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Tiger Christensen

Und wie war dein Sommer so?

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images, Stefan von Stengel

Während andere an den Baggersee oder ans Meer fuhren, spielte Tiger Christensen die Open. In Liverpool zeigte sich das deutsche Ausnahmetalent zum ersten Mal auf der ganz großen Bühne und hat dabei Blut geleckt.

Mit der Porsche European Open und der Open Championship hast du diesen Sommer nicht nur deine ersten Profiturniere gespielt, sondern auch dein erstes Major. Was nimmst du aus diesen zwei Wochen mit?
Die beiden Wochen haben sich sehr unterschieden. In Hamburg habe ich dank einer Sponsoreneinladung zum ersten Mal überhaupt bei einem Profiturnier mitgespielt. Das war natürlich megacool, um Erfahrungen zu sammeln, und ein ganz anderes Turnier-Erlebnis als sonst. Für die Open in Liverpool hatte ich mich aus eigener Kraft qualifiziert. Die Teilnahme dort war daher mein eigener Verdienst und deswegen habe ich mich dort extrem wohlgefühlt und den Eindruck gehabt, dass ich wirklich dort hingehöre. Ich habe mein erstes Major sehr genossen, weiß nun genau, wo ich als Profi einmal hinmöchte, und bin überzeugt, es in Zukunft auch als Profi zur Open zu schaffen.

Deine Qualifikation für die Open war spektakulär und du hast beim Final Qualifying im West Lancashire Golf Club einige klangvolle Namen wie zum Beispiel Sergio García hinter dir gelassen. Wie hast du die Quali erlebt?
Direkt nach der Einzeleuropameisterschaft, bei der ich ein gutes Ergebnis hatte, bin ich zum Open Qualifier gefahren und habe dort eine Einspielrunde gespielt, bei der sehr viele Zuschauer waren, da einige namhafte Profis wie Matt Wallace und Sergio am Start waren. Ich hatte einen Local Caddie und spielte die beiden Runden zusammen mit Alex Fitzpatrick. In Runde eins bin ich mit acht Pars in Folge gestartet, blieb aber geduldig und habe dann doch noch meine Birdies gespielt. Ich war mit meinem Spiel die gesamte Woche über sehr zufrieden. Als es am Ende der zweiten Runde noch mal eng wurde, hat auch Alex richtig aufgedreht und wir haben uns gegenseitig mächtig gepusht, gute Scores zu spielen. So hat es am Ende für beide von uns locker gereicht, ins Starterfeld der Open zu kommen.

Das macht gerade bei einem Turnier, bei dem es in einer Runde um die Wurst geht, sehr viel aus, einen Mitspieler zu erwischen, der gut drauf ist und ebenfalls oben mitspielt, als jemanden im Flight zu haben, der an diesem Tag sein B-Game mitgebracht hat, oder?
Ja, auf jeden Fall! Ich habe in der ersten Runde mit einer 68 schon wirklich gut gespielt. Alex spielte am ersten Tag eine 70 und war damit noch recht weit hinten auf dem Leaderboard. Er ist dann super in die zweite Runde gestartet und irgendwann lagen wir bei -7, wussten aber, dass das nicht reichen wird, um einen der ersten fünf Plätze für die Open-Qualifikation zu schaffen. Wir haben dann auf dem letzten Drittel der Runde einige Löcher beide jeweils Birdie gespielt und uns richtig mitgerissen.

Wirst du als Amateur bei solch einem Qualifying-Event von den Profis und den Zuschauern anders angeschaut oder behandeln sie dich wie alle anderen auch?
Nein, man wird dort generell als Spieler behandelt. Direkt vor uns spielte Sergio und der hatte bestimmt 3.000 Zuschauer im Schlepptau. Als Alex und ich dann richtig gut spielten, ließen sich einige von ihnen zu uns zurückfallen. Das war wirklich cool. Die Zuschauer feiern es schon extrem, wenn ein Amateur gut spielt, aber unter den Spielern wird kein Unterschied zwischen Profi und Amateur gemacht.

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Fühlten sich die Starts bei Profi-Events anders an als bei einem großen Amateurturnier? Oder ist der Start in eine Runde immer dasselbe für dich und es gilt, in das Mindset für gutes Golf und in den Wettkampfmodus zu kommen?
Das Mindset ist eigentlich vor jeder Runde dasselbe: Ich möchte so gut wie möglich performen. Bei der Porsche European Open war es ein Sonderfall, denn das war mein erstes Mal auf solch einer Bühne. Ich bin es zwar gewohnt, vor Zuschauern zu spielen, jedoch kommen die bei Amateurturnieren normalerweise erst, wenn man schon ein oder zwei gute Runden ins Clubhaus gebracht hat. Man hat schon Leistung gebracht und erst dann schauen die Leute zu. In Hamburg hatte ich noch nicht einen Schlag gemacht, da warteten die Zuschauer schon darauf, dass es losgeht. Das war definitiv eine neue Erfahrung und ich war deshalb auch drei Löcher nervös und nicht nur eines. Bei großen Amateur- Events bin ich vor dem ersten Schlag meist etwas nervös, das legt sich dann aber schnell. Bei der Open war das allerdings komplett anders. Dort war ich am Montag während der ersten Einspielrunde auf den ersten neun Löchern ein bisschen nervös und das wurde dann immer weniger bis zum Donnerstag. Beim ersten Abschlag des Turniers war ich völlig entspannt. Ich fühlte mich einfach total wohl und habe mir keinen Kopf mehr um das ganze Drumherum gemacht.

Was war dein Highlight der gesamten Open-Woche?
Es ist schwer, eine einzige Sache herauszustellen, aber wahrscheinlich war es die Unterstützung der Zuschauer. Mein Qualifying-Turnier fand ja nur 20 Minuten entfernt statt und daher gab es einige Zuschauer, die mich noch auf dem Schirm hatten oder extra wegen mir auf die Anlage gekommen sind. Das hatte ich nicht erwartet. Neben den besten Spielern der Welt auf der Range zu stehen und zu merken, dass man leistungsmäßig nicht weit entfernt ist, das ist ein unglaubliches Gefühl.

Waren es nur Kleinigkeiten, die zum Cut gefehlt haben, oder siehst du noch generelle Dinge, an denen du arbeiten musst?
Mir ist aufgefallen, dass der große Unterschied einer Open zu großen Amateur-Events oder kleineren Profi-Turnieren darin liegt, dass ein gutes Ergebnis und ein verpasster Cut extrem nah beieinanderliegen. Ich habe die ersten beiden Runden mit Marcel Siem gespielt und der lag nach 33 Löchern irgendwo um Rang zehn. Dann streute er zwei Bogeys ein und meinte auf dem letzten Loch am Freitag zu mir: "Jetzt muss ich doch noch um den Cut kämpfen." Das geht bei Major-Turnieren offenbar extrem schnell. Der Cut lag am Ende bei +3 und ich denke nicht, dass es unmöglich gewesen wäre, dieses Ergebnis zu erreichen. Ich hätte zwei oder drei Fehler weniger machen müssen, dann wäre der Cut schon machbar gewesen.

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Hast du bei der Open Sachen gesehen, die du noch nicht kannst, oder bist du in deinem Können bestätigt worden?
Meine Stärken sind mein Ball-Striking und meine Länge. Auf der Range konnte ich bei den Profi-Events keine großen Unterschiede ausmachen - es war eher so, dass ich Dinge konnte, die viele dort nicht fertiggebracht haben. In Green Eagle war das Rough um die Grüns viel dichter als das, was ich aus dem Amateurbereich gewohnt bin. Spielt man jede Woche solche Verhältnisse, gewöhnt man sich aber sicher schnell daran und kann die Balllagen im tiefen Rough besser lesen. Aus diesem Grund hatte ich in Hamburg rund um die Grüns noch so meine Probleme, obwohl mein kurzes Spiel eigentlich sehr solide ist. Bei der Open ist mir dagegen aufgefallen, dass jeder Profi - egal was seine körperlichen und spielerischen Voraussetzungen sind - in der Lage ist, jederzeit das Maximum aus seinem Spiel herauszuholen. Dort ist mir bewusst geworden, dass mein Spiel noch stärker schwankt und ich an einigen Stellen Schläge liegen lasse, die sich ein gestandener Profi nicht leisten würde.

Wie sieht die nähere Zukunft aus? Haben die Erfahrungen dieses Sommers etwas an deinem Zwei-Jahres-Plan geändert?
Ich spiele im Moment noch College-Golf in Arizona und plane, die vollen vier Jahre bis zum Abschluss dort zu bleiben. An meiner Planung ändert sich daher nichts: Im Winter spiele ich für mein College in den USA und im Sommer stehen die wichtigen Events in Europa an. Wenn ich 2025 dann fertig bin mit dem College, kann es mit der Profi-Karriere losgehen.

Du hast zu Beginn der Saison das College gewechselt und spielst nun erfolgreich für die University of Arizona. Was war der Grund für diesen Wechsel?
Oklahoma ist eine sehr ländliche Gegend, in der es nur wenige gute Golfplätze gibt und wo auch sonst nicht viel los ist. Ich habe mich dort nicht besonders wohlgefühlt. Es mag komisch klingen, aber es war wirklich nicht leicht, sich dort gut und gesund zu ernähren. Das ewige Fast Food schlug mir irgendwann auf die Seele. Im Team herrschte auch nicht die beste Chemie und deshalb habe ich mich entschieden, zu meinem deutschen Kollegen Yannick Malik nach Arizona zu wechseln.

Dann stehen dir noch zwei Spielzeiten am College bevor. Was sind die wichtigsten Turniere im Amateurkalender, die du in dieser Zeit noch spielen und bestenfalls gewinnen möchtest?
Ich würde mich natürlich sehr gerne für das Masters qualifizieren. Um das zu schaffen, bleiben für jemanden aus Europa allerdings nur zwei Möglichkeiten: entweder die US Amateur oder die British Amateur Championship gewinnen. Die US Amateur liegen für mich zeitlich immer sehr ungünstig und passen schlecht in meinen Turnierplan. Von daher bleibt mir eigentlich nur die British Amateur, auf dich ich mich konzentrieren muss, um es nach Augusta zu schaffen.

Du gehörst einer Generation an, die sich beim Wechsel ins Profilager unter Umständen einer Entscheidung stellen muss: PGA bzw. DP World Tour oder LIV. Hast du darüber schon nachgedacht und wäre LIV eine Option für dich?
Mein Ziel ist auf jeden Fall, es auf die PGA Tour zu schaffen, vor allem auch nach den Erfahrungen, die ich dieses Jahr bei der Open machen durfte. Die Woche in Liverpool hat mir gezeigt, dass Turniere wie dieses genau das sind, worauf ich schon mein Leben lang hintrainiere. Mein Ziel ist es, irgendwann einmal Major-Turniere zu gewinnen, und eine LIV-Mitgliedschaft würde diesem Lebensziel definitiv im Weg stehen.

 

Steckbrief

NAME
TigerR Christensen

JAHRGANG
2003

WOHNORT
Hamburg

HANDICAP
+4,4

LIEBLINGSESSEN
Sushi

ERFOLGE
2019
1. Platz European Young Masters (Teamwertung)
2021
1. Jacques Léglise Trophy
1. German International Amateur Championship
1. Europameister (Team)
2023
7. European Amateur Championship

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