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Absolute Spezialität: Dreier aus dem Bunker

Steph Curry

Das Runde muss ins Runde

Von Jan Langenbein

Diese Grundregel setzt der vierfache NBA-Champ auf dem Basketball-Court bekanntermaßen äußerst erfolgreich um. Wie gut der beste Drei-Punkte-Schütze aller Zeiten dieses Prinzip allerdings auch auf dem Golfplatz umsetzen kann, grenzt beinahe an Unverschämtheit.

Jon Rahm, Brooks Koepka, Wyndham Clark oder Brian Harman dafür verantwortlich zu machen wäre eine Dreistigkeit, aber man sollte vor unwiderlegbaren Fakten nicht die Augen verschließen: Die Major-Sonntage 2023 waren in Sachen Action mehr Rosamunde Pilcher als John Grisham, mehr Arthaus-Film mit Untertiteln als "Top Gun: Maverick". Spannung, Drama und entscheidende Putts auf dem 18. Grün? Fehlanzeige. Für Nervenkitzel bis zum Schluss, Sieger, deren Strahlkraft über die Golf-Community hinausreicht, und überkochende Emotionen mussten Golf-Fans in diesem Jahr ihren Blickwinkel erweitern. Denn es gab sie tatsächlich, die Momente, wie sie Jordan Spieth in Harbour Town 2022 oder Tiger Woods in Torrey Pines 2008 lieferten. Verantwortlich für Golfunterhaltung der Extraklasse war 2023 bisher der Superstar einer anderen Sportart: Steph Curry.

Die 69er-Runde (-3), mit der der Shooting Guard der Golden State Warriors in die American Century Celebrity Golf Championship am malerischen Ufer des Lake Tahoe gestartet war, wäre selbst für gestandene Tour-Pros ein respektabler Start gewesen, doch für internationale Schlagzeilen reicht die "Unter Par"-Runde eines Basketball-Superstars noch nicht. Für diese sorgte der viermalige NBA-Champion in Runde zwei, als er an Loch 7 ein Pitching Wedge aus 139 Metern wenige Zentimeter vor der Fahne landen ließ, bevor sein Ball mit einem Slam Dunk im Loch verschwand: Hole-in-one! Der anschließende Sprint zum Grün gefolgt von einer Ehrenrunde und Hunderten High Fives ging selbstredend viral, schließlich folgen Steph Curry 48 Millionen mehr Fans auf Instagram als der gesamten Top Ten der aktuellen Golfweltrangliste zusammengenommen.

Kaum 24 Stunden später toppte der zweimalige MVP der NBA diesen Moment sogar noch, als er mit einem Schlag Rückstand auf den ehemaligen Tennisprofi Mardy Fish am letzten Abschlag des Turniers stand. Curry checkte seinen Puls, wie er es bei Auszeiten wichtiger Play-off-Spiele immer tut, spielte zwei perfekte Schläge ins Grün des abschließenden Par 5 und sah sich mit einem sechs Meter langen Bergab-Putt zum Eagle und dem damit verbundenen Turniersieg konfrontiert. "Von so etwas träumt man ein Leben lang: auf dem 18. Abschlag zu wissen, was zu tun ist, zwei gute Schläge zu machen und den alles entscheidenden Putt spielen zu können. Im Fernsehen hat man solche Situationen schon oft miterlebt und ich habe Tiger damals in Torrey Pines gesehen. Sich selbst in dieser Situation zu befinden ist schwer zu beschreiben. Ich bin selbst erstaunt, wie ruhig meine Nerven waren, als ich über dem Putt stand", sagte er bei der anschließenden Pressekonferenz. Wie sein Golfidol bei der US Open 2008 stopfte auch Steph Curry den vielleicht wichtigsten Putt seines Lebens und feierte unter den "MVP! MVP!"-Rufen der Fans diesen Triumph fast so ausgelassen, als hätte er gerade seinen fünften Meisterschaftsring mit einem Buzzer Beater klargemacht.

Steph Curry:

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SCHLIESSLICH FOLGEN STEPH CURRY 48 MILLIONEN MEHR FANS AUF INSTAGRAM ALS DER GESAMTEN TOP TEN DER AKTUELLEN GOLFWELTRANGLISTE ZUSAMMENGENOMMEN.
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Natürlich ist die American Century Championship kein Profiturnier, doch mit durchschnittlich einer Million TV-Zuschauern lieferte die Party der Sport- und Popstars in diesem Jahr Einschaltquoten, von denen die DP World Tour nur träumen kann, und es waren längst nicht nur Golden-State-Warriors-Fans, die mit ihrem Superstar mitfieberten. Tiger Woods zählte zu den ersten Gratulanten, als der letzte Putt gefallen war, und Fred Couples schickte am Samstagabend eine Nachricht an den Führenden, in der er Curry klarmachte, dass es vollkommen in Ordnung sei, sich einen Tag lang wie ein Profi-Golfer zu verhalten, alle Ablenkungen zu ignorieren und die Runde zu genießen. Diese Ratschläge fielen auf fruchtbaren Boden. Nach fünf Top-Ten-Platzierungen in den vergangenen Jahren konnte Steph Curry das Turnier im elften Anlauf gewinnen und hatte nur einen Vergleich für die Emotionen, die er auf dem 18. Grün durchlebte: "Das Gefühl kommt einem versenkten Dreier, der ein Basketball-Spiel mit Ablauf der Uhr entscheidet, schon verdammt nah", und mit einem Augenzwinkern in Richtung des frühzeitigen Play-off-Aus seiner Warriors in der vergangenen Spielzeit: "Ich möchte den Los Angeles Lakers für ihren Beitrag zu meinem Turniersieg am Lake Tahoe danken, schließlich waren sie es, die mir vier Wochen mehr Zeit zur Vorbereitung verschafften."

Weder das Ass noch der Turniersieg sollten irgendwen verwundern. Die Treffsicherheit des besten Shooter der Basketball-Geschichte, der bei NBA-Spielen bereits Würfe von der eigenen (!) Drei-Punkte-Linie verwandelte, ist schließlich buchstäblich unerreicht. Und was ist schon ein Promi-Golfturnier, wenn man bereits Profigolf-Luft geschnuppert hat? 2017 hatte Steph seinen ersten Auftritt auf der Korn Ferry Tour und beeindruckte bei der Ellie Mae Classic nicht nur seinen Mitspieler Stephan Jäger. "Sein kurzes Spiel war wirklich beeindruckend gut und nichts an seinem Schwung weist darauf hin, er würde nicht hierhergehören", lobte der Deutsche nach Runde eins. Mit seiner 74 schlug Curry seinen zweiten Mitspieler Sam Ryder im direkten Duell sogar um einen Schlag. Als es der Hobby-Golfer ein Jahr später an gleicher Stelle noch einmal bei den Profis versuchte, lief es zunächst sogar noch besser: "Bei meinem zweiten Start auf der Korn Ferry Tour spielte ich eine 71 in Runde eins und war nur drei Schläge von der Cut-Linie entfernt. An diesem Abend schlief ich mit dem Gedanken ein, dass ich vielleicht den Cut bei einem Profi-Event schaffen könnte", erinnert sich Steph. "Am Freitag holte mich dann eine 86 auf den Boden der Tatsachen zurück." Sein Respekt vor der Leistung von Profi-Golfern erreichte in jener Woche nach eigenen Angaben bisher ungeahnte Höhen: "Während eines Golfturniers hat man viel Zeit nachzudenken, was ein großes Problem werden kann. Auf dem Basketball-Court gilt es lediglich zu reagieren. Die Konzentration über mehr als vier Stunden aufrechtzuerhalten, und zwar vier Tage in Folge, ist die Eigenschaft, die ich an Golfprofis am meisten bewundere."

Zum ersten Mal mit dem Golfsport in Berührung kam Steph Curry im Alter von zehn Jahren in seiner Heimat North Carolina. Sein Vater Dell, von 1986 bis 2002 ebenfalls NBA-Profi, hatte gerade von den Charlotte Hornets zu den Milwaukee Bucks gewechselt und war so merklich seltener bei seiner Familie. Wann immer der Senior aber spielfrei hatte und zu Hause in Charlotte sein konnte, schnappte er sich seinen Sohn und die zwei fuhren zum nur zehn Minuten vom Wohnhaus der Currys entfernten Charlotte Golf Links. An Schultagen spielten sie regelmäßig 18 Löcher gemeinsam auf dem öffentlichen Tom-Doak-Design und an Wochenenden marschierten Vater und Sohn nicht selten 36 Löcher, ehe es zum Abendessen ging. "Dort habe ich meine ersten Jahre als Golfer verbracht und tatsächlich eine Träne verdrückt, als der Platz 2014 geschlossen wurde und einem Immobilienprojekt weichen musste", erinnert sich Steph noch heute an seine erste Golfliebe.

Steph Curry: Macht jeder: Putten im Büro (l.). Pure Freude: Der McRib ist zurück (r.)Steph Curry: Macht jeder: Putten im Büro (l.). Pure Freude: Der McRib ist zurück (r.)
Macht jeder: Putten im Büro (l.). Pure Freude: Der McRib ist zurück (r.)
Kaum alt genug, allein seine Runden zu drehen, verbrachte Steph jede freie Minute, die er nicht in der Schule oder beim Basketball-Training war, auf dem Golfplatz. Losgelassen hat ihn das Spiel seither nicht mehr und genauso wie Currys Basketball-Karriere von Rekorden und unvergesslichen Höhepunkten gesäumt ist, haben auch die Highlights und Anekdoten seines Golfer-Daseins das Zeug dazu, echte Golffanatiker neidisch zu machen. Kostproben gefällig?

Kein Geringerer als Tiger Woods wusch dem damals vom Ausscheiden aus den NBAPlay-offs gefährdeten Steph Curry den Kopf und "entfachte so das Feuer in mir, das wenige Wochen später zu unserem ersten NBA-Titel führte", wie er Jahre später bestätigte. Wenig später spielte Curry bei einer gemeinsamen Runde mit Barack Obama eine 76, musste sich dem Präsidenten aufgrund dessen wesentlich höheren Handicaps aber dennoch geschlagen geben und schob die Niederlage grinsend auf die Ablenkung durch Secret-Service-Agenten, die den Commander in Chief bewachten. Ein Jahr später eröffnete Steph bei seinem ersten Besuch im Augusta National Golf Club seine Runde mit einem Birdie, um danach vom Austragungsort des Masters eine Lehrstunde in Sachen Golfdemut erteilt zu bekommen. Am 16. Oktober 2016 spielte Curry eine blitzsaubere 68 und brach am darauffolgenden Tag gegen die New Orleans Pelicans den Rekord für die meisten versenkten Dreier in einem NBA-Spiel. Zu seinem Re-Match gegen Barack Obama brachte Steph Curry 2017 Jordan Spieth als schlagkräftige Unterstützung mit, doch diesmal verließ sich der ehemalige Anführer der freien Welt nicht auf seine Bodyguards, sondern steckte seinen Gegner auf dem siebten Grün lediglich: "Ihr würdet nicht glauben, wie verrückt die Aliens tatsächlich aussehen!", und brachte die Profisportler damit derart aus dem Konzept, dass er auch dieses Match für sich entschied. Offensichtlich im Bestreben, auch die Zeit abseits des Golfplatzes für Schwungtraining zu nutzen, zertrümmerte Steph Curry 2018 bei Trockenschwüngen den Couchtisch eines Hotelzimmers und traf 2019 im Jahr von Tigers bisher letztem Major-Sieg die hervorragende Entscheidung, seinen Trainingsplan für die anstehenden Play-offs anzupassen, um die Finalrunde des Masters verfolgen zu können.

Während Steph NBA-Titel sammelte und Scoring-Rekorde brach, drückte er sein Handicap in der knapp bemessenen Freizeit bis auf +1,5 und benötigte dafür nicht mal einen Schwungtrainer. "Ich spiele Golf, seit ich zehn war, habe aber nie wirklich verstanden, wie man neue Dinge und fundamentale Techniken lernt, um sie dann auf dem Platz einsetzen zu können. Dafür fehlte mir schlicht die Zeit", erklärte er nach seinem Sieg am Lake Tahoe. "Ich denke, ich war zehn Jahre lang mehr oder weniger derselbe Golfer. Aber im Sommer 2022 bekam ich das erste Mal Golf-Coaching. Davor ging ich den Golfschwung genau so an wie mein Basketball-Spiel: Ich staple kleine Bausteine von Techniken oder Bewegungsgedanken aufeinander, bis sich das Ganze gut anfühlt und funktioniert. Beim Golf waren es zwei oder drei kleine Schwunggedanken, die ich dank der Hilfe meiner Coaches nun auf dem Platz umsetzen kann und mir dabei helfen, dass der Ball dorthin fliegt, wo ich ihn sehen möchte."

Steph Curry:
Sucht ein Superstar vom Kaliber eines Steph Curry den passenden Golflehrer, muss er sich dazu selbstverständlich nicht auf den Golf-Pro der Driving Range um die Ecke verlassen, sondern ist nur einen Anruf von Einzel- Coaching mit Butch Harmon, Schwungtipps von Tiger Woods und dem besagten Fred Couples als Sportpsychologen entfernt. Turniersiege wie bei der American Century Championship sind die logische Folge, doch so sehr solche Momente das Ego des Profisportlers auch kitzeln, Curry sieht im Golfsport weit mehr als nur eine weitere Möglichkeit zu beweisen, welch unverschämt talentierter und begnadeter Athlet in ihm steckt. "Natürlich bin ich stolz darauf, sagen zu können: ,Ich bin gut genug, dieses Golfturnier zu gewinnen'", stellte er in Tahoe beinahe beschämt klar. "Aber wichtiger ist mir, Golf einer breiteren Masse zu präsentieren, zu zeigen, wie viel Spaß dieses Spiel bereiten kann, und einfachere Zugänge zu diesem Sport zu schaffen." In diesem Bestreben belebte Steph mit mehr als einer Million Dollar das vor über 50 Jahren eingestellte Golfprogramm der historisch afroamerikanischen Howard University in Washington/D.C. wieder. "Ich möchte damit einen kleinen Beitrag leisten, Kids mit schwarzer und brauner Hautfarbe zum Golf zu bringen", erklärt Curry sein Engagement für eine Universität, deren Schulbank er selbst nie drückte. Die Männer- und Frauen-Golfteams gewannen seither zwei Meistertitel und Howard-University-Golf- Coach Sam Puryear ist sich sicher: "Stephens Bedeutung für die afroamerikanische Community ist größer als die von Tiger Woods."

Darüber hinaus bietet die von Steph 2023 ins Leben gerufene Underrated Golf Tour jungen afro- und lateinamerikanischen Golferinnen und Golfern, die bisher durchs Raster der Talentsucher großer Colleges gefallen sind, eine Möglichkeit, sich auf Championship-Plätzen von Tourkaliber wie dem Firestone Country Club oder Chambers Bay zu messen und am Saisonende um den Curry Cup zu spielen. Der sportliche Wettkampf ist dabei aber nur Teil der Philosophie, die hinter der Underrated Golf Tour steckt. "Wir möchten Teilen der Gesellschaft, die im Golf bisher unterrepräsentiert sind, auch die Tür zu all den Networking-Gelegenheiten und Gemeinschaftserlebnissen, die dieser Sport bietet, öffnen", beschreibt Steph sein jüngstes Engagement in Sachen Golf.

Angesichts all der Zeit, des Herzbluts und nicht zuletzt auch der Geldsummen, die Curry bis heute in den Golfsport investiert hat, und natürlich im Angesicht seines nahezu makellosen Golfschwungs könnte man beinahe übersehen, dass der 35-Jährige immer noch zu den besten Spielern der NBA zählt und ein fünfter Meistertitel mit den Golden State Warriors alles andere als unrealistisch ist. Die Trophäe der American Century Championship in einem Atemzug mit einem NBA-Titel zu nennen wäre jedoch vollkommen realitätsfern. "Basketball ist das Handwerk, auf das ich mich am besten verstehe, mein Job und meine Passion, in die ich unzählbar viele Stunden Training investiert habe", stellt er seine Prioritäten klar. "In wenigen Wochen beginnt meine 15. Saison in der NBA und ich habe dort bereits unglaubliche Momente erlebt. Aber auch Golf nimmt in meinem Leben eine ganz spezielle Rolle ein. Während der Basketball-Saison spiele ich Golf, wann immer ich die Zeit finde, und während der Off-Season praktisch jeden Tag. Golf ist meine Therapie unter Freunden, gleichzeitig Ruhe und Wettbewerb zu finden."

Natürlich sind die in 147 Play-off Spielen, 34 davon in den NBA Finals, gesammelten Erfahrungen auf dem Golfplatz, egal ob bei Runden mit den Golf-Buddys, Matches gegen den 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten oder bei Finalrunden vor über einer Million TV-Zuschauern, ein echtes Pfund. "Als ich über dem Eagle-Putt an der 18 stand, hatte ich weder Angst noch verspürte ich Nervosität, denn ich bin in solchen Situationen sowohl auf dem Basketball-Court als auch auf dem Golfplatz schon so oft gescheitert. Angst zu versagen habe ich schon lange nicht mehr." Dank dieser Furchtlosigkeit gepaart mit dem vollkommenen Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten lieferte Steph Curry den bisher coolsten Putt der Golfsaison 2023.

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