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Golfpunks dieser Welt

Nick Price

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und jede Menge harte Arbeit - wie Nick Price Mitte der 1990er-Jahre zum besten Golfer der Welt wurde.

Flow - der Zustand, in dem das Komplexe einfach scheint. Leichtgängig ohne die Schwere der Gedanken. Automatisiert. Im Fluss eben. "Ich habe immer davon geträumt, so zu spielen, Southern Hills, endlich, ist der Kulminationspunkt meiner [Golf-]Reise." Kaum zu glauben, dass es so etwas wirklich gibt, aber so klingt ein zufriedener Golfer. Sein Name: Nicholas Raymond Leigh Price.

Es ist der 14. August 1994 und Nick Price hat gerade die PGA Championship gewonnen. Es ist sein zweiter Major-Sieg in diesem Jahr nach den Open in Turnberry nur wenige Wochen zuvor. Es ist das Ausrufezeichen 19-monatiger Exzellenz, wie sie vor ihm nur Byron Nelson oder später der 2000er-Tiger erreicht haben. 19 Monate im Flow. Nick Price gewinnt 16 von 54 internationalen Starts. Er erspielt sich insgesamt 22 Top-drei-Ergebnisse zwischen den Jahren 1992 bis 1994. Er gewinnt drei Majors und dazu die Players Championship, das Flaggschiff-Event der PGA Tour. So steht es nach seinem beeindruckenden Lauf in der Vita. "Player of the Year", "Money List"- und Weltranglisten-Erster - die Auszeichnungen sind da nur die logische Konsequenz seiner anhaltenden Performance auf allerhöchstem Niveau. Die einfache Antwort auf die Frage, wieso dies alles möglich war, lautet: harte Arbeit und Geduld. "Ich habe mir nichts anmerken lassen, aber innerlich quälte es mich. Es spielte keine Rolle, wie gut ich spielte, ich wurde nur Zweiter, Dritter, Vierter oder Fünfter. Für eine lange Zeit habe ich mein eigenes Herz und meine Zielstrebigkeit infrage gestellt."

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Die Reise beginnt am 28. Januar 1957 in Durban, Südafrika. Nick Price kommt als jüngstes von drei Geschwistern als Sohn eines Offiziers der indischen Armee Großbritanniens auf die Welt. Bevor Nick das Schulalter erreicht, zieht die Familie weiter nach Rhodesien, heute Simbabwe, wo noch heute einer seiner Brüder als Teaching-Pro sein Auskommen findet. Timothy ist es dann auch, der seinen kleinen Bruder mit dem Golfvirus infiziert. Anfänglich prügeln sie Plastikbälle in Richtung vergrabener Tomatendosen, die in der Nachbarschaft verteilt sind. Nick erinnert sich später, dass sie mal 144 Loch gespielt hätten in der Vorstellung, es ginge um die Open Championship. Eigentlich Linkshänder, lernt der kleine Nick, seitenverkehrt zu spielen, da es für ihn keine Sets gibt. Und er lernt schnell. Sein erstes Ausrufezeichen als Golfer: Mit 17 Jahren gewinnt er die Junior Worlds in Torrey Pines. Nick ist Autodidakt. Oder in seinen Worten etwas flapsig formuliert: "Ich hatte keine Ahnung, was ich da tat, aber mir war klar, Golf zu meinem Leben zu machen." Vorher aber leistet er seinen Dienst bei der rhodesischen Luftwaffe: "Die Militärzeit lehrte mich Disziplin und Organisation. Drei Freunde verloren ihr Leben. Es gibt also mehr im Leben als nur Golf."

1978 debütiert er auf der European Tour, gewinnt 1980 die Swiss Open, wechselt 1983 auf die PGA Tour und stagniert. Sein selbst gebastelter Schwung ist für die professionelle Tour nicht stabil genug. Wenn das Timing seiner Bewegungen kalibriert ist, bringt er grandiose Ergebnisse ins Clubhaus. Ist es aber nur ein wenig aus dem Rhythmus, steht schnell eine 80 auf der Karte. Technisch gesprochen: Sein Rückschwung hat zu viele Freiheitsgrade. "Mein Schläger ging nicht nur steil, sondern beinahe vertikal nach hinten und mit beinahe 45 Grad wieder zurück. Grundsätzlich hatte ich kein Konzept für die Schwungbahn." Sich dieser Problematik bewusst beginnt er 1982, mit seinem Jugendfreund David Leadbetter zu arbeiten, der gerade dabei ist, sich als Teaching-Pro in den Staaten einen Namen zu machen, der ihn heute als einen der großen Schwung-Gurus ausweist. Obwohl die Arbeit Früchte trägt, ist die nächste Dekade in der Karriere von Nick Price gekennzeichnet von Ergebniskrisen. Unter seinen Kontrahenten auf der Tour herrscht die Meinung vor, dass der Hochtalentierte zu nett sei, um zu wissen, wie gut er eigentlich ist. Und viele wünschen sich, dass er es niemals herausfinden möge. Besonders bitter sind zwei Niederlagen bei den Open.

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1982 steht er mit drei Schlägen Vorsprung am Abschlag der 13 in Royal Troon. Doch der Sieger später heißt Tom Watson. 1988 unterliegt Price mit einem Schlag gegen Seve Ballesteros und muss sich danach einiges anhören. "Die Leute sagten immer wieder, ich wäre so viel besser, hätte ich bloß den Siegerinstinkt. Meine Antwort darauf war gleichbleibend: Natürlich wollte ich gewinnen! Es war schwer, denn tief drinnen wusste ich immer, was es braucht, um zu siegen."

Der Titel bei der World Series of Golf 1983 ist der einzige Ausreißer und es sollte noch ganze acht Jahre bis zum endgültigen Durchbruch 1991 dauern. Eine Zeit, in der er zusammen mit Leadbetter eine der pursten Schwungbewegungen kultiviert - Ballstriking at its best! Eine minimalistische Version der zu der Zeit üblichen von Beinen und Torso dominierten Bewegung. Schnell zwar, aber rhythmisch und nicht nur für Schwungenthusiasten eine Augenweide. Nicht zuletzt auch durch die damals durchaus revolutionäre Zusammenarbeit mit dem Sportpsychologen Bob Rotella hat Nick Price gelernt, den Sack zuzumachen, er ist nun nett und erfolgreich. Und fokussiert: "Eine Sache, die ich nun beherrsche, ist volle Konzentration", so Price damals. Schnell in allem, was er tut, hinderten ihn früher auch vorauseilende Gedanken während der Runde daran, erfolgreicher zu sein.

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Mit einem dominanten Sieg bei der PGA Championship 1992 platzt der Knoten und 1993 wird ein Triumphmarsch mit vier Siegen auf der PGA Tour. Price ist 36 Jahre alt. Warum geschieht plötzlich alles so schnell, fragt er sich zu der Zeit in einem Interview mit der "Times" , nur um die reflektierte Antwort selbst zu geben: "Alles passiert nicht in einem Jahr, es ist das Ergebnis harter Arbeit über die Jahre hinweg." Er ist jetzt im Flow und doch stechen zwei Titel hervor. Nachdem er zweimal an sich selbst scheiterte, klappt es 1994 in Turnberry endlich bei der Open. Es ist sein emotionalster Moment, der zurückreicht auf die vergrabenen Tomatendosen in seiner Kindheit. "Zweimal war ich nah dran, aber dann tatsächlich die Claret Jug in den Händen zu halten und sie meiner Mutter zu zeigen war etwas ganz Besonderes. Ich sagte ihr: ,Der Grund, warum ich gewonnen habe, warst du.' Da mein Vater an Krebs starb, als ich zehn Jahre alt war, sind wir eng zusammengewachsen und sind es bis heute."

Es ist ein Sieg der Marke "gutsy". Einer, den er sich als Kind nicht besser hätte ausmalen können. Drei Schläge Rückstand auf Jesper Parnevik bei noch drei zu spielenden Bahnen. Ein Birdie an der 16, dann ein unmöglicher Putt bergab aus gut 20 Metern zum Eagle an der 17 und ein abschließendes Par führen zur Claret Jug. Wenige Wochen nach dem emotionalen Höhepunkt folgt ein weiteres Major bei der PGA Championship in Southern Hills. Es ist eine Machtdemonstration auf den engen Spielbahnen mit Power und Präzision. Mit einer 67 zum Auftakt und nie in Gefahr gewinnt er schlussendlich mit sechs Schlägen Vorsprung. Insgesamt sechs Siege stehen dann für das Jahr 1994 zu Buche. Nichtsdestotrotz, so ist das mit dem Flow, ebbt dieser irgendwann ab. Und am Horizont zeichnet sich die Tiger-Wende ab. Zwar gewinnt Nick Price auf der PGA-Tour noch drei Turniere bis 2002, aber die beschriebenen Höhen sind unauslöschliche Momente der Golfgeschichte geworden. 19 Monate, in denen er, Nick Price, der beste Golfer der Welt ist und den Beweis erbringt, dass Golf nicht statisch ist. Es gibt keinen Knopf für Erfolg. Nur den Prozess des Stetigen und das Durchhaltevermögen, seine Ziele zu erreichen. Und das gilt schlussendlich für Golfer jeden Niveaus.

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