarbeit mit Adidas liebe, ist ihre Bereitschaft, immer besser zu werden und Feedback zu berücksichtigen. Ich war total aufgeregt, als sie mir erzählten, dass sie für mich ein Gespräch mit ihrem globalen Designteam organisiert hatten! In dieser Saison hängt nun Golfkleidung von Adidas in den Shops, in die auch ein Beitrag von mir mit eingeflossen ist, was mich mächtig stolz macht. Das Großartige an meiner Zusammenarbeit mit Adidas ist, dass die Mitarbeiter dort den Leuten, mit denen sie arbeiten, wirklich zuhören, und dafür bin ich sehr dankbar.

Du hast für Teile der neuen Kollektion auch als Model fungiert. Was macht dir mehr Spaß: am Designprozess beteiligt zu sein oder die Stücke dann auch zu zeigen?
Ich gehöre zu der Sorte Mensch, die alles gerne macht. Beim Modeln sehe ich mich aus der dritten Person, stelle mir vor, wie andere Golferinnen die Kleidung tragen und was ihnen daran gefallen könnte. Das Interessante daran ist, dass ich am gesamten Prozess von der ersten Idee bis zur finalen Präsentation einer Kollektion beteiligt sein kann.

Was sind deine Lieblingsteile der Adidas-Golfkollektion dieser Saison?
Ich liebe die Golfkleider, weil sie so praktisch sind, wenn man für Reisen packen muss. Ein einziges Teil und man ist perfekt angezogen. [lacht] Für Frauen hat sich auch in Sachen Schuhe viel getan. Viele Golfschuhe sind von den Adidas-Klassikern wie dem Samba oder dem Stan Smith inspiriert.

 
Steckbrief

Steckbrief

NAME
Mia Baker

ALTER
29 Jahre

WOHNORT
Surrey, England

HANDICAP
9

LIEBLINGSTEAM
England, ganz egal welche Sportart

PODCASTS
"Unsussed with Mia Baker"
"Chatting balls with Mia Baker and Ollie Robinson"

Was war bisher der größte "Ich kann es nicht glauben, dass ich gerade hier bin und das erleben kann!"-Moment deiner Golfkarriere?
Der erste dieser Momente war, als ich einen Tag nach der Open Championship in Royal St. George's spielen durfte. Nach der Runde musste ich in meinem Hotelzimmer weinen und dachte: "Wie kann es sein, dass ich so etwas erleben darf?" Es war ein merkwürdiger Augenblick, mit dem ich nicht richtig umgehen konnte, denn ich fühlte mich ein wenig fehl am Platz und überwältigt. Rückblickend wünschte ich, ich hätte damals einen Schimmer gehabt, was ich tue. [lacht] Und dann war da natürlich noch der Ryder Cup in Rom. Das ist wahrscheinlich das Coolste, was ich je erleben durfte, und ich hoffe, jeder Golfverrückte und sogar Nicht-Golfer haben einmal im Leben die Chance, auch live dabei zu sein. Wo sonst gibt es im Golf ab sieben Uhr morgens eine Stimmung wie im Stadion und alle haben die Zeit ihres Lebens?

Was hat dir am Ryder Cup so gut gefallen?
Es war das erste Mal, dass ich bei einem Profiturnier echte Kameradschaft unter den Spielern erlebt habe, und der Golfsport würde davon profitieren, wenn es mehr davon gäbe. Das gilt auch für die eigenen Golfrunden: Zusammen mit Freunden einen Teamwettbewerb auszutragen macht so viel mehr Spaß, als einfach nur Stroke-Play zu spielen. Bei keinem Videodreh haben wir so viel Spaß wie bei Folgen zur "Golf Girls"-Serie auf YouTube. Wir spielen Scramble gemeinsam und es ist einfach nur positiv, denn schlechte Schläge interessieren nicht.

Wie steht es um dein Handicap?
Im Moment spiele ich zwar viel Golf, aber für die Videodrehs spiele ich jedes Mal von einer anderen Teebox. Daher sind meine Scores nicht wirklich repräsentativ, aber ich würde sagen, von den vorderen Abschlägen habe ich ein Single-Handicap und von weiter hinten etwas zwischen 10 und 15. In den vergangenen zwölf Monaten habe ich viel Länge dazugewonnen und ich denke, ich könnte wirklich gut sein, wenn ich mehr trainieren würde und der Winter in England nicht so lang wäre.

Hast du einen golfbezogenen Traum, den du dir noch gerne verwirklichen würdest?
Ja, ich hätte unglaublich gerne einen Golfsimulator zu Hause. Das wäre wirklich etwas! Aber dazu braucht es erst mal ein Haus ...

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